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    The Purge - Die Säuberung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Purge - Die Säuberung
    Von Christoph Petersen

    James DeMonaco hat Eier – nicht nur präsentiert der Independent-Filmer in seinem zweiten Spielfilm „The Purge – Die Säuberung“ eine äußerst provokante Prämisse (einmal im Jahr sind für zwölf Stunden alle Verbrechen erlaubt), er lässt sich auch von dem sehr beschränkten Budget seines Horror-Schockers nicht davon abhalten, eine umfassende Zukunftsvision (normalerweise eine teure Angelegenheit) zu zeichnen. Dabei behilft er sich mit einem simplen Kniff: Obwohl DeMonaco das abgrundtief pessimistische Porträt einer ganzen maroden Gesellschaft zeichnet, spielt die Handlung seines Films mit Ausnahme der ersten Szene (ein Telefonat im Auto) nur in einer einzigen Villa und in deren Vorgarten – die Infos aus dem Rest Amerikas erhält das Publikum nur durch TV und Radio. Die Grundidee plus der Kammerspiel-Ansatz versprechen kompromissloses, dreckiges, unkonventionelles Genrekino – doch statt seine Prämisse radikal zu Ende zu denken, spult DeMonaco nach einem gelungenen Auftakt nur noch einen klischeebeladenen, von allerlei handwerklichen Schwächen ausgebremsten Home-Invasion-Thriller ab. Also bleibt’s doch dabei, mutig hin oder her: Eine gute Idee allein macht noch lange keinen guten Film!

    Die USA im Jahre 2022: Die neuen Gründungsväter haben die Nation gerade noch vor dem Abgrund bewahrt - denn als das Land an einer Welle der Gewalt zu zerbrechen drohte, entwickelten sie die Idee der Säuberung! Seitdem ist es den Bürgern einmal im Jahr erlaubt, für zwölf Stunden alle ihre angestauten Aggressionen rauszulassen und so ihre Seele zu säubern – und zwar indem sie lustig drauflos morden: So herrscht dann zumindest für den Rest des Jahres Ruhe im Karton! Natürlich gibt es auch Kritik an dem Konzept – einige Protestler werfen der Regierung vor, es ginge eigentlich nur darum, sich der Armen zu entledigen, die sich im Gegensatz zu den Reichen keine aufwändigen Sicherheitssysteme leisten können. Aber im Großen und Ganzen wird die Säuberung von der Gesellschaft als hohes Gut geschätzt. Auch der Sicherheitsexperte James Sandin (Ethan Hawke) kann sich nicht beschweren: Er verdient sehr gut an seinen Hightech-Alarm- und Verteidigungs-Systemen. Seine Frau Mary (Lena Headey), die Kinder und er wollen allerdings selbst nicht an der Säuberung teilnehmen, stattdessen verbarrikadieren sie sich in ihrer mit Stahlplatten gesicherten Villa – doch dann steht plötzlich eine Gruppe mordgeiler Yuppie-Teenager vor der Tür und verlangt die Herausgabe eines im Haus untergeschlüpften Obdachlosen. Ansonsten müsse die ganze Familie dran glauben…

    Der auch für das Drehbuch selbst verantwortlich zeichnende DeMonaco („Staten Island New York“) unterfüttert sein Konzept der Säuberung nach und nach mit Details - so dürfen etwa keine Staatsangestellten ab einer bestimmten Stufe getötet und auch nur Waffen bis zu einem gewissen Zerstörungsgrad verwendet werden. Noch viel erschreckender als die Idee der Säuberung selbst ist allerdings ihre Stellung in der Gesellschaft: Es werden Purge-Partys gefeiert, die Medien berichten begeistert wie von einem Sportereignis und viele – darunter auch der an die Bad Guys aus „Funny Games“ und „Uhrwerk: Orange“ erinnernde pervers-höfliche Yuppie-Anführer (Rhys Wakefield) - begehen die Säuberung mit einem geradezu religiösen Eifer! Bei so viel Mut zum Düstersten ist es leichter zu verschmerzen, dass DeMonaco seine Prämisse an anderer Stelle nicht zu Ende gedacht zu haben scheint: Wenn alle Verbrechen erlaubt sind, warum morden dann alle nur, warum ziehen die Armen nicht brandschatzend durch die Gegend?

    Aber während die Löcher in der Prämisse letztlich wenig entscheidend sind, macht die mangelnde Logik in den Home-Invasion-Sequenzen eine Menge kaputt – schließlich ist „The Purge – Die Säuberung“ zu 90 Prozent ein knüppelharter Horror-Thriller und nur als Dreingabe auch eine bissige Zukunfts-Satire! Das fängt schon mit dem Haus an: Okay, die Sandins wohnen in einer stattlichen Villa, aber nach dem Eindringen der Killer-Yuppies befinden sich mehr als zehn Personen im Haus und trotzdem schlurft Mama Sandin minutenlang mit einer Taschenlampe durch die Flure, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen. Wo es bei „Fast & Furious 6“ noch ganz amüsant war, dass die Landebahn im Finale umgerechnet fast 45 Kilometer lang gewesen sein muss, kosten die sich häufenden Ungereimtheiten „The Purge“ irgendwann jegliche Spannung. Und wenn dann auch noch zum fünften Mal, just als einer der Eindringlinge mit seiner Machete ausholt, gerade noch jemand von hinten auftaucht und abdrückt, von dem wir uns schon seit 20 Minuten fragen, wo er eigentlich abgeblieben ist, überschreitet die achtlose Beliebigkeit endgültig die Grenze zum regelrecht Ärgerlichen: Bye, bye intensive Kammerspiel-Atmosphäre, hallo 08/15-Schockeffekte!

    Fazit: James DeMonaco will mit einer provokanten Prämisse schocken – enttäuscht aber mit einem lauen Home-Invasion-Thriller.

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