Wildschweine sind vergleichsweise scheue Zeitgenossen. Sollte man den Borstentieren mal beim Sonntagsspaziergang im Wald begegnen, besteht in der Regel kein Grund zu größerer Unruhe, vorausgesetzt man platzt nicht indiskret in den laufenden Paarungsakt oder rückt einer jungen Mutter zu sehr auf die Pelle. Ein wenig anders liegt der Fall in Jeong-won Shins südkoreanischer Horror-Komödie „Keiler“. Hier muss sich gleich ein ganzes Dorf gegen ein blutrünstiges Wildschwein-Männchen verteidigen, das beim Buddeln auf dem Friedhof auf den Geschmack von Menschenfleisch gekommen ist. Nicht zuletzt, weil die ironischen Ansätze des Films in einem Meer voll unfreiwilliger Komik versinken, ist das Ergebnis leider ein katastrophaler No-Brainer, der schon bald auf den Grabbeltischen der Videotheken sein letztes Dasein fristen wird.
Samerin, ein kleiner Ort tief in der südkoreanischen Provinz: Schon seit Jahren haben keine Verbrechen die beschauliche Idylle getrübt. Detective Shin (Hyuk-kwon Park), gerade aus Seoul in das friedliche Dorf versetzt, freut sich auf das vermeintlich ruhige Landleben fernab jeder Großstadtkriminalität. Kaum angekommen, finden Hobby-Forscher im Wald verstreute Leichenteile. Die Spur führt schnell zu einem Mutanten-Keiler, der die Dorfbewohner als Schweinefutter enden lässt. Der Detective macht sich mit einem Suchtrupp auf, um dem furchterregenden Monstrum im Wald die Stirn zu bieten…
Wer beim Griff zur „Keiler“-DVD auf eine südkoreanische Wildschwein-Variante von Der Weiße Hai hofft, wird schon in den ersten Minuten eines besseren belehrt. Anders als der Spielberg-Klassiker kann und will der Film zu keinem Zeitpunkt ernst genommen werden. Sicherlich nicht die schlechteste Idee, haben doch nicht nur asiatische Monsterfilme naturgemäß immer mit Glaubwürdigkeitsproblemen zu kämpfen. Und dass Splatter auch komisch sein kann, haben Genreperlen wie Braindead oder Severance längst bewiesen. Leider generieren sich die Lacher in „Keiler“ aber nicht aus tiefschwarzem Humor oder skurrilen Charakteren, sondern aus maßlos überzeichneten Figuren, handwerklichen Unzulänglichkeiten und einem CGI-Wildschwein, das technisch allenfalls in der Spielkonsolen-Mittelklasse mithalten könnte.
Die schwache Animation des Borstentieres, die insbesondere bei den Sprüngen und Attacken der Kreatur unübersehbar ist, wäre vielleicht in den frühen 90er Jahren noch als zeitgemäß durchgegangen. Ein derart ruckeliges Trauerspiel überrascht vor allem, weil das DVD-Cover eindringlich mit dem „Special-Effects-Team von Star Wars, Der Sturm und The Day After Tomorrow“ um die Gunst des Videothekenbesuchers wirbt. Leider sitzen weder George Lucas, noch Wolfgang Petersen oder Roland Emmerich auf dem Regiestuhl – wenngleich auch sie das katastrophale Drehbuch vermutlich nicht hätten retten können. Eine weitestgehend hirnfreie Horrorgeschichte wird mit einigen Slapstick-Einlagen und grotesken, zugleich aber gänzlich unsympathischen Nebenfiguren angereichert. Schlimmstes Beispiel hierfür ist eine offenbar verwirrte junge Frau, die mit einer Puppe auf dem Arm durch die Gegend geistert und von allen nur „Mutter“ genannt werden will. Sie taucht immer dann auf, wenn es gerade langweilig wird und der Keiler sich im Wald eine kurze Verschnaufpause gönnt. Ihre nervtötenden, wiederkehrenden Auftritte gipfeln zu allem Überfluss in einem konstruierten Epilog. Wer die kranke Frau ist, warum sie so wirres Zeug redet – who cares?
Die Leistungen der Hauptdarsteller schwanken zwischen dem Laienniveau deutscher TV-Nachmittagsformate und schwächerer Teenie-Horrorstreifen. Mit den häufig miserablen Synchronisationen ostasiatischer Filmkunst hat sich der geplagte Fan mittlerweile ja fast abgefunden, doch die über weite Strecken amateurhafte Abmischung der Tonspuren treibt den Drang zur südkoreanischen Originalversion zu wechseln noch zusätzlich auf die Spitze. In der deutschen Fassung übertönen Dialoge am Straßenrand mühelos den Rush-Hour-Lärm einer Hauptverkehrsstraße in Seoul. Mit der mangelhaften Set-Beleuchtung, die sich stellenweise kaum von denen städtischer Theaterbühnen abhebt, gesellt sich ein weiterer handwerklicher Totalausfall hinzu.
Fazit: Was sich problemlos auf 80-90 Minuten kürzen und damit vielleicht noch halbwegs ertragen ließe, mündet letztlich in geschlagenen zwei Stunden Trash in Reinkultur.