Wer heutzutage romantische Geschichten für ein jugendliches (vorwiegend weibliches) Publikum erzählt und die womöglich noch in ein Fantasy-Gewand kleidet, dem wird von vielen fast schon automatisch jegliche Originalität abgesprochen. Der Erfolg des Massenphänomens „Twilight" liegt wie ein dunkler Schatten über allen übernatürlich angehauchten neuen Büchern und Filmen um die große Teenager-Liebe. Während die Marketingabteilungen von Verlagen und Produktionsfirmen dem Trend freudig hinterherhecheln und etwaige Ähnlichkeiten ihrer Erzeugnisse mit der Erfolgsreihe noch herausstellen – sie verbinden Bezeichnungen wie „das neue ‚Twilight‘" mit der Hoffnung auf ein weiteres milliardenschweres multimediales Franchise -, sind Autoren und Filmemacher am besten beraten, wenn sie möglichst ihren eigenen Weg gehen. So hat es Richard LaGravenese bei seiner Fantasy-Romanze „Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe" gehalten und das tut der atmosphärischen Southern Gothic-Schmonzette nur gut. Ungeachtet aller Anklänge an „Twilight" oder „Harry Potter" hat LaGravenese eine gewinnende Mischung aus einer wohldosierten Portion Hokuspokus und einer Menge echtem Gefühl angerührt.
Der Teenager Ethan Wate (Alden Ehrenreich) hat nur ein Ziel: Er will die High School hinter sich bringen und dann so schnell wie möglich raus aus dem Südstaatennest Gatlin in South Carolina. Zu allem Überfluss sucht ihn auch noch regelmäßig ein Alptraum heim, in dem er vergeblich versucht, ein Mädchen zu retten. Doch dann ändert sich mit der Ankunft der neuen Mitschülerin Lena (Alice Englert) alles: Sie ähnelt der Unbekannten in Ethans Traum verblüffend und er verliebt sich in sie. Von den anderen wird sie allerdings mit offener Feindseligkeit empfangen, denn sie ist die Nichte des rätselhaften Macon Ravenwood (Jeremy Irons), um den sich unschöne Gerüchte ranken. Besonders Mrs. Lincoln (Emma Thompson), die Mutter von Ethans bestem Freund Link (Thomas Mann), sprüht Gift und Galle gegen die Außenseiter, aber auch die Bibliothekarin Amma (Viola Davis), die sich seit dem Tod der Mutter um Ethan und seinen Vater kümmert, warnt den Jungen. Als sich Lena und Ethan näherkommen, erfährt er, dass die Familie seiner Freundin tatsächlich anders ist als die anderen: Sie sind sogenannte Caster, Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten, die seit Jahrhunderten weitgehend unbemerkt unter den Normalsterblichen leben. Und an ihrem bevorstehenden 16. Geburtstag wird sich entscheiden, ob Lena der Seite des Guten oder der des Bösen angehören wird...
„Beautiful Creatures" ist das erste Buch der auf vier Bände angelegten „Caster Chronicles"-Saga der beiden Autorinnen Kami Garcia und Margaret Stohl, in Deutschland erschien es unter dem Titel „Sixteen Moons – Eine unsterbliche Liebe". Regisseur Richard LaGravenese, der auch die Drehbuchadaption besorgte, verschiebt in seiner Verfilmung des Romans für junge Erwachsene die Akzente: Er nimmt die Fantasy-Elemente etwas zurück und rückt die Teenager-Liebesgeschichte stärker ins Zentrum. Der Filmemacher ist so etwas wie ein Spezialist für ungewöhnliche Romanzen (er schrieb unter anderem auch das Drehbuch zu Clint Eastwoods „Die Brücken am Fluss" und inszenierte das eigene Skript zu „P.S. Ich liebe dich"), unabhängig von der Qualität des Ausgangsmaterials dringt er stets zum wahrhaftigen Kern durch und legt ihn frei. Im Falle von „Beautiful Creatures" heißt das, dass die Teenager sich tatsächlich wie Jugendliche verhalten dürfen (auch wenn Hauptdarsteller Alden Ehrenreich mit seinen inzwischen 23 Jahren sichtbar zu alt für seine Rolle ist), dass ihre Leidenschaften etwas Unbedingtes haben, dass sie oft auch ungerecht und grausam sind und dass sie zuallererst mit sich selbst beschäftigt sind.
Wenn Ethan Lena beeindrucken will, dann stammelt er auch einmal dummes Zeug, wenn er dagegen ganz einfach ist, wie er ist, dann hilft er ihr galant über eine Mauer. Und wenn die mit ihrem Schicksal hadernde Außenseiterin von Zorn oder Verzweiflung übermannt wird und sie die Kontrolle über ihre übernatürlichen Fähigkeiten verliert, lässt sie Fensterscheiben zerbersten oder löst gewaltige Gewitter aus. Das sind gerade in ihrer Deutlichkeit treffende Bilder für den emotionalen Ausnahmezustand, den wohl alle 15-Jährigen kennen. Wie in den meisten guten Coming-of-Age-Geschichten geht es auch in „Beautiful Creatures" um das Gefühl, die Last und die Notwendigkeit des Andersseins. Ganz natürlich fühlt sich Ethan zu den verbotenen Büchern von Kurt Vonnegut und Henry Miller hingezogen (die beengende Kleingeistigkeit des Südstaatenkaffs wird mit sehr breiten Pinselstrichen gezeichnet) und das Eis zwischen ihm und Lena bricht er mit der unbeholfenen Rezitation eines Bukowski-Gedichts. Eine sehr anrührende Mischung aus unbestimmter Sehnsucht und ein wenig Angst (das hat allerdings nichts von Begierde, die Zärtlichkeiten gehen nicht über Küsse hinaus) steht den jungen Liebenden im Gesicht, die dabei sind, sich selbst zu entdecken.
Gegenüber „Twilight" sind die Rollen in „Beautiful Creatures" vertauscht, hier ist es ein junger Mann, der sich in ein übernatürliches Wesen verliebt und der damit zur ersten Identifikationsfigur wird. Alden Ehrenreich („Twixt") als Ethan scheut nicht davor zurück, Schwäche und Überforderung zu zeigen, während die stille Beharrlichkeit in Alice Englerts („Ginger und Rosa") Darstellung von Lena ganz eindeutig ein Zeichen von Stärke ist, obwohl neben Trotz und Wut auch Furcht und Verzweiflung in ihr liegen. Insgesamt wird sie damit sogar zur interessanteren Figur, auch wenn der furchteinflößendste Moment des ganzen Films Ethan vorbehalten bleibt. Als Jeremy Irons‘ Macon Ravenwood dem jungen Hausgast durch Gedankenmanipulation seinen (möglichen) weiteren Lebensweg einflüstert, malt Ethan wie in Trance seine schlimmste Vorstellung einer spießigen Zukunft aus, in der er für immer in Gatlin hängen bleibt und schließlich im Suff endet. Der Konflikt zwischen Selbstfindung und Fremdbestimmung, der bei den Castern mit großem Effektbrimborium ausgetragen wird, ist in dieser ruhigen Szene am wirkungsvollsten auf den Punkt gebracht. Aber so gut es dem Film insgesamt auch tut, dass LaGravenese seine jungen Helden und ihre Sorgen ernstnimmt (und auch Themen wie Verlustangst und Opferbereitschaft nicht ausspart), ist „Beautiful Creatures" beileibe kein Teenager-Drama von existentialistischer Schwere.
Immer mal wieder lässt der Regisseur die magischen Mächte von Gut und Böse von der Leine und sorgt für Spektakel: Der tollste Effekt ist die durch die Luft wirbelnde Bankettgesellschaft, die sich beim mentalen Duell zweier Caster immer schneller im Kreis dreht, wobei die Gesichter von der Geschwindigkeit ganz verzerrt sind. Solche visuellen Kabinettstückchen werden recht sparsam und meist erzählerisch sinnvoll eingesetzt (so ist der Film fast schon untypscherweise auch nicht in 3D), dafür gibt es genug andere Schauwerte: die von Oscar-Preisträger Phillipe Rousselot („Aus der Mitte entspringt ein Fluss") atmosphärisch fotografierte Südstaaten-Kulisse (gedreht wurde in New Orleans und Umgebung), die stimmigen Dekors und Kostüme (ein besonderes Lob geht an die Rückblenden in Bürgerkriegszeiten) sowie die Naturgewalt Emma Thompson („Sinn und Sinnlichkeit"). Machtlüstern, durchtrieben und sardonisch zeigt sie uns in ihrer Rolle einmal mehr, dass die Bösen oft einfach mehr Spaß haben. Ihr kaum nach steht Emmy Rossum („The Day After Tomorrow") als Lenas Cousine Ridley. Die Sirene, die Menschen willenlos machen kann, verdreht mit ihrer flamboyant-verführerischen Art nicht nur Link den Kopf. Zugleich liegt ein Schleier des Bedauerns über ihr, ein Hauch von Sehnsucht nach dem Guten. Jeremy Irons („Nachtzug nach Lissabon") wiederum besticht durch seine stilvoll-charismatische Präsenz, aber in seinem Macon Ravenwood zeigt sich auch exemplarisch, dass die Fantasy-Welt von „Beautiful Creatures" nicht wirklich lebendig wird.
Fazit: Die Verfilmung des ersten Buches der „Caster Chronicles" überzeugt als ernsthaft und einfühlsam erzählte Teenager-Liebesgeschichte, das Fantasy-Universum des ewigen Machtkampfs zwischen Gut und Böse bleibt dabei allerdings bloße Kulisse.