Wenn ein heißgeliebter Buch-Bestseller über längere Zeit nicht den Weg auf die große Kinoleinwand findet, dann ist oft die Rede von einem „unverfilmbaren“ Stoff. Dieser Befund gilt auch für Mark Helprins Fantasy-Roman „Winter’s Tale“ - jedenfalls nach Ansicht von Martin Scorsese („The Wolf Of Wall Street“). Der Meisterregisseur kaufte einst die Filmrechte an dem 1983 erschienenen Buch, nur um sie wenig später mit obiger Begründung wieder abzugeben. Nun würde man den Schöpfer von „Taxi Driver“ und „Goodfellas“ trotz seines Ausflugs in familienfreundliche Fantasy-Gefilde mit „Hugo Cabret“ sowieso nicht unbedingt mit einer von fliegenden Pferden bevölkerten Liebesgeschichte in Verbindung bringen - ein selbsternannter „unsterblicher Romantiker“ wäre da schon eine deutlich näherliegende Wahl. Einen solchen hat man mit Akiva Goldsman („A Beautiful Mind“, „The Da Vinci Code - Sakrileg“) nun auch gefunden: Der renommierte Drehbuchautor geht bei seinem Regiedebüt in die Vollen und wagt sich mit dem Schimmel Horse in die Lüfte! Sein Fantasy-Märchen „Winter’s Tale“ ist ein üppig ausgestattetes und hemmungslos kitschiges Spektakel für hartgesottene Kino-Romantiker - allerdings mit deutlichen erzählerischen Defiziten und unterforderten Top-Stars.
1895 wird ein aus Irland stammendes Emigrantenpaar (Matt Bomer, Lucy Griffiths) von den Einwanderungsbehörden abgewiesen und auf den Weg zurück nach Europa geschickt. In seiner Verzweiflung setzt es sein neugeborenes Kind in einer Nussschale in den Gewässern vor der Stadt aus. Im Jahre 1916 ist aus dem Säugling ein junger Mann namens Peter Lake (Colin Farrell) geworden, der sich als versierter Einbrecher durchs Leben schlägt. Doch Peter hat genug von den rüden Methoden seines Bosses und Auftraggebers Pearly Soames (Russell Crowe) und will das Gaunerdasein aufgeben. Doch Soames gibt ihn nicht frei und so flieht Peter. Zur Seite steht ihm ein weißes Pferd mit Wunderkräften, das ihn zu einem letzten Raubzug treibt. Bei seinem Einbruch in das vermeintlich verlassene Haus des Zeitungsmoguls Isaac Penn (William Hurt) trifft Peter auf die todkranke Beverly Penn (Jessica Brown Findley) – sie verlieben sich unsterblich ineinander. Das wiederum macht sich Pearly zunutze: Er bedroht Beverlys Leben, um Peter ein Wunder abzupressen...
Mark Helprins Roman „Wintermärchen“ hat seit seinem ersten Erscheinen eine beachtliche Fangemeinde gewonnen. Zu den bekennenden Anhängern des Buches zählt auch Akiva Goldsman, für den „Winter’s Tale“ ein absolutes Herzensprojekt darstellt. So nahm der Oscar-Preisträger (für das Drehbuch zu „A Beautiful Mind“) auch die satte Kürzung des Budgets von ursprünglich 75 auf nur noch 46 Millionen Dollar in Kauf, immerhin standen ihm mit Colin Farrell („Total Recall“), Russell Crowe („L.A. Confidential“) und Jennifer Connelly („Blood Diamond“) trotzdem drei Hochkaräter für die Hauptrollen zur Verfügung. Doch damit beginnen auch die Probleme: Colin Farrell hat zwar durchaus auch schon überzeugend mehr oder weniger romantische Rollen gespielt (etwa in „Ondine – Das Mädchen aus dem Meer“ und „Ein Zuhause am Ende der Welt“), aber hier geht die Mischung aus irischem Arbeiterakzent, seltsamer schwarzgefärbter 80er-Jahre-Popper-Mähne sowie dem misstrauisch-scheuen Blick, den wir aus „7 Psychos“ oder „Brügge… sehen und sterben?“ kennen, nicht recht auf. Die Glaubwürdigkeit der alles verzehrenden Liebe zwischen Peter und der von „Downton Abbey“-Star Jessica Brown Findley gespielten Beverly leidet zudem darunter, dass Farrell (Jahrgang 1976) viel zu alt ist, um einen 21-Jährigen darzustellen.
Findley überzeugt als modernes sterbenskrankes Dornröschen indes sehr wohl. Die schöne Engländerin strahlt Unschuld und Grazie aus – und weckt damit Beschützerinstinkte. Auch Jennifer Connelly, die erst in der zweiten Hälfte des Films, die im New York des Jahres 2014 angesiedelt ist, ins Spiel kommt, gefällt in ihrer Rolle als besorgte Mutter der ebenfalls todkranken, jungen Abby (Ripley Sobo), allerdings lässt ihr die unterentwickelte Figur keine Gelegenheit, Glanzpunkte zu setzen. Ganz auf verlorenem Posten steht Russell Crowe, dem als eindimensional-dämonischer Bösewicht kaum etwas anderes bleibt als die hemmungslose Übertreibung, die selbst in der klar geordneten Schwarz-Weiß-Welt des mythischen New York in „Winter’s Tale“ aufgesetzt wirkt. Da hilft dann auch ein überraschender Gastauftritt eines afro-amerikanischen Superstars nicht viel weiter, der als Luzifer zwei Szenen mit Crowe hat. Der zweite Cameo des Films hat dagegen wesentlich mehr Charme, weil es einfach eine Freude ist, die Legende Eva Marie Saint („Die Faust im Nacken“, „Der unsichtbare Dritte“) als greise, aber elegante Verlegerin im New York der Gegenwart wiederzusehen.
„Winter’s Tale“ ist eine klassische Fantasy-Geschichte, der ewige Kampf zwischen Gut und Böse wird in einer Welt hinter der Welt ausgefochten. Die Rollen sind glasklar verteilt, aber die Erzählstruktur mit ihren zwei unterschiedlichen Zeitebenen erweist sich als nicht unproblematisch. Der interessantere Großteil der Handlung ist im Jahr 1916 angesiedelt, ihm folgt die emotional kühlere und ereignisärmere Fortsetzung in der Gegenwart von 2014, die genau da ansetzt, wo der Faden 100 Jahre zuvor fallengelassen wurde. Dabei bereitet weniger die Lücke von einem ganzen Jahrhundert Schwierigkeiten (solche Leerstellen gibt es einige, aber in einem Fantasy-Universum mit Engeln, Teufeln, Dämonen und Unsterblichkeit zählt nur die innere Logik – und die stimmt) als der abrupte Wechsel im Erzählton. Wenn Goldsman dagegen von bösen Melonen-Männern erzählt oder von den magischen Kräften im gebrochenen Licht von Kristallen, dann trifft er mit betont künstlichen Mitteln die richtige märchenhafte Stimmung. Die hübschesten Fantasy-Effekte können jedoch nichts mehr ausrichten, als sich ein mürrisch wirkender Colin Farrell auf einem fliegenden Pferd mit Engelsflügeln an den Rand der unfreiwilligen Komik havariert.
Fazit: Akiva Goldsmans Regiedebüt „Winter’s Tale“ ist ein Film für hemmungslose Romantiker, die in einer bizarr-phantastischen Welt von Gut und Böse mit den Protagonisten dem Glück der ewigen Liebe nachjagen wollen. Dabei lebt die Fantasy-Romanze allerdings mehr von den Schauwerten als von den Emotionen, auch weil einige Schlüsselrollen nicht allzu stimmig besetzt sind.