Als 2010 „Percy Jackson – Diebe im Olymp“ in die Kinos kam, verzichtete kaum ein Kritiker auf den Vergleich mit „Harry Potter“. Schon Rick Riordan, der Autor der fünf Bestseller-Romane über jugendliche, halbmenschliche Sprösslinge der griechischen Götter, hatte sich überdeutlich bei Joanne K. Rowlings Zauberer-Saga bedient und dann haben die Produzenten von „Percy Jackson“ mit Chris Columbus auch noch ausgerechnet den Regisseur der ersten beiden „Harry Potter“-Filme engagiert. Der so fast schon unvermeidliche Vergleich endete durchweg zu Ungunsten der Teenager-Halbgötter, auch das Einspielergebnis konnte kaum als Erfolg verbucht werden. Lange war es daher unklar, ob die Leinwandabenteuer von Percy und seinen Freunden eine Fortsetzung finden würden, aber nun ist es nach mehr als drei Jahren doch so weit. Mit dem aus Deutschland stammenden Thor Freudenthal („Das Hundehotel“) wurde ein neuer Regisseur angeheuert, aber die Erzählformel bleibt bei „Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen“ dieselbe - und auch das Ergebnis ist sehr ähnlich: Die griechische Mythenwelt wird nach Lust und Laune geplündert und mit einer handelsüblichen Teenager-Geschichte über das Erwachsenwerden kombiniert – gekleidet wird das temporeiche Ganze schließlich in ein aufwändiges Effektgewand in 3D.
Nachdem er die Welt gerettet hat, ist der jugendliche Halbgott Percy Jackson (Logan Lerman), Sohn einer Menschenfrau und des Meeresgottes Poseidon, zurück im geheimen Trainingscamp für den Halbblut-Nachwuchs, das irgendwo in der amerikanischen Wildnis verborgen ist. Dort erwächst ihm mit Clarisse LaRue (Leven Rambin), Tochter des Kriegsgottes Ares, eine Konkurrentin, die ihm den Rang als Star des Camps abzulaufen droht. Dann taucht auch noch sein Halbbruder Tyson (Douglas Smith) auf, ein Zyklop, der aus der Liaison Poseidons mit einer Nymphe hervorgegangen ist. Der etwas tollpatschige Einäugige wird von den anderen Halbbluten als Monster angesehen, besonders Percys beste Freundin Annabeth (Alexandra Daddario) ist Tyson gegenüber feindselig eingestellt. Dann wird jedoch der Schutzwall des Lagers angegriffen und Percys Kumpel Grover (Brandon T. Jones) entführt. Der Satyr (halb Mensch, halb Ziege) ist in den Händen von Percys altem Gegenspieler Luke (Jake Abel), der ihn als Köder benutzen will, um dem Zyklop Polyphem das Goldene Vlies abluchsen zu können. Sein Plan: den Titanen Kronos zu erwecken und eine Götterdämmerung auszulösen. Percy, Annabeth und Tyson wollen das um jeden Preis verhindern...
Der reiche Schatz der griechischen Göttermythen ist eine der ältesten Quellen für Erzählungen über übermenschliche Helden, fantastische Welten und die existenzielle Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse. Auch in Hollywood ist dieses Erbe bis heute lebendig, seine Spuren zeigen sich in Superhelden-Blockbustern und Fantasy-Sagen. Allerdings ist der direkte Rückgriff auf den olympischen Urstoff wie bei „Krieg der Götter“ oder „Zorn der Titanen“ recht selten und diesen Umstand nutzen die Macher der „Percy Jackson“-Filme für sich. Die Welt der olympischen Götter und ihres irdischen Wirkens wird dem Publikum wie etwas ganz Neues serviert – Vorwissen nicht nötig und konsequenterweise muss man auch nicht unbedingt „Diebe im Olymp“ kennen, um „Im Bann des Zyklopen“ folgen zu können. In beiden Filmen geht es ohnehin kaum ernsthaft um den mythologischen Gehalt und die epischen Ausmaße des Sagenstoffs – vielmehr wird der kurzerhand den Bedürfnissen des Teenie-Abenteuers angepasst und nicht umgekehrt. Das erfolgt zuweilen auf recht elegante Weise wie bei einer sehenswert animierten Erklärsequenz zur Geschichte Kronos‘ und der Titanen, das Meiste bleibt aber strikt an der Oberfläche (am Orakel etwa haben sich Designer und Effektspezialisten ordentlich abgearbeitet, Drehbuchautor Marc Guggenheim dagegen offenbar weniger) und oft wirkt es, als wären die alten Griechen hauptsächlich die Erfinder cooler Monster und Fabelwesen gewesen.
Der Zyklop Polyphem, das Seeungeheuer Charybdis, der feuerspeiende Stier und der Mantikor mit seinem Löwenkörper sowie dem Skorpionschwanz werden auf ebenso aufwändige wie effektvolle Weise lebendig, solche durchaus spektakulären Attraktionen ersticken die Versuche erzählerischer Vertiefung jedoch vielfach im Keim – einzig die Annäherung zwischen den „normalen“ Halbgöttern Percy und Annabeth an dem zum Freak gestempelten Tyson (dessen einäugige Andersartigkeit über weite Strecken durch ein magisches Spray übertüncht wird) bekommt einige emotionale Resonanz. Die Konkurrenz zwischen Percy und Neuzugang Clarisse (die ungestüme Leven Rambin sticht Alexandra Daddarios Annabeth aus) ist eine etwas albern ausgewalzte, aber willkommene Zugabe, die aber nicht dafür entschädigen kann, dass die Götterväter Zeus, Hades und Poseidon dieses Mal nicht in Person auftreten. Auch Pierce Brosnan ist nicht mehr dabei, das Zwitterwesen Chiron wird nun von Anthony Head („Buffy – Die Geisterjägerin“) verkörpert. Logan Lerman („Vielleicht lieber morgen“, „Die drei Musketiere“) als Percy bewährt sich indes erneut als Sympathieträger, während mit Nathan Fillion („Hustle“) ein Reihen-Neuling als Götterbote Hermes in UPS-Tarnung für einen amüsanten Höhepunkt sorgt (einschließlich einer augenzwinkernden „Firefly“-Anspielung).
Fazit: Drei Jahre nach „Diebe im Olymp“ kehren Percy Jackson und Co. ins Kino zurück und es ist alles beim Alten: Hätte es nicht ein paar Um- und Neubesetzungen sowie äußerliche Veränderungen gegeben, dann könnte man glauben, die beiden Filme wären gleichzeitig gedreht worden.