Der Titel klingt nicht zufällig spielerisch. Wie Schachfiguren werden die Agenten in Tomas Alfredsons Spionagedrama „Dame, König, As, Spion" in Stellung gebracht, vom Feld gestoßen oder ausgetauscht. Doch was an der Oberfläche wie ein britisch-unterkühltes Duell unter Gentlemen wirken könnte, ist in Wahrheit ein eiskaltes, tödliches Spiel, in dem alle immer unter Hochspannung stehen. Und Regisseur Alfredson hat bei seiner John-le-Carré-Verfilmung ein weiteres Ass im Ärmel, das sich auch bei der nächsten Oscar-Verleihung als Trumpf erweisen könnte: seine von Gary Oldman angeführte herausragende Besetzung.
Anfang der 1970er Jahre ist der Kalte Krieg in vollem Gange: Der britische Geheimdienstchef, den alle nur unter dem Namen Control (John Hurt) kennen, vermutet einen sowjetischen Maulwurf in den eigenen Reihen und schickt den Agenten Jim Prideaux (Mark Strong) in geheimer Mission nach Budapest. Ein ungarischer General soll bereit sein, die Identität des Verräters zu enthüllen. Doch die Aktion schlägt fehl und Control wird entmachtet. Nur dessen rechte Hand George Smiley (Gary Oldman) geht der Sache gemeinsam mit dem jungen Peter Guillam (Benedict Cumberbatch) weiter nach. Der Schlüssel scheint bei einem Manöver des Agenten Ricki Tarr (Tom Hardy) in Istanbul zu liegen, der versuchte seine Geliebte, die sowjetische Spionin (Svetlana Khodchenkova), die den Maulwurf kennt, nach England zu bringen. Aber bereits dieses Unterfangen wurde von oberer Stelle vereitelt. Wer ist der verräterische Insider? Die Topspione Percy Allenine (Toby Jones), Roy Bland (Ciarán Hinds), Bill Haydon (Colin Firth), Esterhase (David Dencik) oder am Ende doch George Smiley persönlich?
Der aufmerksame Betrachter wird recht schnell ahnen, wer der gesuchte Doppelagent ist, als Whodunit taugt „Dame, König, As, Spion" angesichts der so berühmten Romanvorlage und der fast ebenso bekannten BBC-Miniserie von 1979 aber ohnehin nur bedingt. Dennoch gibt es durchaus Momente von Krimispannung, etwa wenn Guillam für Smiley geheime Dokumente aus dem Hauptquartier des „Circus" (so heißt die wichtigste aller geheimen britischen Dienststellen im Le-Carré-Jargon) stehlen will. Die wesentlichen Thrills kommen in diesem im besten Sinne altmodisch inszenierten Spionagedrama aber anders zustande, nicht umsonst verkörpert George Smiley das genaue Gegenteil von Spionen wie James Bond oder Jason Bourne. Action gibt es hier keine, aber dafür packende Rededuelle und Täuschungsmanöver.
Der Schwede Tomas Alfredson ist bei diesem durch und durch britischen Stoff keine naheliegende Wahl für den Regieposten, aber er hat mit seinem Teenager-Vampir-Drama „So finster die Nacht" bewiesen, dass er einen außergewöhnlichen Sinn für sprechende Einzelheiten besitzt. Genau dieses delikate Miteinander von Atmosphäre und Figurenzeichnung ist auch eine der großen Stärken von „Dame, König, As, Spion". Die 70er Jahre werden so in der Ausstattung, den Kostümen und Frisuren lebendig, ohne dass die Detailversessenheit etwas Dekoratives hätte, denn Alfredson hält die innere Spannung stets hoch. Dafür konzentriert er sich auf die inneren Geheimdienstzirkel seiner Protagonisten, die politische und weltanschauliche Dimension des Kalten Kriegs spielt absichtsvoll keine große Rolle.
Natürlich kann ein zweistündiger Kinofilm kaum die thematische Tiefe und Komplexität eines 400-Seiten-Romans erreichen und die Fans von Buch und TV-Serie mögen das ein oder andere vermissen. Aber die Drehbuchautoren Bridget O'Connor, Peter Straughan und Regisseur Tomas Alfredson haben aus der Not eine Tugend gemacht und die verschlungene Vorlage trotz einiger Zeitsprünge in ein geradlinig erzähltes und besonders in der letzten halben Stunde sehr intensives Drama verwandelt, das durch die Konzentration aufs Wesentliche besticht. Anstatt Unmengen von Nebenhandlungen und –figuren aufzubieten, gibt Alfredson den Akteuren Zeit und Raum zur Entfaltung und die Darsteller zahlen es ihm mit Glanzleistungen zurück.
Nicht jede kleine Nebenrolle kommt in gleicher Weise zur Geltung, aber Klasseschauspieler wie John Hurt („Der Elefantenmensch") und Ciaran Hinds („München") holen auch aus Miniparts das Maximale heraus, das Gleiche lässt sich von Mark Strong („Sherlock Holmes") und Oscar-Preisträger Colin Firth („The King's Speech") sagen, deren Auftritte auch recht knapp ausfallen. Besonders Letzterer zeigt wieder einmal, dass er in kürzester Zeit einen ebenso vielschichtigen wie faszinierenden Charakter lebendig werden lassen kann. Neben den Profis in der zweiten Reihe profilieren sich zwei jüngere, aber längst anerkannte Schauspieler und profitieren von ihren etwas stärker ausgearbeiteten Rollen: Tom Hardy („Inception") zeigt als Draufgänger zwischen den Fronten als einer der wenigen so etwas wie Gewissen und Benedict Cumberbatch („Sherlock") nutzt ebenfalls die Gelegenheit zu zeigen, dass Spione auch Menschen sind.
Die Gefühlsduseleien bleiben scheinbar dem Nachwuchs überlassen, die alte Garde lässt sich dagegen nichts anmerken – und der perfekte Spion ist in diesem Sinne der undurchdringliche und stets professionelle George Smiley. Gary Oldman („Bram Stoker's Dracula") macht den Vergleich mit dem legendären Fernseh-Smiley von Alec Guinness („Die Brücke am Kwai") irrelevant und könnte für seine Meisterleistung endlich seine längst verdiente erste Oscar-Nominierung erhalten. Auf den ersten Blick erscheint seine unterkühlt-präzise Darbietung eintönig zu sein, aber wer genauer hinschaut, sieht die Anstrengung, die es kostet, die Fassade aufrechtzuerhalten. In einer auch inszenatorisch gelungensten Sequenzen des Films, in der Smiley wachträumt, dass die Kollegen auf der Weihnachtsfeier inbrünstig ausgerechnet die sowjetische Hymne anstimmen, braucht Oldman dann gar nicht viel zu tun, um die existentielle Erschütterung dieses Kalten Kriegers mit gar nicht so kaltem Herzen zum Ausdruck zu bringen.
Fazit: Tomas Alfredsons atmosphärisches Agentendrama ist die mustergültige Verfilmung eines Romanklassikers mit formidabel aufspielenden Stars im halben Dutzend.