Der Krieg hat viele Gesichter, etliche hat das Kino schon in Bilder gefasst. Gern wird das Schlachtgetümmel als spektakulärer Budenzauber inszeniert und dabei erliegen selbst Größen wie Francis Ford Coppola gelegentlich der Faszination des Krieges: Wenn die Hubschrauber in „Apocalypse Now" zu Wagner-Klängen über feindliche Dörfer hinwegfegen, dann kann von einem Antikriegsfilm jedenfalls kaum noch die Rede sein. Der wahre Horror des kriegerischen Geschehens offenbart sich ohnehin oft am Rande des großen Getöses der Schlachten zu Wasser, zu Lande und in der Luft, etwa wenn es um seine psychischen Auswirkungen geht und das Töten für die Menschen geradezu zum Normalzustand wird. Der norwegische Regisseur Petter Naess („Elling") legt sein Hauptaugenmerk in seinem fast intimen Kriegsdrama „Into the White" auf eine entsprechende mentale und körperliche Grenzsituation abseits des großen Ganzen, aber er schöpft das reiche Potential seiner Geschichte viel zu selten aus.
Im Winter 1940 liegt der Schleier des Krieges über Europa. In allen Himmelsrichtungen kämpft Hitler-Deutschland – auch im Norden. Dort liefern sich die englische und die deutsche Luftwaffe erbitterte Kämpfe, bei denen sich schließlich zwei Flugzeuge gegenseitig vom Himmel schießen. Nachdem sie sich durch die Eiswüste Norwegens gekämpft haben, findet sich sowohl die deutsche Besatzung mit Leutnant Horst Schopis (Florian Lukas), dem Gefreiten Josef (David Kross) und dem Feldwebel Strunk (Stig Henrik Hoff), als auch die englischen Piloten Captain Davenport (Lachlan Nieboer) und Smith (Rupert Grint) in einer kleinen Hütte im zugeschneiten Nirgendwo wieder. Man beäugt sich misstrauisch und würde sich am liebsten an die Gurgel gehen, doch zwingen die lebensbedrohliche Kälte und das unablässige Schneetreiben die Männer zum Zusammenhalt. Langsam aber sicher werden aus Todfeinden Kameraden und sogar Freunde. Doch die Realität des Krieges holt die Zweckgemeinschaft auch im ewigen Eis ein.
Die Grundkonstellation von „Into the White" mit der isolierten Begegnung von kleinen Feindesgruppen oder Einzelkämpfern außerhalb der Kriegsroutine wurde schon in so manchem Film variiert. In John Boormans „Die Hölle sind wir" etwa gerieten die Pazifikkrieger Lee Marvin und Toshiro Mifune als versprengte Platzhalter ihrer Nationen auf eine einsame Insel, wo sie ihren ganz persönlichen Krieg führten. Petter Naess führt nun ebenso Vertreter von gegeneinander kriegführenden Ländern zusammen und konfrontiert sie nicht nur miteinander, sondern auch mit einer weiteren Partei im universellen Krieg: Egal wer genau gegen wen kämpft, im Zweifelsfall behält die unbarmherzige Natur die Oberhand. Die sich scheinbar endlos ausdehnende Eishölle zwingt auch die erbittertsten Kontrahenten dazu, zusammenzurücken. Im Mikrokosmos der Hütte klagen sich die geschundenen Soldaten gegenseitig ihr Leid und dabei stoßen unterschiedlichste Lebenswelten aufeinander. Diese überaus reizvolle Prämisse wird von Naess allerdings nur bedingt ausgereizt.
Eine vielversprechende Ausgangsidee, eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen und unverkennbare gute Absichten sind nicht genug für einen runden Film. So wirkt die Schauspielerriege in dieser internationalen Co-Produktion wie ein aus aller Herren Länder zusammengewürfelter Haufen. Die einzelnen Akteure haben dabei auch angesichts der alles andere als subtilen Dialoge zu selten die Chance, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Florian Lukas („Goodbye Lenin") wirkt bisweilen sogar wie ein Fremdkörper, David Kross („Der Vorleser") bleibt eher blass und auch Rupert Grint sucht nach „Harry Potter" weiter nach dem nächsten „Stein der Weisen". Gewissenhaft werden die üblichen „Wir sind doch alle Menschen"-Plattitüden aufgesagt, aber die komplexen psychischen Regungen und gruppendynamischen Prozesse, um die es hier eigentlich gehen sollte, bleiben unterbelichtet. Kleine Momente, in denen das festgefahrene Weltbild der Krieger bröckelt und Menschlichkeit durchdringt, sind so hölzern inszeniert, dass sie weitgehend ohne emotionale Resonanz bleiben. Und auch eine dramatische Konfrontation am Ende sorgt nicht für die mögliche Spannung: So konstruiert wie „Into the White" bis dahin erzählt ist, so endet er auch und damit schafft Naess es letztlich nicht, seinem ambitionierten Thema gerecht zu werden.
Fazit: Das kleine Kriegsdrama „Into the White" ist trotz bester Absichten und Ansätze eine auffällig blasse und langatmige Angelegenheit, der weitgehend Spannung und emotionale Dringlichkeit fehlen.