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    Heart of America
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    Heart of America
    Von Christoph Petersen

    Er hat es nicht anders gewollt. Im Audiokommentar zu seinem Highschool-Massaker-Drama „Heart Of America“ jammert Regisseur Uwe Boll (Das erste Semester, Alone In The Dark) minutenlang herum, dass Gus Van Sants thematisch sehr ähnlich gelagerter Film Elephant alles Kritikerlob einheimste und sogar in Cannes gleich zwei Hauptpreise mitnehmen durfte, während sein Film, den er persönlich natürlich für viel besser erachtet, ohne große Aufmerksamkeit an Kritik und Publikum vorbeilief. Nach diesem weinerlichen Aufschrei kommt man als Kritiker nun leider endgültig nicht mehr daran vorbei, einen Uwe-Boll-Film (nett ausgedrückt: eine Klasse für sich) und ein äußerst intelligentes Meisterwerk miteinander zu vergleichen. Um es vorweg zu nehmen: ein ungleicher Kampf, der den erwarteten Ausgang nimmt.

    Weil die beiden Schüler Daniel Lyne (Kett Turton, Firewall) und Barry Schultz (Michael Belyea) jahrelang von Ricky (Brendan Fletcher, Die Chaoscamper) und seinen Kiffer-/Sportler-/Schlägerfreunden gequält und gedemütigt wurden, entscheiden sie, sich am letzten Schultag mit illegal organisierten Waffen zu rächen. Aber auch die Geschichten der Opfer dieses Morgens werden angekratzt. So muss sich ein Teenie-Liebespaar zwischen Abtreibung und Heirat entscheiden, Genie Wex Presley (G. Michael Gray, Fantastic Four) beschäftigt sich lieber mit Drogendealen als mit Lernen und Frank (Will Sanderson, Gelegenheit macht Liebe) prahlt vor seinem kleinen Bruder damit, wie er einst eine geistig Behinderte vergewaltigt hat…

    Das Motiv: Gus Van Sant deutet in Elephant jede Menge Motive für den Amoklauf zurückhaltend an, ohne auch nur eines als Grund zu bestätigen – da laufen Hitler-Dokumentationen, die Täter spielen selbstprogrammierte Ballerspiele, die Tatwaffen bestellen sie sich im Internet und sogar eine mögliche unterdrückte Homosexualität wird aufgeworfen. Durch diese Verweigerung, den einfachen Weg von billigen Schuldzuweisungen zu gehen, erteilte er nebenbei auch noch den Medien, die die Schuldigen schon präsentierten, bevor überhaupt klar war, was wirklich passiert ist, eine bittere Schelte. Uwe Boll bezeichnet diese Herangehensweise im Audiokommentar als zu künstlerisch-abstrakt und sinnlosen philosophischen Background, will in „Heart Of America“ lieber handfeste Gründe vorweisen, wie es ja schließlich auch in der Realität der Fall wäre. Da ihm dafür ein wenig Rumschubsen nicht ausreicht, lässt er seine beiden Protagonisten in einer äußerst sadistischen Szene, an der Boll scheinbar viel Spaß gehabt hat, einen Haufen Hundescheiße fressen. Ja, ja, da soll man nicht widersprechen, trotzdem muss man nach dem Motiv zwangsläufig zu dem Ergebnis 1:0 für Elephant kommen.

    Die Opfer: Bei Gus Van Sant wird das Cliquen-System an amerikanischen Schulen kritisch beleuchtet, wobei der Film sich aber nie altbekannten Klischees hingibt, sondern die mediengeschürten Vorurteile intelligent zu brechen versteht. Bei Boll sind die Opfer ein einziges, großes Klischee, mit dem der Regisseur scheinbar seine unterbewussten Phantasien auslebt – immerhin wünscht er im Kommentar vor den abartigsten Handlungen meist Viel Vergnügen. Da gibt es den Teenager, der seiner Freundin, die einfach nicht mit ihm schlafen will, erzählt, wie oft er sie schon betrogen hat und mit wem er es schon alles getrieben hat – Boll sagt dazu: Ein interessanter Subplot, immerhin ist das Verhältnis von Mann und Frau ja noch immer nicht ganz geklärt. ???!!! Auf der anderen Seite versucht sich Boll auch noch daran, einen konstruktiven Beitrag zur Bildungsmisere abzugeben. Da hält Direktor Lewis (Jürgen Prochnow, Chain Reaction, The Da Vinci Code - Sakrileg) dem Kreatives-Schreiben-Lehrer Will Prat (Michael Paré, Bloodrayne, Crash Landing) einen Vortrag über den richtigen Umgang mit Schülern. Dabei hat Prochnow mit seinem Englisch so viele Probleme, dass er zum Schauspielern gar nicht mehr kommt. Und Michael Paré verzichtet von vorneherein auf einen zweiten Gesichtsausdruck. So wirken diese Szenen so lächerlich, dass man gar nicht erst anfängt, über den Sinn oder wahrscheinlichen Unsinn des Gesprächs nachzudenken. Ein sicheres 2:0 für Elephant.

    Der Film: Elephant ist trotz Handkamera und dokumentarischen Bildern ein zurückhaltend, aber grandios inszeniertes Meisterwerk, das sich nie auf eine rein voyeuristische oder spannungsschürende Ebene herablässt. Boll beweist hingegen schon in der allerersten Szene, dass es ihm bei seinen inszenatorischen Spielereien nur darum geht, die Gewalt für einen sinnfreien Spannungsfilm auszuschlachten. Da erschießt Daniel nämlich nicht nur seine Mitschüler, sondern auch die aufzeichnende Überwachungskamera und damit den Zuschauer – billiger geht’s wirklich nicht mehr. Höhepunkt dieser nahezu unübertrefflichen Dummheit ist aber das Ende des Films, das nicht nur mit einem Samstag-Nacht-RTL-II-Low-Budget-Actioner-Massaker daherkommt, sondern tatsächlich noch mit einem Die üblichen Verdächtigen-mäßigen Schlusstwist aufwartet – wie man jemanden Filme machen lassen kann, der ernsthaft der Meinung ist, man müsse bei diesem Thema auch noch mit einer Überraschung zum Schluss für zusätzliche Spannung sorgen, ist genauso unverständlich wie das ganze „Uwe-Boll–Phänomen“ überhaupt. Ein langweiliger 3:0-Sieg, der „Heart Of America“ zu Recht in den bedeutungslosen Abgründen der Filmgeschichte verschwinden lassen wird.

    Ähnlich wie mit Filmen von Ed Wood Jr., der allgemein als schlechtester Regisseur aller Zeiten gehandelt wird, kann es auch durchaus seinen Reiz haben, einen Uwe-Boll-DVD-Abend zu veranstalten, um sich gemeinsam über den Gar-Nichts-Könner aufzuregen – aber „Heart Of America“ sollte man sogar aus dieser Reihe des cineastischen Grauens herauslassen. Er endet nämlich mit Texttafeln, auf denen noch einmal die Amokläufe an US-Schulen der letzten Jahre rekapituliert werden. So macht er endgültig klar, dass er nicht als der billige Müll, der er ist, sondern als wichtiger Film gesehen werden will – und spätestens hier bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Rein filmisch mag „Heart Of America“ Uwe Bolls erträglichster Fehlschlag sein, aber trotzdem ist er von vorne bis hinten vor allem strohdumm und sadistisch – und das ist bei einem Film, der unbedingt als ernsthafter Beitrag zum Columbine-Massaker wahrgenommen werden möchte, natürlich absolut unerträglich. Wie sagt Boll im Audiokommentar kurz bevor das Massaker beginnt doch so schön: „Ja, jetzt kommt noch das Massaker und dann ist der Film zu Ende. … Ich wünsche viel Vergnügen. … Tschüs.“

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