Im Anschluss an die drei „Austin Powers"-Filme sowie „Meine Braut, ihr Vater und ich" samt Fortsetzung hat Regisseur Jay Roach eine erstaunliche Kehrtwende hingelegt. Denn statt Blockbuster-Komödien drehte er mit „Recount " (über den Skandal bei der Präsidentschaftswahl 2000 in Florida) und „Game Change " (über den Aufstieg Sarah Palins) für den US-Bezahlsender HBO plötzlich zwei der stärksten und meistausgezeichneten Polit-Dramen der vergangenen zehn Jahre. In der Polit-Komödie „Die Qual der Wahl" mit den Comedy-Megastars Will Ferrell („Die etwas anderen Cops") und Zach Galifianakis („The Hangover") bringt der Regisseur seine beiden Karrieren nun auf kongeniale Weise zusammen: Hier vereint er den anarchischen Witz eines „Austin Powers" mit der politischen Weitsicht seiner HBO-Filme. Das Ergebnis ist eine Aneinanderreihung saukomischer Brachial-Pointen, hinter denen sich immer ein Fünkchen mehr Wahrheit verbirgt, als es im ersten Moment vielleicht den Anschein haben mag.
Der demokratische Abgeordnete Cam Brady (Will Ferrell) hat das Politgeschäft durchschaut. Während seiner vier Legislaturperioden im US-Kongress hat er zwar noch an keinem Gesetzesentwurf mitgewirkt, dafür weiß er immer, welche Floskel er seinen Zuhörern gerade zuwerfen muss, um ihren Applaus zu ernten. Dass Brady in seinem Wahlkreis in North Carolina noch nie geschlagen wurde, liegt aber auch daran, dass bisher niemand gegen ihn angetreten ist. Doch das soll sich nun ändern. Die stinkreichen Unternehmer-Brüder Wade und Glenn Motch (Dan Aykroyd und John Lithgow) haben sich den unbedarften Loser Marty Huggins (Zach Galifianakis) als ihren Kandidaten ausgeguckt, den sie nun mit Hilfe des ruchlosen Kampagnenmanagers Tim Wattley (Dylan McDermott) zum Siegertypen aufpolieren wollen. Als Dankeschön soll Huggins nach der Wahl ein Gesetz durchwinken, das es den Motch-Brüdern erlaubt, chinesische Fabriken und Arbeitskräfte nach North Carolina überzusiedeln, ohne dass dafür Umweltstandards oder Mindestlöhne angehoben werden müssten. Der schmutzigste Wahlkampf in der Geschichte der USA nimmt seinen Lauf...
„Im Krieg gibt es Regeln, im Schlammcatchen gibt es Regeln - in der Politik gibt es keine Regeln."
– Ross Perot, parteiloser Präsidentschaftskandidat 1992
Die Pointen sitzen. Spätestens wenn Will Ferrell einem Baby in „Rocky"-Manier und Superzeitlupe einen rechten Schwinger verpasst, kann man sich dem unverschämten Charme der dauerduellierenden Politiker nur noch schwer entziehen. (Der Gag wird übrigens später mit dem wohl genialsten tierischen Cameo-Auftritt der Kinogeschichte noch einmal wiederholt!) Das ist manchmal platt und lustig, zum Beispiel in einer Szene, in der Brady zur Schärfung seines religiösen Profils in einem sektenartigen Gottesdienst mit giftigen Schlangen tanzt und selbstverständlich gebissen wird. Aber dann auch wieder richtig intelligent, etwa wenn Bradys Wahlkampfteam ein von Huggins in der zweiten Klasse gemaltes Bilderbuch namens „Regenbogenland" ausgräbt, um es dann als als angeblich kommunistisches Manifest auszuschlachten. Dem Autorenduo Chris Henchy (als Autor von „Die etwas anderen Cops" zuständig für den intellektuell-absurden Humor) und Shawn Harnell (als Autor von „Eastbound & Down" zuständig für den geradeheraus-wahnsinnigen Humor) gehen die Ideen für mögliche schmutzige Wahlkampftricks nie aus. Aber das ist auch gar nicht weiter verwunderlich, denn zur Inspiration muss man dieser Tage schließlich nicht mehr tun, als einen beliebigen US-Nachrichtensender einzuschalten.
Im gespaltenen Amerika der rechten Radiomoderatoren und linken Stand-up-Comedians ist „Die Qual der Wahl" eine angenehme Ausnahme. Obwohl Will Ferrell in seiner One-Man-Show „You are Welcome to America: One Final Night with George W. Bush" den republikanischen Präsidenten noch gnadenlos bloßgestellt hat, ist dieser Film bewusst überparteilich. Sowohl der Demokrat Cam Brady als auch der Republikaner Marty Huggins erweisen sich als praktisch willenlose Spielbälle derselben Grauen Eminenzen, die die wahren Regeln der Politik längst durchschaut haben und nun rücksichtslos zu ihrem Vorteil ausnutzen. Während die Parteien in sinnlosen ideologischen Grabenkämpfen feststecken (wer chinesische Hunde besitzt, ist praktisch schon ein Kommunist), reiben sich die wahrhaft Mächtigen im Hintergrund genüsslich die Hände. Da mag Regisseur Jay Roach mit noch so vielen Sex-im-Dixie-Klo-Zoten leichte Lacher abstauben, mit seiner satirischen Kernaussage trifft er trotzdem genau ins Schwarze!
Fazit: Selten war eine intelligente Komödie zugleich auch dermaßen komisch.