Ende der 1920er Jahre schickte sich der Tonfilm an, die Sehgewohnheiten des Publikums zu revolutionieren und das Ende der glorreichen Zeit des Stummfilms einzuläuten. Mit „The Artist" entführt uns der französische Regisseur Michel Hazanavicius in diese Epoche zurück und verdeutlicht uns, wie wunderbar das Kino auch ohne Worte funktionieren kann. Elegant fotografiert lässt „The Artist" mit seiner Schwarz-Weiß-Ästhetik auf leichtfüßige und überaus unterhaltsame Weise diese goldene Ära Hollywoods wieder auferstehen und ist eine wundervoll detailverliebte Hommage an die Klassiker der damaligen Zeit. Nie angestaubt, sondern immer frisch, ironisch und verspielt ist der moderne Stummfilm ein Fest der amüsanten Einfälle, der darstellerischen Spielfreude und der nostalgischen Reminiszenzen an Charlie Chaplin, Fritz Lang & Co.
Hollywood, 1927: Stummfilmstar George Valentin (Jean Dujardin) lässt sich bei der Premiere zu seinem neuen Film „A Russian Affair" vom jubelnden Publikum feiern. Durch einen glücklichen Zufall steht die junge Peppy Miller (Bérénice Bejo) nach der Kinovorstellung plötzlich neben ihrem großen Idol. Die Presse fotografiert die beiden auf dem roten Teppich und bereits am nächsten Tag ist auf einem Titelblatt die Frage zu lesen: „Who's that girl?" Peppy geht daraufhin voller Stolz zu einem Casting und ergattert eine kleine Rolle in George Valentins nächstem Film. Mit ihrer unbekümmerten Art zieht die junge Frau den Hollywoodstar in einer gemeinsamen Tanzszene sogleich in ihren Bann. Doch dann trennen sich die Wege des verheirateten George Valentin und der ihn anbetenden, unbekannten Nachwuchsdarstellerin erst einmal wieder. Während die Einführung des Tonfilms George schwer zu schaffen macht und seinen Stern mehr und mehr erlöschen lässt, wird Peppy vom Hollywoodstudio des mächtigen Produzenten Zimmer (John Goodman) als hoffnungsvolles Talent konsequent gefördert. Schon bald ist sie die Leinwandgöttin des jungen Tonfilms und Georges Ruhm nur noch eine alte Kamelle. Aber Peppy kann ihr geliebtes Kinoidol nicht vergessen und lässt ihn auch am Abgrund stehend nicht im Stich...
Nach den gelungenen Komödien „OSS 117 - Der Spion, der sich liebte" und „OSS 117 - Er selbst ist sich genug!", die den Geist der 1950er und 1960er Jahre atmeten, traut sich Regisseur Michel Hazanavicius nun mit „The Artist" noch weiter in der Zeit zurück. Aber das Wagnis einen modernen Stummfilm im Stil der alten Klassiker zu drehen, geht dank der spielfreudigen Darsteller sowie den durchdachten und detailverliebten Szenenbilder glänzend auf. Die universale und zugegebenermaßen hemmungslos naive „A Star is Born"- Story nimmt sich ein Vorbild an den großen Klassikern der 1920er Jahre und spielt mit vielen bekannten Versatzstücken der großen Kinoerfolge jener Zeit. Trotz dieser Revitalisierung der Stummfilmkunst mit ihrer sehr eigenwilligen Filmsprache wirkt „The Artist" dank etlicher frischer Ideen, der das Geschehen vorantreibenden Musik sowie vielen amüsanten Anspielungen auf Szenen großer Klassiker jedoch nie altbacken, sondern bietet mit seiner romantischen Story vielmehr zeitlose Unterhaltung im besten Sinne.
Wenn George Valentin zu Beginn mit seinem Produzenten Zimmer gespannt auf die Reaktion des Premierenpublikums wartet, der lautstarke Applaus ausbleibt, dafür aber strahlende und lautlos frenetisch klatschende Menschen den lächelnden Hauptdarsteller nach der Vorstellung empfangen, landet man gleich im magischen Universum des Stummfilms, das ohne Geräuschkulisse, große Erklärungen oder ausschweifende Dialoge auskommt. Regisseur Hazanavicius schöpft dafür die Möglichkeiten des visuellen Erzählens aus und versteht es, auch die neu aufkommende Tontechnik auf amüsante Weise in seinen zitatenreichen Stummfilm einzubauen. So zum Beispiel in einer grandiosen Sequenz, in der Valentin über die ihn ängstigenden Neuerungen in der Kinobranche phantasiert.
Neben der gelungenen Wiederbelebung von Stil und Tonfall jener Kinoepoche sowie der gewitzt-augenzwinkernden Inszenierung, sind es vor allem die hervorragend aufgelegten Schauspieler, die den Stummfilm als altehrwürdiges Unterhaltungsmedium ins neue Jahrtausend hinüberführen. Hauptdarsteller Jean Dujardin („Lucky Luke") gibt mit seinem gewinnbringenden Lächeln von der ersten Minute an das perfekte Abbild der selbstbewussten, charismatischen Hollywoodlegende ab. Ebenso begeistert er aber auch in der Rolle des gebrochenen Helden und verzweifelten Altstars. Nicht umsonst zählt Dujardin inzwischen zu den absoluten Top-Favoriten auf den Oscar als Bester Hauptdarsteller, was als Franzose in einer französischen Produktion noch einmal doppelt so hoch zu bewerten ist.
Ähnlich mitreißend agiert Bérénice Bejo („Ritter aus Leidenschaft") als den Tonfilm im Sturm erobernde Jungschauspielerin. Keck, frech und sehr charmant spielt die Argentinierin als Peppy Miller groß auf und entwickelt sich in kürzester Zeit zu Everybody's Darling. Dabei harmoniert Bejo ausgezeichnet mit dem für seine Leistung bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Darstellerpreis ausgezeichneten Dujardin, mit dem sie auch schon in „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte" zusammen vor der Kamera stand. Beide Hauptdarsteller strahlen eine ungemeine Spielfreude aus und verstehen es, den von den Wogen des Hollywoodzirkus mitgerissenen Liebenden mit ausladender Gestik und großartigem Mienenspiel ein strahlendes, einnehmendes Wesen zu verleihen. Auch John Goodman („The Big Lebowski") begeistert in seiner Rolle als Studiomogul, der als erster die neue Tontechnik als Zukunft der Unterhaltungsindustrie begreift und Peppy als einen seiner neuen Studiostars aufbaut.
Fazit: „The Artist" bietet ein magisches Leinwanderlebnis, das die Universalität des Geschichtenerzählens sowie die Historie des Kinos zelebriert und dabei nicht nur Nostalgikern ein anhaltendes Lächeln ins Gesicht zaubert.