In ihrer Dokumentation „Werden Sie Deutscher" lädt Regisseurin Britt Beyer („Der junge Herr Bürgermeister") zum Besuch eines Integrationskurses ein und vermittelt dadurch ein eindringliches Gefühl, was Integrationspolitik fern von politischen Debatten für ausländische Mitbürger in unserem Land bedeutet. Gänzlich unkommentiert wird eine Integrationsklasse auf ihrem zehnmonatigen Weg vom ersten Zusammentreffen bis zur feierlichen Vergabe des „Zertifikats Deutsch" begleitet. Dabei geht es sowohl um die Inhalte des Lehrplans und die besondere multikulturelle Gemeinschaft im Klassenraum, als auch um Wünsche und Ängste, welche die Teilnehmer mit ihrem Kursbesuch verbinden.
Während der zurückhaltende Shipon erst seit zwei Jahren in Deutschland lebt und die mögliche Abschiebung nach Bangladesch fürchtet, ist Globetrotter Jorge gerade in Berlin angekommen, um mit seiner Freundin zusammenzuleben, und hat das Ziel, eine Bar zu eröffnen. Dagegen lebt die 44jährige Insaf aus Palästina schon seit über 20 Jahren in der Bundesrepublik. Während ihre Kinder fließend zwischen Deutsch und Arabisch wechseln, fremdelt sie immer noch mit der deutschen Sprache. Sie alle möchten das „Zertifikat Deutsch" erwerben, das eine der Grundvoraussetzungen für eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis darstellt. In einem Integrationskurs lernen sie daher die Sprache und bekommen zudem Grundkenntnisse über das Rechtssystem, sowie die Geschichte und die Kultur Deutschlands nahe gebracht. Zusammen mit ihren Mitstudierenden aus aller Herren Länder bemühen sie sich um ihre Integration. Aber ab wann gilt man als integriert und vor allem: Kann (bzw. darf) man Integration verordnen?
Nicht nur der Klassenraum ist Schauplatz von „Werden Sie Deutscher": Shipon, Insaf und Jorge werden auch in ihrer privaten Umgebung und bei ihren Bemühungen, Arbeit bzw. eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, beobachtet. Die Klassensituation beschreibt - durchaus auch auf humorvolle Art - wie unterschiedliche Lebenswelten und Kulturen mit dem gemeinsamen Ziel der Integration zusammentreffen. Britt Beyer zeigt dabei sowohl die erheblichen Fortschritte der Sprachschüler als auch ihr Erstaunen oder gar Unverständnis über deutsche Gewohnheiten. Ganz beiläufig deutet sie damit an, wie die Kurse dazu beitragen, einige gängige Stereotypen über die pünktlichen, korrekten und den sonntäglichen „Tatort" liebenden Deutschen zu festigen. Dabei ist es doch gerade die sich aus Desinteresse oder Angst vor dem Unbekannten speisende Zuflucht in die kulturelle Verallgemeinerung, welche der wirklichen Integration all zu oft im Wege steht.
Während der faszinierende und durchaus auch amüsante Integrationsschulkosmos eine besondere Dynamik entfaltet und die sinnigen wie eher unsinnigen Inhalte des Kurses offenbart werden, fallen die persönlichen Geschichten der herausgepickten Teilnehmer dagegen ab. Sie sind zu offensichtlich auf eine stärkere Emotionalisierung hin ausgerichtet. Statt zum Beispiel Eindrücke und Verbesserungswünsche der engagierten Lehrer hinsichtlich der Kursgestaltung zu zeigen, folgt die Regisseurin so das ein ums andere Mal zu oft den drei Kursmitglieder in die eigenen vier Wände, wo sie noch einmal einzeln zu Wort kommen. Diese zusätzliche, private Dimension ist überflüssig, halten die Lehrkräfte doch die Teilnehmer ohnehin beständig an, persönliche Eindrücke oder Gedanken in das Unterrichtsgeschehen einfließen zu lassen, so dass man etwa die privaten Visa– und Bürokratieproblematiken auch über den Klassenraum hätte behandeln können.
Fazit: Mit ruhigem, unparteiischem Blick fängt die Dokumentation „Werden Sie Deutscher" die Teilnehmer eines Integrationskurses auf dem steinigen Weg zum „Zertifikat Deutsch" ein. Dabei wird zum einen deutlich was Integrationsprogramme in der Praxis bedeuten, zum anderen wie Stereotypisierung die Kulturverständigung erschwert.