Die spanischstämmige Schauspielerin Paz de la Huerta („Enter the Void“, „Boardwalk Empire“) hat sich in den Klatschblättern vor allem einen Namen damit gemacht, schon mal aus heiterem Himmel in der Öffentlichkeit blankzuziehen oder zugedröhnt über rote Teppiche zu stolpern. Aber während solche Aussetzer ihrer seriösen Hollywoodkarriere eher schaden dürften, macht diese abgefuckte und exhibitionistische Seite sie zur perfekten Besetzung für die serienmordende Psycho-Krankenschwester Abby Russell in Douglas Aarniokoskis 3D-Horror „Nurse“ - etwa vergleichbar mit dem Casting von Skandalnudel Lindsay Lohan in Paul Schraders letztjährigem Jetzt-schon-Kultfilm „The Canyons“. Allerdings wandert der Fokus des Films gerade in der zweiten Hälfte immer mehr zur von „30 Rock“-Sekretärin Katrina Bowden („American Pie 4“, „Piranha 2“) gespielten zweiten Hauptfigur und deren Szenen sind leider weitaus konventioneller und nicht besonders aufregend.
Am Tag arbeitet Abby Russell (Paz de la Huerta) als Krankenschwester, aber erst in der Nacht geht sie ihrer wahren Berufung nach: Sie reißt in Bars und Clubs verheiratete Männer auf, denen sie anschließend auf extrem blutige Weise den Garaus macht. In der jungen Kollegin Danni (Katrina Bowden), die gerade erst ihren Abschluss bestanden hat, erkennt Abby eine potentielle Novizin und zukünftige Co-Mörderin. Doch als Danni mitbekommt, dass mit Abby irgendetwas nicht stimmt, beginnt sie mit ihren eigenen Nachforschungen und droht dabei auf ein düsteres Geheimnis aus der Kindheit der mörderischen Krankenschwester zu stoßen. Natürlich kann Abby auf gar keinen Fall riskieren, dass die Wahrheit ans Licht kommt und so häufen sich im All Saints Memorial Hospital schon bald die unnatürlichen Todesfälle…
Es ist sicher kein Zufall, dass Abby ihren ersten Mord (ein kurzer Schnitt in die Aorta genau neben dem Penis) ausgerechnet über den Dächern der nächtlichen Metropole begeht, immerhin erinnert auch ihr trocken-zynischer, mit verraucht-tiefer Stimme vorgetragener Film-noir-Off-Kommentar sofort an den über der Stadt wachenden Christian Bale in Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie. Aber selbst wenn Abby wie der Dunkle Rächer Batman darüber philosophiert, „den Abschaum von der Straße wegzuhalten“, ist sie alles andere als eine herkömmliche Superheldin, sondern eine grandios-irre, lesbisch-feministische, sexy-freizügige Exploitation-Femme-fatale. Das Pin-up-Filmposter mit der auf einer Spritze reitenden Latex-Krankenschwester bringt es bereits auf den Punkt: „Nurse“ ist ein provozierendes Pulp-Kunstwerk, das mit de la Huerta eine kongeniale Hauptdarstellerin hat, denn sie kommt ganz ohne das sonst für Rollen dieser Art übliche Overacting-Gekreische aus und verkörpert ihre wahnwitzige Rolle mit vollkommener Selbstverständlichkeit (und oft ebenso vollkommen nackt).
Während sich der Zuschauer noch immer nicht entscheiden kann, ob ihn Abby nun mehr fasziniert oder verstört, drängen zunehmend der Plot und damit Danni in den Vordergrund. Allerdings hat Katrina Bowden trotz ihres gelungen-selbstironischen Auftritts in der Horror-Kult-Komödie „Tucker & Dale vs. Evil“ nicht einmal ansatzweise die Ausstrahlung von de la Huerta und auch die Geschichte um die Protagonistin, die von allen zur Paranoikerin abgestempelt wird, weil ihre Horrorgeschichte auch tatsächlich unglaublich klingt, haben wir schon zu oft gesehen. Inszenatorisch fallen die Bowden-Momente im Vergleich zu den verspielteren, an Pulp-Noirs angelehnten Nurse-Szenen ebenfalls deutlich steriler aus. Trotzdem lohnt es sich, dem Film im schwächelnden Mittelteil die Stange zu halten, denn im großen Finale lässt de la Huerta dann endgültig alle Hemmungen fallen und metzelt sich durch ein unvergessliches Krankenhausflur-Gorefest!
Fazit: „Nurse“ ist provokant, sexy und spaßig – allerdings fast immer nur dann, wenn Paz de la Huerta gerade auf der Leinwand zu sehen ist.
PS: Dass der Film in Deutschland einfach nur „Nurse“ statt wie im Original „Nurse 3D“ heißt, ist übrigens eine gute Entscheidung des deutschen Verleihs. Denn bis auf eine Szene zu Beginn (Stichwort: Gartenzaun) und auf das Publikum zufliegendes Operationsbesteck im blutgetränkten Finale gibt es praktisch nichts, was einen 3D-Zuschlag und das Brillentragen rechtfertigen würde.