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    Song To Song
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Song To Song
    Von Christoph Petersen

    So langsam wird es einsam. Zwar gab es im Mai 2011 bei der Cannes-Premiere von „The Tree Of Life“ auch schon vereinzelte Buh-Rufe, aber nach der Vorstellung brandete schließlich doch noch tosender Applaus auf (zudem wurde der Film mit der Goldenen Palme und drei Oscarnominierungen ausgezeichnet). Aber seitdem wird die Schar der Terrence-Malick-Versteher von Film zu Film immer kleiner – als wäre man Teil einer Demonstration, bei der an jeder Kreuzung ein Haufen Gleichgesinnter resigniert die Protestschilder niederlegt und auf Nimmerwiedersehen in einer Seitenstraße verschwindet. Am Ende der Berliner Pressevorstellung von „Song To Song“ (und aus Los Angeles gibt es ähnliche Berichte) dominierte im Saal jedenfalls eindeutig die Erleichterung, dass der zersplittert-assoziative, nicht mal mehr elliptische Bilder- und Beziehungsreigen nach etwas mehr als zwei Stunden endlich vorüber ist. Aber so richtig können wir diese kollektive Abkehr von Malick nicht nachvollziehen. Denn abgesehen davon, dass selbst der Von-den-Dinosauriern-bis-zur-50er-Jahre-Familie-Plot von „The Tree Of Life“ nach „To The Wonder“, „Knight Of Cups“ und „Song To Song“ geradezu geradlinig anmutet, bieten auch Malicks neuere Filme immer noch sinnlich-körperliche, mit Deutungsangeboten vollgestopfte Seherfahrungen, die sich mit keiner anderen vergleichen lassen.

    Terrence Malick zelebriert bekanntermaßen einen ganz eigenen Arbeitsablauf, weshalb seine Filme oft auch erst Jahre nach dem Ende der Dreharbeiten ins Kino kommen (auch „Song To Song“ wurde größtenteils schon 2012 gefilmt). Leider bietet sich diese Art zu arbeiten aber tatsächlich besonders gut an, um Malick mit aus dem Zusammenhang gerissenen Anekdoten leichtfertig als eigenbrötlerischen komischen Regie-Kauz abzutun. So liest man immer wieder amüsiert-entgeisterte Texte darüber, welche Superstars Malick jetzt schon wieder aus seinen Filmen herausgeschnitten hat - im Fall von „Song To Song“ hat es nun unter anderem Christian Bale, Haley Bennett und Benicio Del Toro getroffen, die zwar alle Szenen gedreht haben, aber im fertigen Film trotzdem nicht vorkommen. Aber so ist das eben, wenn wie bei „Song To Song“ die Kameras an 40 Drehtagen von frühmorgens bis spätabends mit nur einer halben Stunde Mittagspause mitlaufen und selbst bei Fahrten von einem Set zum nächsten konsequent weitergefilmt wird. Denn wenn man mehrere Hundert Stunden Material auf Spielfilmlänge eindampft, dann müssen eben auch mal die Auftritte von Superstars dran glauben – und sowieso trifft die alte Hollywood-Binsenweisheit „ein Film wird erst im Schneideraum gefunden“ nirgendwo so sehr zu wie bei Malicks Werken (selbst die erste Schnittfassung von „Song To Song“ war immer noch mehr als acht Stunden lang).

    Natürlich sucht Malick in den Bergen an gefilmtem Material (früher waren es tatsächlich Berge, inzwischen sind es zig Festplatten) nicht nach einem Plot im klassischen Sinne oder gar einer stringenten Handlung (in „Song To Song“ geht es lose um zwei Liebesdreiecke vor dem Hintergrund der Musikszene in Austin, Texas), sondern nach wahrhaftigen Momenten und Augenblicken flüchtiger Schönheit. Für die Wahrhaftigkeit lässt Malick seine Schauspieler ohne Unterbrechung und vor allem ohne Drehbuch improvisieren – wobei die Angebote der Stars an ihren Regisseur qualitativ diesmal sehr unterschiedlich ausfallen: Während wir Rooney Mara („Verblendung“), die sich als zwischen Selbstzweifeln und Selbstvergessenheit schwankende Faye lebenshungrig in allerlei neue Erfahrungen stürzt, noch ewig weiter hätten zugucken können, und Michael Fassbender („Alien: Covenant“) als selbstzerstörerisch-mephistophelischer Musikproduzent (inklusive Gruppensexszene mit Natalie Portman) sichtlich Spaß an den Abgründen seiner Figur hat, kommen von Ryan Gosling („Drive“) dann doch meist nur dieselben drei Perfekter-Schwiegersohn-Gesichtsausdrücke.

    Ähnlich spannend wie die Gesichter, an denen die Kamera immer und immer wieder wie zufällig vorbeistreift, ist die Positionierung der Protagonisten zueinander: Wie sie sich ständig umkreisen, sich beiläufig berühren und wieder abstoßen – alleine über die Inszenierung der Figuren im Raum entfaltet sich ein unterschwellig-vielschichtiges Beziehungsdrama, über das sich ohne Probleme eine umfangreiche Masterarbeit verfassen ließe, aber es genügt vollkommen, das fast schon ballettartige Körperkreisen einfach nur auf sich wirken zu lassen. Zum echten Problem werden hingegen die mal wieder extrem bedeutungsschwangeren Off-Kommentare (Faye erklärt gleich in der ersten Szene, warum sie gewalttätigen Sex braucht), denn statt die Bilder zusätzlich aufzuladen bieten diese inzwischen wirklich fast nur noch küchenpsychologische Kalendersprüche.

    Für die Schönheit wiederum ist vor allem Malicks Stammkameramann Emmanuel Lubezki zuständig – wobei böse Zungen behaupten, dass der Regisseur da gar nichts für kann, denn Lubezki könne auch Farbe beim Trocknen abfilmen und selbst das wäre noch immer wunderschön (immerhin hat der Mann nach fünf vorherigen Nominierungen für „Gravity“, „Birdman“ und „The Revenant“ dreimal in Folge den Kamera-Oscar abgeräumt). Aber das ist natürlich ziemlicher Unfug. Malick bringt mit „Song To Song“ die Empfindung des Lebens als lose Abfolge einzelner Momente auf die Leinwand - und das tut er mit einer erfrischend-naiven Direktheit, die sich immer auch in den kunstvollen, aber nie affektierten Bildern Lubezkis widerspiegelt: Die Ansammlung von exquisiten Interieurs, die man so auch sofort in „Schöner Wohnen“ abdrucken könnte, sowie Momente wie der, in dem Ryan Gosling der Musikwelt (und damit dem Metropolenleben, ein zentrales Thema aus „Knight Of Cups“) den Rücken kehrt, um stattdessen als sexy verschmierter Ölarbeiter über ein Feld in den Sonnenuntergang zu stapfen, mag man für kitschig oder sogar unfreiwillig komisch halten. Aber in Wahrheit breitet Malick hier einfach nur ohne jeden berechnenden Hintergedanken seine – zugegebenermaßen teilweise arg esoterische – Weltsicht vor uns aus.

    Während wir uns am Esoterischen allgemein gar nicht so sehr stören (in „Knight Of Cups“ war das auch schon schlimmer), ist es mitunter trotzdem schade, dass  Malick den Akzent so stark auf seine nebulös-verstiegenen Gedanken und ihren wörtlichen Ausdruck legt: Denn während Val Kilmer als motorsägeschwingender Rockstar nur sehr kurz auftritt, konzentriert sich der Filmemacher lieber auf  die poetischen Reflexionen von Patti Smith, der weisen alten Dame unter den Punk-Legenden. Ein bisschen mehr zerstörerischen Spaß und ein bisschen weniger bedeutungsschwere Lyrik hätten wir zumindest an dieser Stelle schon irgendwie ganz geil gefunden.  

    Fazit: Die Filme von Terrence Malick werden von Mal zu Mal sperriger, stecken aber noch immer voll wahrhaftiger Schönheit – wer nach „To The Wonder“ und „Knight Of Cups“ noch nicht ausgestiegen ist, sollte dem Regisseur auch bei „Song To Song“ weiterhin die Treue halten.

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