Von Zeit zu Zeit schenkt das Horrorkino seinen Fans Figuren, die sich aus dem Stand in die Riege unvergesslicher Schreckgestalten aufschwingen. Sei es das langsame und dennoch unaufhaltsame Voranschreiten eines Michael Myers („Halloween"), Jack Nicholsons manischer Tanz mit der Axt in „Shining" oder die schmerzgeilen Zenobiden aus „Hellraiser": Mit ihren charismatischen Posen wurden sie nicht nur zu albtraumhaften Erscheinungen, sondern auch zu Ikonen, die manchmal gar die Filme überstrahlten, in denen sie auftraten. Dass man sich eine kultige Figur jedoch nicht einfach aus den Fingern saugen kann, stellt Michael J. Gallagher in seinem Horror-Thriller „Smiley" unter Beweis. Die Figur des Killers mit der unheimlich-fleischigen Grinse-Maske mag klug gewählt sein und über Wiedererkennungswert verfügen – der um sie gebaute Film ist jedoch trotz gelungener Schockmomente und eines düster-provokativen Endes insgesamt eher bieder und das Thema der zwischenmenschlichen Kälte in den Zeiten der Online-Dauervernetzung bleibt schwach belichtet.
In den anonymen Weiten des Internet treibt ein mysteriöser Serienkiller mit unheimlicher „Smiley"-Maske sein Unwesen. Sobald sich zwei Unbekannte in einem Videochat treffen und einer den anderen mit dem Tod bedroht und sei es nur zum Scherz, genügt es, wenn dieser sich dreimal mit den Worten „I did it for the Lulz" (Ich tat es für den Lacher) entschuldigt und der Smiley-Killer erscheint. Lange Zeit hielten Ashley (Caitlin Gerard) und ihre Freundin Proxy (Melanie Papalia) die Legende vom Smiley für ein böses Internet-Gerücht. Als sie jedoch einem „Chatroulette-Exhibitionisten" den Tod wünschen und der Smiley-Killer diesen Wunsch prompt in die Tat umsetzt, merken sie, dass der Killer alles andere als eine Legende ist.
Eigentlich bewegt sich Regisseur Michael J. Gallagher mit „Smiley" auf interessantem Terrain. Nicht erst seit gestern muss man sich schließlich fragen, ob die totale Vernetzung nur Gutes bewirkt oder ob nicht gerade die Möglichkeit permanenter Erreichbarkeit in die große Beliebigkeit führt. In der Anonymität des Netzes blüht schließlich auch die Gefahr des digitalen Stalkens, aus Normalos können leicht Trolls und Mobber werden. Kulturpessimisten warnen da schnell vor digitaler Demenz oder geistiger Verrohung, doch soweit will Gallagher gar nicht gehen. Dennoch merkt man seinem Drehbuch immer wieder an, dass er sich einige Gedanken zur Materie gemacht hat. Je weiter der Film jedoch fortschreitet, desto mehr gibt Gallagher die Ausarbeitung der diskussionswürdigen Grundidee jedoch zugunsten der relativ simplen Strickweise eines Horror-Reißers von der Stange auf. Statt einer intelligenten Schreckensgeschichte gibt es dann Genre-Dutzendware und es dominieren die schnellen Schockmomente.
In „Smiley" mögen die inhaltlich vielversprechenden Ansätze nicht voll zur Geltung kommen, gute Genre-Unterhaltung ist er dennoch durchaus. Regisseur Gallagher gelingen etliche sehr effektvolle Schreckensszenen, speziell der „Opening Kill", mit dem hier in bester „Scream"-Tradition die Vorgehensweise des Killers etabliert wird, ist gut geschrieben und stimmungsvoll umgesetzt: Wie ein sich in mörderischer Absicht manifestierender Fluch schlägt dieser Internet-„Candyman" eiskalt zu und das brachiale Sounddesign verstärkt seine furchteinflößende Wirkung. Als Kurzfilm wäre „Smiley" dann auch exzellent gewesen, doch nach dem furiosen Auftakt beginnt Gallagher, eine Geschichte zu erzählen und folgt im Kern der gängigen (und oft gewissenhaft abgepauste) Dramaturgie eines 90er-Jahre-Teenie-Slashers. Sehr langsam kommen Ashley und Proxy dem Geheimnis des Killers auf die Spur, wobei sie sich etwas doof anstellen und nebenbei natürlich ihre Reibereien mit den „Erwachsenen" austragen müssen, die scheinbar alles besser wissen, jedoch weder helfen können, noch wissen, was hier überhaupt gespielt wird.
Das Rätselraten zieht sich hin und wieder in die Länge, eine etwas höhere Dichte an Auftritten des Killers, der zwar stets auf die gleiche Weise aufkreuzt, aber dennoch immer wieder erschrickt, hätte dem Film gut getan. Doch am Ende reißt Gallagher mit seinem düsteren und zutiefst amoralischen Finale einiges wieder heraus und schafft es im eigentlich recht verklemmt-konservativen Genre des Teenie-Horrors eigene Akzente zu setzen. Da stört dann selbst der unnötige und doch unvermeidbare „Rausschmeißer-Schock" nicht weiter. Was bleibt ist ein etwas dünn geratener, aber dennoch akzeptabler Horror-Schocker mit viel ungenutztem thematischen Potential und einzelnen beeindruckenden Höhepunkten.
Fazit: Michael J. Gallagher nutzt sein interessantes Thema hauptsächlich für die üblichen 08/15-Schocks: Ein gutes Finish und ein solider Aufbau retten seinen Horror-Thriller „Smiley" dennoch auf die Habenseite.