Wer eine Schwäche für Horrorfilme oder für Mockumentarys hat, der kam in der jüngeren Vergangenheit nicht an den beiden Spaniern Jaume Balagueró und Paco Plaza vorbei, die beide Genres in ihren Low-Budget-Schockern „[REC]" und „[REC] 2" kombinierten und damit große Erfolge feierten. Knüpfte das Duo mit dem zweiten Film inhaltlich und stilistisch noch direkt an den ersten Teil an, bringt Plaza mit „[Rec]³ Genesis" einen völlig neuen Wind in die Zombie-Reihe. Der Filmemacher, der diesmal ohne Partner Balagueró auskommt, vermeidet viele Schwächen der Vorgänger und macht aus dem für sich stehenden „[REC]³ Genesis" mit inhaltlicher sowie inszenatorischer Finesse einen der besten Zombiefilme der vergangenen Jahre.
Es sollte der glücklichste Tag in ihrem Leben werden: die Hochzeit von Koldo (Diego Martín) und Clara (Leticia Dolera). Unzählige Freunde und Verwandte sind erschienen, alle haben beste Laune und Geschenke mitgebracht. Auch der nette Onkel Victor (Emilio Mencheta) ist fröhlich, obwohl er kurz zuvor von einem kränklich aussehenden Hund in die Hand gebissen wurde. Die Zeremonie, die anschließende Feier – alles verläuft wie im Traum. Doch auf einmal fällt der Onkel über die Gäste her, zerfleischt jeden, der nicht schnell genug davonlaufen kann. Chaos bricht aus, der Tanzsaal verwandelt sich im Handumdrehen in ein Schlachthaus. In der Panik werden Koldo und Clara voneinander getrennt, können sich aber beide mit jeweils anderen Gästen vorläufig in Sicherheit bringen. Nun setzen sie alles daran, sich gegenseitig wiederzufinden und aus diesem Albtraum zu entkommen...
Die Grundgeschichte ist genauso überschaubar und unspektakulär wie die der beiden Vorgänger, aber Regisseur Plaza gibt gleich mit der Einführung den Startschuss zu einem unglaublich unterhaltsamen und kurzweiligen Horrorfilm. Dem Geist der Reihe entsprechend werden mittels einer amateurhaft anmutenden Wackelkamera die Hauptpersonen eingeführt, wobei sich Plaza genau das richtige Maß an Zeit nimmt: kurz genug, um keine Ungeduld aufkommen zu lassen und lange genug, um Sympathien für die humorvolle und fröhliche Menge entstehen zu lassen. Damit wird gleich zu Beginn eine der größten Schwächen der beiden Vorgänger vermieden: farblose und uninteressante Figuren. Diesen Fehler wiederholt Plaza nicht, sondern schafft mit dem liebenswerten Jung-Ehepaar zwei starke Protagonisten, denen man ein Happy End wirklich von Herzen gönnen würde.
Nicht nur inhaltlich, auch stilistisch hat Plaza die „[REC]"-Reihe auf eine neue Ebene gehoben. Begünstigt durch den Erfolg der ersten beiden Teile stand ihm ein wesentlich höheres Budget zur Verfügung, das er überaus effektiv einsetzt. Die auffallendste Änderung ist der Wechsel von der unruhigen Handkamera auf eine klassische, „stabile" Kameraperspektive nach den ersten 20 Minuten des Films. Für das erste Viertel der Spieldauer wird auf das markanteste Stilmittel der Vorgänger zurückgegriffen, die durchgängig im Gewand einer vorgetäuschten Dokumentation daherkommen. Mit der Hochzeitsfeier hat Plaza dabei das ideale Umfeld für diesen für solche Mockumentarys typischen Einsatz von scheinbaren Amateuraufnahmen – schließlich wird heutzutage fast jede Familienfestivität von Gästen oder Beteiligten gefilmt. Nach dem Chaos auf der Tanzfläche und der damit verbundenen, von Panik geprägten Wackelorgie des Camcorders wechselt Plaza allerdings sehr überzeugend seine Strategie.
Die um ihr Leben fürchtenden Protagonisten sind in der Extremsituation der Zombie-Attacke nicht mehr an filmischen Souvenirs interessiert und lassen ihre Kameras links liegen. Von nun an befreien sich Plaza und sein Kameramann Pablo Rosso („Sleep Tight") aus dem selbst auferlegten Zwang und nutzen die Vielfalt der stilistischen Möglichkeiten des Erzählkinos klassischer Prägung. Wenn etwa Clara im strömenden Regen auf ihre zombiefizierte Mutter trifft oder wenn Koldo den verwüsteten, nun von Zombies bevölkerten Tanzsaal vorfindet, dann werden diese Momente nicht zuletzt durch die atmosphärische Licht- und Kameraarbeit zu großem Kino. Der Regisseur spielt mit immer wieder neuen Attacken und Schockmomenten geschickt auf der Klaviatur des Schreckens, die in vergleichbaren Filmen sonst häufig anzutreffende reine Abzählreim-Mentalität wird bei ihm durch eine ausgefeilte Dramaturgie ersetzt: Der Horror ist vor allem deshalb so wirksam, weil „[Rec]³" mit seinen tragisch getrennten Liebenden auch ein gefühlvolles Drama ist.
Mit der Aufgabe des Mockumentary-Stils im Hauptteil des Films ergeben sich auch für die Tonspur neue Optionen. So wird erstmals in den „[Rec]"-Filmen eine eigens komponierte Filmmusik eingesetzt. Der mal melancholische, mal vorwärtstreibende Score von Mikel Salas („Bad Day to Go Fishing") verstärkt die jeweilige Stimmung, ohne zu sehr in den Vordergrund zu geraten. Plaza lässt gekonnt ein gestalterisches Rädchen ins andere greifen und wie es sich für einen selbstbewussten Genre-Regisseur gehört, garniert er sein Werk ganz ungezwungen mit einer Prise selbstreflexivem Humor. Highlights sind dabei der Kinderanimateur der Party, der in einem gelben Schwamm-Kostüm aus Copyrightgründen unter dem Namen „John Sponge" auftreten muss sowie der professionelle Kameramann, der die Hochzeit festhalten soll und von der Firma „Filmax" kommt – der tatsächlichen Produktionsfirma der „[REC]"-Filme.
Bei allen Neuerungen und Veränderungen müssen sich Fans der Reihe keine Sorgen machen, denn „[REC]³" fügt sich trotz allem nahtlos in den Kontext der anderen Filme ein. Das Blut fließt weiterhin in Strömen und selbst bei heftigen Szenen, in denen beispielsweise eine Kettensäge und abgetrennte Gliedmaßen eine wichtige Rolle spielen, wird nicht weggeblendet. Die Spannung ist auf konstant hohem Niveau und auch kleinere Markenzeichen wie der Nachtsichtmodus und Tonstörungen finden ihre Verwendung. Und natürlich spart Plaza nicht mit mehr oder weniger cleveren Verweisen und Anspielungen auf „[REC]" und „[Rec]²".
Fazit: Wer nach „[REC]" und „[Rec]²" offen für einen neuen Ansatz ist, der wird mit einem Zombie-Film der Extraklasse belohnt. „[REC]³ - Genesis" überzeugt vom humorvollen Beginn, über den mehr als blutigen Hauptteil bis zum überraschend emotional geratenen Ende.