In Großbritannien oder Spanien, in den Niederlanden oder den USA, würde eine Geschichte wie „Die Männer von Emden" als Blockbuster verfilmt werden, als großes Kinospektakel, als „Event-Movie". In Deutschland dagegen ist der Begriff „Event-Movie" seit langem mit dem Fernsehen verbunden, „Die Männer der Emden", Berengar Pfahls historisches Drama vom langen Heimweg der Besatzung eines legendären Schiffs der kaiserlichen Marine während des Ersten Weltkriegs, ist nun einer jener Zwitter, die sowohl in einer Kinoversion, als auch in einer längeren TV-Fassung präsentiert werden. Ganz abgesehen davon, dass man hierzulande mit Geschichten von Mut, Tapferkeit und Aufrichtigkeit deutscher Soldaten aus gutem Grunde gewisse Probleme hat, liefert Pfahl zumindest mit der Kinofassung einen äußerst unentschlossenen Film ab und wählt stets den stilistischen wie erzählerischen Mittelweg.
1914, im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs: Von der deutschen Enklave Qingdao in China aus macht der Kreuzer SMS Emden den Indischen Ozean unsicher. Dabei verdient sich die äußerst erfolgreiche Besatzung sogar den Respekt des Feindes: „Gentlemen of War" nennt man sie. Doch dann wird die Emden von einem australischen Zerstörer versenkt. Übrig bleiben 50 Mann unter der Leitung von Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke (Sebastian Blomberg), die gerade auf Landgang waren – und sich nun von einem winzigen Atoll nach Hause durchschlagen müssen, 13.000 Kilometer in zerbrechlichen Schonern, unter falscher Flagge und schließlich durch die unberechenbare Wüste.
Berengar Pfahl wusste um die ideologischen Fallstricke seines Projekts und hat sich nach Kräften bemüht, diese zu überspringen: Vom Größenwahn des Kaiserreichs ist da im Vorspann die Rede, und am Ende informieren Einblendungen über die weiteren Lebenswege der Geretteten: Einer engagierte sich Mitte der Fünfziger vehement gegen die Wiederbewaffnung der Bundeswehr, ein anderer hingegen war begeisterter Nazi. Pfahls Umgang mit dem Quellenmaterial – so man sich auf seine eigenen Aussagen verlassen kann – ist sorgfältig, zudem vermeidet er es konsequent, Bilder der weiten Wüste oder des bunten Regenwaldes allein für den Reiz des Exotischen auszuschlachten. Solches Pathos ist ihm fremd und das tut dem Film durchaus gut. Der Durst, der Hunger, die Verzweiflung auf dem kleinen Boot, mit dem sich die Überlebenden zunächst nach Sumatra durchschlagen wollen, werden spürbar. Im liebevoll rekonstruierten Holzgebälk des Schoners gelingt Pfahl eine klaustrophobische Intensität, die keiner hektischen Schnittfolgen und keiner Musikuntermalung bedarf.
In den kammerspielartigen Szenen von Enge und Not wirkt „Die Männer der Emden" wie ein bestens durchdachter Film. Meistens aber ächzt und knarzt es an allen Ecken und Enden im Gebälk der Handlung. Da werden Nebenfiguren wie Sibel Kekillis („Gegen die Wand", „Die Fremde") türkische Wissenschaftlerin Salima Bey überhastet eingeführt und ebenso lieblos wieder fallengelassen, eine Belagerung in der Wüste, wo die Männer von Beduinen angegriffen werden, plätschert ebenso vor sich hin wie der gesamte Plot an sich. Möglicherweise hat sich Berengar Pfahl angesichts der heiklen deutschen Militärgeschichte bewusst dagegen entschieden, aus dem Stoff einen Thriller zu formen. Die Folge ist aber, dass es zumindest in dieser knapp 150 Minuten langen Kinoversion an einem übergreifenden Spannungsbogen fehlt.
Es ist in dieser Kurzfassung unübersehbar, dass „Die Männer der Emden" eigentlich als Fernsehzweiteiler angelegt ist. Hier wirkt alles episodenhaft, mancher Konflikt und manche Figur sind nicht sehr sorgfältig geschildert. Es lässt sich nur spekulieren, ob diese Mängel in 30 zusätzlichen Minuten zu beheben sind, aber hier fehlt jedenfalls Dauer und Tiefe. Aus inhaltlicher Sicht ist diese Kinoversion somit geradezu unsinnig – sie wirkt unvollständig und übervorsichtig. Man kann mit einem solchen Thema grandios scheitern, man kann unglaublich viel falsch machen, und manchmal scheint es, als habe diese Befürchtung die Filmemacher geradezu gelähmt.
Fazit: Berengar Pfahl hat „Die Männer der Emden" mit großer Vorsicht gedreht und sich um historische Korrektheit und Ausgewogenheit bemüht. Nur das Erzählen scheint er darüber manchmal vergessen zu haben.