Mit seinen preisgekrönten Dokumentationen „Lost Children“ und „The Green Wave“, sowie der im Jahr 2009 mit dem Preis der deutschen Filmkritik für das Beste Spielfilmdebüt ausgezeichneten märchenhaften Komödie „Salami Aleikum“ hat Ali Samadi Ahadi sich erfolgreich mit kritischen Themen auseinandergesetzt. In seiner Komödie „45 Minuten bis Ramallah“ nimmt sich der Regisseur nun auf unverkrampfte Weise dem Nahostkonflikt und den Vorurteilen zwischen Palästinensern und Israelis an. Dabei braucht er allerdings viel zu lange, um den anvisierten schwarzhumorigen Grundton zu treffen und aus dem belanglosen Klamauk einen satirisch-frechen Spaß zu entwickeln.
Rafik (Karim Saleh) ist Palästinenser mit israelischem Pass und lebt in Hamburg, wo er sich als Kellner durchschlägt - sehr zur Enttäuschung seines herrschsüchtigen Vaters. Nur widerwillig folgt er der Einladung zur Hochzeit seines jüngeren Bruders Jamal (Navíd Akhavan) und reist in seine Heimat. Als der Vater während der Feierlichkeiten in Ostjerusalem eine tödliche Herzattacke erleidet, ist es an den zerstrittenen Brüdern dessen letzten Wunsch zu erfüllen, im rund 45 Minuten entfernten Ramallah auf palästinensischem Territorium beigesetzt zu werden. Mit der Leiche ihres Vaters die Grenze zwischen Israel und Palästina zu überqueren erweist sich jedoch als großes Wagnis. Zunehmend entwickelt sich die geplante kurze Autofahrt zur Odyssee, bei der die Brüder es nicht nur mit israelischen Sicherheitsbeamten, sondern auch mit der russischen Mafia und palästinensischen Terroristen zu tun bekommen…
Ursprünglich sollte der serbische Regisseur Emir Kusturica („Schwarze Katze, weißer Kater“) das Drehbuch des gebürtigen Israelis Gabriel Bornstein („Dezemberküsse“) verfilmen, sprang aber nach langen unbefriedigenden Verhandlungen ab. In der Folge übernahm Ali Samadi Ahadi, der wie bei „Salami Aleikum“ auch hier viel Gespür für überdrehte Figuren beweist. Dennoch gelingt es ihm nicht, der Satire über die Absurditäten des Palästinakonfliktes die gleiche Verspieltheit wie seinem Spielfilmdebüt zu verleihen. Auch wenn die Geschichte der zwei ungleichen Brüder, die den Leichnam ihres Vaters über die Grenze schmuggeln müssen, mit all ihren abstrusen Komplikationen ähnlich überdreht ausfällt, fehlt es „45 Minuten bis Ramallah“ letztlich an dem Esprit und den kuriosen visuellen Ideen, die das Debüt Ahadis noch auszeichneten.
Nach dem temporeichen Einstieg mit der Vorstellung der Familie und der unglücklich verlaufenden Hochzeit, ist die Reise des von einem Unglück ins nächste irrenden ungleichen Bruderpaars lange Zeit eher gewollt komisch, zumal auch Running Gags um eine Klimaanlage und eine zu Ohrfeigen neigende Mutter eher mau sind. Mehr als grobe Skizzen bleiben die ungleichen Brüder nicht, so dass auch Navid Akhavan („Ein Augenblick Freiheit“, „Salami Aleikum“) sein komödiantisches Talent nur selten ausspielen kann. An seiner Seite hinterlässt Karim Saleh („The Attack“) als notorischer Lügner Rafik einen besonders blassen Eindruck. Erst im finalen Drittel bringt der nicht ganz freiwillige Abstecher zu einer Gruppe arabischer Freiheitskämpfer dann doch noch echtes humoristisches Feuer in den Film. Besonders Munir (Badasar Colbiyik), der überdrehte Anführer der Gruppe, entwickelt sich dabei zum komödiantischen Highlight und lässt die lange Zeit etwas fade Odyssee der beiden Brüder auf der letzten Etappe doch noch zu einem schwarzhumorigen Spaß werden.
Fazit: Nicht nur die beiden Protagonisten des komödiantischen Roadmovies „45 Minuten bis Ramallah“ schlagen zeitraubende Umwege ein: Auch Regisseur Ali Samadi Ahadi benötigt viel zu lange, um den Klamauk hinter sich zu lassen, um im letzten Drittel doch noch eine treffende Satire über den Nahostkonflikt abzuliefern.