„Du musst jetzt stark sein" – besonders im Kino ist das eine beliebte Phrase, die immer dann eingesetzt wird, wenn das Leben durch einen Schicksalsschlag ins Wanken gerät. Doch was ist mit dieser Floskel gemeint? Einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen oder einen Neustart wagen? Trauer stillschweigend ertragen oder die Emotionen rauslassen? André Erkau spürt diesen verschiedenen Definitionen von Stärke in „Das Leben ist nichts für Feiglinge", seiner Verfilmung des gleichnamigen Romans von Gernot Gricksch, nach und schildert die emotionale Reise dreier Familienmitglieder, die auf ganz unterschiedliche Weise mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen. Der gelungene Versuch ernsthafte Belange mit farbenfrohen Figuren und teils satirischem Witz zu verbinden, hebt Erkaus bittersüße Tragikomödie in die Nähe amerikanischer Independent-Produktionen wie „Little Miss Sunshine", „Juno" oder „Garden State".
Der überraschende Tod seiner Frau wirft Markus Färber (Wotan Wilke Möhring) völlig aus der Bahn. Während er versucht, wieder Ordnung in das Leben seiner Familie zu bringen, zieht sich seine 15-jährige Tochter Kim (Helen Woigk) immer mehr in ihre eigene Welt zurück. Großmutter Gerlinde (Christine Schorn) hat derweil noch ein ganz anderes Problem und wird mit der Diagnose Darmkrebs konfrontiert. Um ihrer Familie einen weiteren Schicksalsschlag zu ersparen, behauptet sie eine Reise anzutreten und begibt sich während der Chemotherapie in die Obhut der Schauspielerin und Altenpflegerin Paula (Rosalie Thomass), die ihr auf skurrile Weise neuen Lebensmut einhaucht. Kim verliebt sich in der Zwischenzeit in den Schulabbrecher Alex (Frederick Lau). Überzeugt, den einzigen Menschen gefunden zu haben, der sie versteht, brennt sie mit ihm nach Dänemark durch.
Tod, Trauer, Krebs, Entfremdung – in „Das Leben ist nichts für Feiglinge" wird wahrlich nicht mit existenziellen Krisen gespart. Für einen Filmemacher, der auch witzige Unterhaltung bieten will, ist das dünnes Eis. Doch André Erkau („Arschkalt", „Selbstgespräche") spielt souverän mit der ganzen Bandbreite der Emotionen, seine Gratwanderung gelingt vor allem deshalb, weil er seine Figuren und ihren Schmerz jederzeit ernstnimmt. Und dazu gehört auch, zu wissen, dass Menschen gerade in einer schweren Krise Witze reißen, in peinliche Situationen geraten oder sich in irrationale Übersprungshandlungen verrennen können. Mit solchen Momenten und kleinen schwarzhumorigen Spitzen bewahren Erkau und Autor Gernot Gricksch („Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe"), der seinen Roman selbst adaptierte, ihre Geschichte davor, zum sentimentalen Trauerkloß zu verkommen. Markiger Dialogwitz und vereinzelte Slapstick-Einlagen wie etwa eine kleine Hasch-Keks-Episode werden glaubhaft zwischen die ernsteren Momente des Films gefügt und sorgen für Auflockerung.
Das robuste Rückgrat von „Das Leben ist nichts für Feiglinge" sind die nuancierten Leistungen der Darsteller, die vielschichtige Figuren zeichnen. So Wotan Wilke Möhring („Männerherzen", „Das letzte Schweigen"): Sein Markus ist zwanghaft um eine Rückkehr zum Alltag bemüht, steht aber trotz aller Durchhalteparolen stets am Rande des Kontrollverlusts. An seinem Beispiel wird gezeigt wie verunsichert die Gesellschaft mit Trauernden umgeht, etwa während einer Szene im Reisebüro, wo sich der lang gebuchte Urlaub trotz des Todesfalls nicht stornieren lässt. Christine Schorns („Halt auf freier Strecke") Gerlinde hingegen versteckt ihre Resignation in kernigem Zynismus und reibt sich damit an Rosalie Thomass‘ („Eine ganz heiße Nummer") überschwänglicher Lebensfreude. Die Szenen zwischen den beiden Frauen gehören zu den schönsten des Films, sie sind witzig und zugleich von aufrichtiger Wärme durchdrungen.
Aus einem insgesamt starken Ensemble sticht die junge Newcomerin Helen Woigk noch einmal heraus. Gleichzeitig konfrontiert mit dem Tod ihrer Mutter und der ersten großen Liebe ist ihre scharfzüngige Kim im demonstrativen Gothic-Look eine überzeugende Personifizierung der Ängste von Teenagern und Woigk lässt die vielen widersprüchlichen Empfindungen der Pubertät intensiv spürbar werden. Dass die musikalische Untermalung dabei gelegentlich etwas penetrant gerät und die eine oder andere Szene überhastet inszeniert wirkt, das fällt aufgrund der vielen Qualitäten von Erkaus Film kaum ins Gewicht.
Fazit: Aus ernsten Themen wird unter der sicheren Hand von Regisseur André Erkau beschwingtes, optimistisches Kino mit Witz und Tiefgang.