Wenn es um Feindbilder geht, wird im Hollywood-Kino gerne auf einen Bösewicht-Konsens gesetzt: Während des Kalten Krieges konnte man dem westlichen Publikum problemlos die Russen als Schurken vorsetzen, später mussten verstärkt Araber oder Chinesen herhalten, doch in der komplizierter gewordenen Welt des 21. Jahrhunderts bleibt als allgemein akzeptierte Verkörperung des reinen Bösen höchstens noch das diktatorische Regime in Nordkorea – oder jene gierig-zynischen Wall-Street-Banker, die sich die eigenen Taschen mit Millionen füllen und den kleinen Mann auf der Straße um sein Erspartes bringen. Dem geprellten Volk verleiht jetzt Jodie Foster in ihrer vierten Regiearbeit eine Stimme aus Mainstream-Hollywood. Ihr flott in Echtzeit inszenierter Geiselnahme-Thriller „Money Monster“ ist eine griffig-unterhaltsame, aber wenig differenzierte Moralpredigt gegen die perversen Praktiken einiger Großkapitalisten.
Lee Gates (George Clooney) ist Star-Moderator des TV-Börsenmagazins „Money Monster“. Der Finanzguru gibt seinen Zuschauern auf amüsante Weise Tipps, wie sie ihr Geld vermehren können - aber manchmal vertut sich natürlich auch der beste Experte. Als er die Aktie des Hochfrequenzhändlers Ibis empfiehlt, kommt es zu einem Kurssturz und der LKW-Fahrer Kyle Budwell (Jack O‘Connell) verliert 60.000 Dollar. Der aufgebrachte Anleger nimmt Gates‘ Fehler persönlich: Er stürmt mit einer Pistole bewaffnet in die Live-Sendung, nimmt den verdutzten TV-Mann als Geisel und hängt ihm einen Sprengstoffgürtel um die Taille. Im Aufnahmeraum versucht Regisseurin Patty Fenn (Julia Roberts) unterdessen, eine Panik zu verhindern und die Kontrolle über die Situation zu bekommen. Budwell droht Gates zu erschießen, wenn die Übertragung unterbrochen wird. Er verlangt von dem Experten vor aller Welt eine Erklärung, warum er sein ganzes Geld verloren hat – bei einem angeblich todsicheren Tipp. Die Spur führt zum Ibis-Konzern, wo Pressesprecherin Diane Lester (Caitriona Balfe) an vorderster Front kämpft, während Firmen-CEO Walt Camby (Dominic West) in seinem Privatjet nicht erreichbar ist.
Die Finanzkrise 2008 hat die US-Mittelschicht kalt erwischt. Scharenweise verloren Familien nicht nur ihre Häuser und ihre Existenzgrundlage, sondern auch das Vertrauen in das Finanzsystem: Skrupellose Zyniker führten ihre Banken unter Volldampf in die Pleite und ließen sich anschließend von der Regierung mit Steuergeld retten. Regisseurin Jodie Foster („Der Biber“, „Familienfest und andere Schwierigkeiten“) begibt sich mit „Money Monster“ also in ein wahres thematisches und emotionales Minenfeld, durch das Konzept des Echtzeitthrillers fügt sie auch noch einen erzählerischen Ausnahmezustand hinzu: Sie hält das Tempo hoch, wechselt immer wieder zwischen Kino- und TV-Bildern, variiert ständig die Kameraperspektiven und lässt auch nach der Geiselnahme eine dichte Kette von dramatischen Ereignissen folgen – es entsteht ein sehr lebendig wirkender Film voller (An)Spannung.
Während die Inszenierung angemessen variabel ausfällt, bleiben die Figuren schablonenhaft. Vor allem die Wandlung von George Clooneys Gates vom selbstverliebt-eitlen Fernsehgockel zum engagierten Gutmenschen, der sich für die Aufdeckung des Ibis-Skandals einsetzt, mangelt es an Glaubwürdigkeit. Dabei tut der zweifache Oscar-Gewinner sein Bestes: Wie er die Verängstigung des sonst so selbstsicher auftretenden Gurus darstellt, die ihn erst ganz allmählich die Fassung wiederfinden lässt, ist mehr als beeindruckend. Aber gegen einen fragwürdigen, arg gewollt wirkenden und sensationsheischenden Plottwist kommt auch Clooney dann nicht an. Außerdem verzichtet Jodie Foster auf eine grundsätzliche Wall-Street-Anklage, was ihrem Thriller etwas die Sprengkraft nimmt: Letztlich stellt sie nicht das System an sich in Frage, sondern nimmt nur die Schurken aufs Korn, die für die verbrecherischen Exzesse sorgen. Die Yale-Absolventin ergreift uneingeschränkt Partei für den geschröpften Kleinanleger und Geiselnehmer – und damit auch für sein Recht auf einen guten Profit.
Nichtsdestotrotz hat „Money Monster“ neben den beiden souverän agierenden Superstars George Clooney („Good Night, And Good Luck.“) und Julia Roberts („Pretty Woman“) eine Handvoll guter Einzelszenen. An einem Wendepunkt wird Budwells schwangere Freundin Molly (Emily Meade) zugeschaltet, in der Hoffnung, dass sie den Vater ihres ungeborenen Kindes besänftigen kann. Doch die aufgebrachte Dame rast verbal wie eine Ein-Frau-Stampede über Budwell hinweg - großartig! Auch die Ironie des Beginns, wenn der TV-Zirkus mit Lee Gates‘ affiger Show vorgeführt wird, hat hohen Unterhaltungswert. Überhaupt setzt Foster zwischendurch auf humorvolle Seitenhiebe, die jedoch zuweilen auch von der Ernsthaftigkeit ihrer Erzählung ablenken. Das ist für diesen sehr ambitionierten und zugleich doch halbherzigen Film durchaus symptomatisch.
Fazit: Jodie Fosters irgendwo zwischen „Hundstage“ und „The Big Short“ angesiedelter Geisel-Thriller „Money Monster“ ist unterhaltsam, aber deutlich zu simpel – so kann er den beiden Vorbilder nicht das Wasser reichen.
Wir haben „Money Monster“ im Rahmen der 69. Filmfestspiele von Cannes gesehen, wo der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz gezeigt wurde.