Seien wir ehrlich: Innovation wird überschätzt. Der ehrgeizige Wunsch junger Künstler, das Rad ständig und bei jeder Gelegenheit neu erfinden zu wollen, ist in den meisten Fällen ebenso rührend wie lächerlich. Die ältesten Geschichten sind meistens die aktuellsten und auch der neueste Schrei verklingt ungehört, wenn der Erzähler nicht weiß, wie er ihn auszustoßen hat. Speziell das Horrorkino hadert seit Jahrzehnten mit sich und seinen erzählerischen Altlasten. Zyklisch pendelt es vom Wunsch der eigenen Neuerfindung hin zum nostalgischen Selbstzitat. Beides kann jedoch nur funktionieren, wenn ein geübter Macher am Werk ist, der sich dem Stoff verschreibt und seine Liebe zur Materie deutlich macht. So weit so gut - und auch in Zukunft wird sich an der Genre-Tretmühle nicht viel ändern. „Hidden 3D" nimmt in diesem Konflikt einen Sonderstatus ein. Die kanadisch-italienische Co-Produktion ist weder klassisch zeitlos, noch versucht sie neue Wege zu begehen, noch hatte irgendjemand die handwerkliche Routine, sie zumindest funktionell über die Bühne zu bringen. Kurz: Dieser Film stinkt und der Gestank fängt schon bei der reichlich dämlichen Prämisse an.
Zeit ihres Lebens hat sich die - offenbar vollkommen verrückte - Wissenschaftlerin Susan Carter (Dawn Ford) in einem verschneiten Labor in den Bergen der Suchtforschung verschrieben. Eine ihrer verrücktesten Ideen war die Behandlung unglückseliger Süchtiger unter Zuhilfenahme des Gifts einer seltenen Bienenart (!), das sich im Hirn der Behandelten festsetzt und es regeneriert (!!). Mithilfe ihrer höchst sinnvoll klingender Bienentechnik und eines von ihr entwickelten Apparates namens „Ventris" ließ sich die Sucht als solche materialisieren und schließlich entfernen(!!!)...
WTF? An dieser Stelle ist eigentlich schon alles über den Sinngehalt von „Hidden 3D" gesagt. Gegen die hanebüchene Blödheit dieser Ausgangssituation wirkt sogar das Lebenswerk von Doktor Heiter aus „The Human Centipede" vollkommen nachvollziehbar und zweckmäßig. Tatsächlich handelt es sich bei dieser kurzen Inhaltszusammenfassung nur um den Prolog. Vielleicht hätte sich daraus sogar ein Trash-Spektakel vor dem Herren kreieren lassen. Leider jedoch wird Absurdistan nach den Opening Credits wieder verlassen und ein handelsüblicher Slasher vom Reißbrett nimmt seinen Lauf: Als die schrille alte Lady verstirbt, erbt ihr Sohn Brian (bemerkenswert blass:Sean Clement) das Anwesen in luftiger Höhe. Eigentlich würde er das Erbe gerne ablehnen, doch er wird von Freunden überredet, dass Anwesen zumindest einmal zu begutachten. Gesagt getan. Im Nu finden sich Brian und vier - vollkommen austauschbare - Begleiter in den Anlagen wieder und – wie könnte es auch anders sein? – werden wenig später einer nach dem anderen von einer im Verborgenen lauernden Gefahr dahingerafft...
Nur weil die Geschichte klingt, als wäre sie aus einer sehr verstaubten Mottenkiste gefallen, muss auch das nicht heißen, dass sich aus ihr kein packender Film hätte machen lassen. Sicher, der Mix aus Mad-Scientist-Grusel, Zehn-kleine-Negerlein-Ausdünnung und Haunted-House-Hokuspokus wirkt, als wäre er mit UHU zusammengeklebt und zum Trocknen auf die Fensterbank gelegt worden. Es wäre jedoch wie gesagt vermessen, von jedem Horror-Heuler der B-Klasse zu erwarten, dass er sich unbekannten Ufern zuwendet oder geschickt mit den Versatzstücken des Genres hantiert. Nicht umsonst ist gut geklaut meistens besser als schlecht erfunden. Schlecht geklaut und noch schlechter umgesetzt hingegen ist der größte Frevel von allen.
Vom reinen Look her wirkt „Hidden 3D" dabei nicht unbedingt schlecht. Die endlosen Kellerverließe und Flure, durch die es Brian und den Rest des gelangweilten Casts hier die meiste Zeit verschlägt, machen zwar optisch nicht wirklich etwas her, doch zumindest merkt man zu jedem Zeitpunkt, das die kleine Produktion von geübter Hand in Szene gesetzt wurde. Lichtsetzung, Kameraarbeit und Schnitt machen einen halbwegs professionellen Eindruck. Zumindest hat man es nicht mit einer Amateurproduktion à la Olaf Ittenbach oder Konsorten zu tun. Das ist allerdings nicht wirklich ein Trost. Eher im Gegenteil. Einem Laien, der im Garten bei Oma mit ein paar Kumpels einen Film dreht „weil er es will", hätte man sein Fehler vielleicht bereitwilliger verziehen und zumindest den selbstlosen Versuch als engagiert anerkannt. Mut und Engagement lässt diese 8-Millionen-Dollar-Produktion aber völlig vermissen. „Hidden 3D" darf stattdessen mit Fug und Recht als eines jener filmischen Debakel bezeichnet werden, an dem wirklich niemand seinen Spaß haben dürfte. Weder als betulicher Grusler noch blutspritzend-splatterlastige Trash-Granate will dieser Reinfall funktionieren. Weder mit lauten noch leisen Tönen wird Eindruck gemacht und Atmosphäre kommt höchstens in Form von Erleichterung auf, wenn die laue Geduldsprobe nach 78 langen Minuten endlich ihr Ende findet. Nicht ein einziger der zahlreichen intendierten „Schocks" vermag zu zünden. Einzig und allein die Musik – elendes Industrial-Gepolter, das klingt, als wäre es selbst den „Saw"-Sequel-Machern zu billig gewesen – ist es, die einen wissen lässt, ob das, was man gerade sieht, nun gruselig sein soll oder nicht. Das liegt nicht zuletzt an den tumben Charakteren, die sich hier gegenseitig die Klinke in die Hand geben und selbst in größter Gefahr noch so dümmlich handeln, dass man als Zuschauer auf die Tischkante beißt.
Beispiel gefällig: Man befindet sich auf dem verlassenen Anwesen einer gerade verstorbenen irren Wissenschaftlerin. Man irrt mit zwei winzigen Taschenlampen durch karg-düstere Kellerverließe. Überall schwirren miese CGI-Bienen durch die Luft und ständig vernimmt man von überall unheimliche Geräusche... Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, um Ecstasy zu nehmen? Warum sollte man das tun? Was soll der ganze Unsinn überhaupt? Und die wichtigste Frage von allen: Soll das vielleicht witzig sein? Kann es sein, dass es sich bei „Hidden 3D" vielleicht um die feingeistige Parodie eines miserablen Horrorfilms handelt. Hat hier ein talentierter Filmemacher den Entschluss gefasst, sich in einem postmodernen Rausch über die Einfallslosigkeit mieser Horror-Auftragsproduktionen (inklusive dem überflüssigsten 3D seit „Iron Doors") lustig zu machen? Wohl kaum...
Der winzige Hoffnungsschimmer, dass es sich um einen Anflug von Humor handeln könnte, verfliegt schnell. Hier gibt es nichts zu lachen – noch nicht einmal unfreiwillig. Zu jedem Zeitpunkt sieht man den Schauspielern an, wie peinlich ihnen ihre simplen Rollen, das dumme Verhalten und die heftig bescheuerten Dialoge sind. Abgesehen von den Darstellern, deren Mitarbeit sich schwerlich leugnen lässt, kommt der berechtigte Eindruck auf, dass so gut wie alle Beteiligten hinter der Kamera vorsorglich auf Decknamen zurückgegriffen haben. Selbst die allwissende International Movie Data Base kann nur mit den Schultern zucken, wenn man sich bei ihr über die Regisseure Jack Frost (sic!) und Antoine Thomas informieren will.
Ein Blick in die Credits offenbart, dass auch der gute alte Alan Smithee und seine Schwester Alana ihre anonymen Finger beim Script im Spiel hatten. Mit welchen Mitteln der Stab hier genötigt wurde, sich in die Dienste zahlreicher windiger italienischer Co-Produzenten zu begeben und dieses himmelschreiend miserable Debakel von einem Film zu verbrechen, wäre interessant zu erfahren gewesen. Ganz seriös ist die Produktionsgeschichte sicherlich nicht. Aber egal wie schmuddelig, korrupt und verschämt es hinter den billigen Kulissen auch zugegangen sein mag – es kann nur spannender gewesen sein als das fertige Produkt. Dieses ist nämlich schlicht und ergreifend indiskutabel.