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    Stationspiraten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Stationspiraten
    Von Sophie Charlotte Rieger

    Fast jeder hat in seinem Bekannten- und Familienkreis schon Erfahrungen mit dem Krebs gemacht, einer Krankheit, die längst nicht nur alte Menschen befällt, sondern auch viele Kinder und Jugendliche. Ein tragisches Thema, das Michael Schaerer in „Stationspiraten" dennoch nicht zu einem düsteren Drama formt, sondern zu lebensbejahendem Gefühlskino. Auf der Basis des spanischen Films „Planta 4" und des Theaterstücks „Los Pelones" von Albert Espinosa erzählt Schaerer in seinem Langfilm-Regiedebüt die Geschichte von einigen jungen Krebspatienten und ihren verschiedenen Strategien, die Situation zu bewältigen. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die hier keineswegs nicht unter den Tisch fallen, werden Mut und Optimismus gegenüberstellt und so behält „Stationspiraten" trotz des schweren Themas eine gewisse Leichtigkeit.

    Kevin (Scherwin Amini), Benji (Vincent Furrer), Michi (Max Hubacher) und der kleine Jonas (Elia Robert) teilen dasselbe Schicksal: Sie haben Krebs. Während Kevin nach der Amputation seines Unterschenkels alle Hoffnung aufgegeben hat, glaubt Michi, den dasselbe Schicksal ereilt hat, mit fast naivem Optimismus an die Fortsetzung seiner Fußballkarriere. Benji wiederum scheint die positivste Herangehensweise an seine Krankheit zu haben, doch nach und nach offenbart sich in seinen Scherzen eine tiefsitzende Angst vor dem Tod. Und ob Jonas noch zu klein ist, um seine Lage wirklich zu verstehen, oder doch der Stärkste von allen, bleibt bis zum Ende ungeklärt. Trotz der schweren Erkrankung gelingt es ihm jedenfalls oft, seinen Mitmenschen und sogar seinen Eltern Trost zuzusprechen. Doch nicht für alle der jungen Patienten gibt es eine Zukunft...

    Trotz des düsteren Themas und der Allgegenwart von Krankheit und Tod ist die Welt in „Stationspiraten" hell und freundlich. Da sich die gesamte Handlung in den Fluren und Zimmern des Krankenhauses abspielt, dominiert die Farbe Weiß das Set-Design. Doch handelt es sich dabei nicht nur um ein kaltes, steriles, sprichwörtlich „klinisches" Weiß, vielmehr vermitteln die Filmemacher über Helligkeit und Licht ein Gefühl von Hoffnung und Wärme. Diese gestalterische Entscheidung ergänzt das erzählerische Konzept des Films perfekt: Die Protagonisten befinden sich zwar in einer Krebsstation, doch dieser mit negativen Gefühlen vorbelastete Ort ist zugleich auch ihr zu Hause, wo sie Unfug treiben, sich streiten und die erste große Liebe erleben.

    Gerade angesichts der schwierigen Thematik sind die Leistungen der jungen Darsteller außergewöhnlich. Vielleicht ist es gerade ihre Unverbrauchtheit, die ihnen besondere Glaubwürdigkeit verleiht, denn neben den Nachwuchstalenten – vor allem der noch ganz junge Elia Robert ist hier zu nennen – wirken bekannte Gesichter wie Antoine Monot Jr. („Absolute Giganten"), der den Hausmeister Robbie spielt, seltsam deplatziert. Gerade die vier Hauptdarsteller profitieren aber auch von dem sorgfältigen und einfühlsamen Drehbuch von Jürgen Ladenburger („Tell"), der bereits 2009 an einer Lungenentzündung gestorben ist. Viele kleine, ganz individuelle Geschichten hat er zu einem berührenden Ganzen geformt. Dass der Film am Ende seine Dynamik etwas verliert, liegt weniger am Drehbuch als an Michael Schaerers Inszenierung. Besonders durch den zunehmenden Einsatz von sentimentaler Musik kommt es zu einer künstlich wirkenden Dramatik, die nicht zu der über weite Strecken so zurückhaltend-authentischen Erzählung Konzept passt.

    Fazit: „Stationspiraten" ist das berührende Porträt junger Krebspatienten und ihres Alltags im Krankenhaus. Insbesondere die Nachwuchsschauspieler machen diese berührende Geschichte von Leben und Tod trotz kleiner dramaturgischer Schwächen zu großem Gefühlskino.

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