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    On the Road - Unterwegs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    On the Road - Unterwegs
    Von Carsten Baumgardt

    Einige berühmte Romane gelten schlicht als unverfilmbar. Für die ausschweifende Gedankenwelt bestimmter Literaten scheint es in der Filmsprache einfach keine Entsprechung zu geben. Trotzdem gibt es immer wieder Produzenten und Regisseure, die sich nicht abschrecken lassen und das Wagnis eingehen. Sie versuchen das vermeintlich Unmögliche und gelegentlich gelingt es sogar - denken wir nur an Peter Jackson und seine „Der Herr der Ringe"-Trilogie, an François Truffauts „Fahrenheit 451" oder auch an Michael Radfords „1984". Auch Jack Kerouacs sprachlich berauschendes und höchst eigenwilliges Kultbuch „On The Road", die ultimative Bibel der Beat-Generation, umgab seit der Erstveröffentlichung 1962 die Aura der Unverfilmbarkeit. Walter Salles („Die Reise des jungen Che", „Dark Water") hat sich trotzdem an eine Verfilmung gemacht und scheitert mit seinem „On the Road - Unterwegs" auf sehr hohem Niveau. Seine Beatnik-Ballade sieht absolut phantastisch aus, wirkt aber trotz toller Besetzung erzählerisch ziellos.

    1947: Nach dem Tod seines Vaters bricht der aufstrebende New Yorker Autor Sal Paradise (Sam Riley ) mit seinem Freund, dem Ex-Sträfling Dean Moriarty (Garrett Hedlund), und dessen Frau Marylou (Kristen Stewart) zu einem Road-Trip quer durch die Vereinigten Staaten auf. Gemeinsam wollen sie ihren unbändigen Drang nach Freiheit ausleben und den unerbittlichen Mühlen der „normalen" Gesellschaft entkommen. Alkohol, Marihuana, Benzedrin und Sex in allen erdenklichen Konstellationen – das ist der Treibstoff der Reisegruppe. Dean ist bisexuell und nicht wählerisch bei seinen inflationären Bettbekanntschaften. Wenn es sein muss, nimmt er sich für 20 Dollar auch mal einen alternden Spießer (Steve Buscemi) vor, der dazu noch eine Autofreifahrt spendiert. Auch nach Deans Scheidung von Marylou und seiner Heirat mit Camille (Kirsten Dunst) begleitet ihn die Ex-Frau noch als Liebhaberin beim Ritt durch die USA. Das macht Camille rasend – erst recht, nachdem sie ein Baby von Dean bekommt und er, statt zu Hause seine Pflichten zu erfüllen, lieber mit Marylou durch die Lande zieht.

    Der 1969 im Alter von nur 49 Jahren an den Folgen seines Alkoholkonsums verstorbene Jack Kerouac gilt als Wegbereiter des subjektiven New Journalism, ein Stil, den später Schreiber wie Hunter S. Thompson („Fear and Loathing in Las Vegas") fortführten. Erst 2007 erschien die langerwartete Originalversion von „On The Road", die der franko-kanadische Kultautor ohne viele Satzzeichen wie im Rausch auf der Schreibmaschine runterhämmerte. Dabei nutzte er eine über 30 Meter lange Rolle aus aneinandergeklebtem Papier, um seinen Arbeitsfluss nicht zum Seitenwechsel unterbrechen zu müssen. Diese kleine Anekdote greift Walter Salles am Ende seiner Verfilmung auf wunderbare Weise auf und erweist Kerouacs Buch damit eine schöne Hommage. Der Brasilianer bringt den nötigen Enthusiasmus und Respekt für Kerouac mit, verheddert sich aber letztlich bei dem Versuch, den mäandernden Erzählfluss des Romans in eine schlüssige Filmdramaturgie zu übertragen. Nun lässt sich mit unbedingtem Stilwillen oder einer bezwingenden Atmosphäre so manches narrative Defizit übertünchen, aber auch hier kommt Salles nicht über gediegenes Handwerk hinaus.

    Immerhin ist „On The Road" ein Augenschmaus, Kameramann Eric Gautier („Into the Wild") liefert meisterhafte Arbeit ab. Er hüllt den Film in warme Brauntöne und kreiert stimmungsvolle Bilder, die aber selten ihr ganzes Potenzial entfalten. Denn „On the Road" gelangt nie in jene rauschhaften Sphären, von denen im Film so oft die Rede ist. Dafür ist das Drehbuch von Jose Rivera („Die Reise des jungen Che", „Briefe an Julia") trotz der ständigen äußeren Bewegung zu statisch angelegt. Die Freude Dean und Sal reisen umher, kehren zu ihren Stützpunkten Denver und New York zurück und brechen wieder auf, danach kehren sie wieder zurück... Die Reise erscheint als ewiger Kreislauf ohne Entwicklung und ohne Ziel. Entsprechend sind viele der Episoden, die die Figuren durchleben, austauschbar, zu einem guten Teil wiederholen sie sich sogar. Zwar ist es durchaus schlüssig, einer Geschichte von Drogen, Suff und Sex im Überfluss den klaren Fokus zu verweigern und das Eintönige sowie das Richtungslose noch zu betonen. Aber dazu passen dann wiederum der allzu attraktive Hochglanzstil und der fiebrig-schicke Jazzscore nicht. „On The Road" ist nicht halb so dreckig und wild, wie er hätte sein können und so haftet den tollen Bildern immer etwas Klinisches und Distanziertes an.

    „On the Road" ist ein Schlüsselroman, der auf den persönlichen Erfahrungen von Autor Jack Kerouac beruht, aus dem im Buch Sal Paradise wurde. Da tauchen dann solch illustre Typen wie Beat-Poet Neal Cassady (= Dean Moriarty) oder die Autoren William S. Burroughs (= Old Bull Lee, gespielt von Viggo Mortensen) und Allen Ginsberg (= Carlo Max, gespielt von Tom Sturridge) auf. Sam Riley („Control") als Sal fungiert auch als Erzähler und überzeugt als Sympathieträger, allerdings wirkt sein Spiel nicht immer natürlich. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist ohnehin der charismatische Dean – alles richtet sich nach ihm. Garrett Hedlund („Tron: Legacy") spielt das mit Charme, doch komplett mitreißen kann auch er nicht. Kristen Stewart („Panic Room", „Twilight") bekommt als Dritte im Bunde nicht so viele große Auftritte, aber sie zeigt eine engagierte Vorstellung und ihre vieldiskutierten Nacktszenen fügen sich homogen in den Film ein. In den Nebenrollen setzen Stars wie Kirsten Dunst („Melancholia"), Viggo Mortensen („Tödliche Versprechen"), Elisabeth Moss („Mad Men"), Alice Braga („City Of God") oder Amy Adams („The Fighter") weitere kleine Farbtupfer.

    Fazit: Regisseur Walter Salles hat sich an den Heiligen Gral der Beatnik-Literatur gewagt und ihn auf Hochglanz poliert: Seine Jack-Kerouac-Verfilmung „On The Road" ist wunderschön fotografiert, ansprechend gespielt und keineswegs langweilig, aber der Filmemacher bleibt zu sehr an der Oberfläche und dringt nie zum Kern der berühmten Vorlage vor.

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