„Männerfilme" gibt es viele, besonders Kriegsdramen und Actionfilme kommen oft ganz ohne substantielle Frauenrollen aus. Der umgekehrte Fall, ein Film (fast) ohne Männer, ist dagegen ausgesprochen selten. Die bekanntesten Beispiele für solche reinen „Frauenfilme" sind fraglos George Cukors „Die Frauen" und François Ozons „8 Frauen ". Nun wagt sich mit Zoltan Paul ein junger deutscher Regisseur an eines dieser raren Werke, die ironischerweise meist von Männern inszeniert werden: „Frauensee" ist ein packendes Beziehungsdrama über Vertrauen und Versuchung mit vier hervorragend harmonierenden Darstellerinnen.
Die burschikose Rosa (Nele Rosetz) ist Fischwirtin und für die Verwaltung der Fischbestände dreier Seen im Berliner Hinterland zuständig. Ihre Liebesbeziehung zur erfolgreichen Architektin Kirsten (Therese Hämer), die einen luxuriösen Bungalow an einem der Seen besitzt, wird von den einheimischen Anglern argwöhnisch beäugt. Eines Abends trifft Rosa die beiden Studentinnen Evi (Lea Draeger) und Olivia (Constanze Waechter), die auf einer unter Naturschutz stehenden Insel ihr Lager aufgeschlagen haben. Erst weist sie die beiden jungen Frauen zurecht, setzt sich dann aber doch zu ihnen. Dabei fühlt sie sich zu der intensiv mit ihr flirtenden Evi hingezogen. Schließlich laden Kirsten und Rosa das Studentinnenpärchen für ein Wochenende in den Bungalow ein: unterschiedliche Zukunftsträume und bisher unausgesprochene Probleme und Sehnsüchte stellen dabei beide Beziehungen auf die Probe...
Auf den ersten Blick mutet die Figurenkonstellation von „Frauensee" arg klischeehaft an: Während Rosa den schweigsamen, „maskulinen" Part in der lesbischen Beziehung verkörpert, wird Kirsten als schöngeistig und gesprächig geschildert und legt auf einen femininen Kleidungsstil wert. Dazu kommt das wenig originelle Bild einer ewig am Telefon hängenden, beruflich eingespannten Partnerin, die die Beziehung vernachlässigt. Doch Nele Rosetz und Therese Hämer („Ein fliehendes Pferd") schaffen es, dem Verhältnis der beiden Frauen zueinander jenseits solcher Elemente aus dem Drehbuch-Baukasten Wahrhaftigkeit zu verleihen. Und auch die Alltäglichkeit, mit der Regisseur Paul die homosexuelle Beziehung zeichnet, überzeugt.
Erst mit dem Auftauchen des zweiten, deutlich jüngeren Frauenpaares kommt das Konfliktpotenzial zwischen Rosa und Kirsten zur Entfaltung. Die Beziehungen werden allmählich aufgeweicht, unterschwellige Probleme kommen im feinnervigen Zusammenspiel des Darstellerinnen-Quartetts schleichend an die Oberfläche. Hier prallen ganz unterschiedliche Lebenseinstellungen aufeinander, die auch ganz grundsätzlich in Frage gestellt werden. Es entsteht knisternde Spannung zwischen den vier Frauen, die durch Flirts und Spielereien noch befeuert wird. Sie entlädt sich aber nicht etwa in übertriebener Erotik oder theatralischen Gefühlsausbrüchen. Vielmehr geht es Zoltan Paul („Unter Strom", „Gone") in seinem unaufgeregten Drama mehr um die Hypothese eines Seitensprungs als um seine Realisierung, um die Frage nach Vertrauen und Misstrauen in der Partnerschaft und die Möglichkeit, Freiheiten auszuhandeln.
Fazit: Nach einer etwas holprigen Einführung entwickelt sich dank des glänzend abgestimmten Ensembles ein ansprechendes Beziehungsdrama über Vertrauen und Offenheit, ein weibliches Liebesquartett in sommerlichem Ambiente.