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    Tomb Raider
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tomb Raider
    Von Christoph Petersen

    Nach neun Teilen der Hauptserie wurde die 1996 gestartete Videospielreihe „Tomb Raider“ im Jahr 2013 mit einem ebenfalls schlicht „Tomb Raider“ betitelten Reboot fit für die nächste Gamer-Generation gemacht. Statt um eine erfahrene Abenteuerin geht es darin um die 21 Jahre junge Nachwuchsarchäologin Lara Croft, die erste Erfahrungen als Forscherin sammelt. Diese Frischzellenkur kam offenbar auch bei den Spielern sehr gut an, denn mit etwa elf Millionen verkauften Einheiten mauserte sich der Neustart zum erfolgreichsten Teil der gesamten Reihe. Eine frische Lara Croft plus ein solch neu entfachtes Interesse seitens der Spielerschaft? Damit war natürlich der perfekte Zeitpunkt gekommen, um nach den zwei Angelina-Jolie-Blockbustern von 2001 und von 2003 auch die Kinoversion der wohl ikonischsten aller Videospielheldinnen einer Reboot-Behandlung zu unterziehen.

    Und tatsächlich: Trotz des Ausstiegs der für den Part sicherlich auch gut geeigneten Daisy Ridley, die wegen ihrer Verpflichtungen für „Star War 9“ absagen musste, haben die Verantwortlichen mit der Oscarpreisträgerin Alicia Vikander („Ex Machina“, „The Danish Girl“) eine in jeder Hinsicht hervorragend passende Hauptdarstellerin gefunden, die aus Lara Croft eine zeitgemäße Actionheldin für das Jahr 2018 macht. Nur ist es dem Regisseur Roar Uthaug („The Wave – Die Todeswelle“) und seinen Drehbuchautoren Geneva Robertson-Dworet („Captain Marvel“) und Alastair Siddons („Das Gesetz der Familie“) leider nicht gelungen, ihrer überzeugenden Protagonistin in „Tomb Raider“ auch noch ein angemessenes Leinwandabenteuer auf den Leib zu schneidern.

    Sieben Jahre ist es inzwischen her, dass Lord Richard Croft (Dominic West) bei einer Expedition spurlos verschwunden ist. Trotzdem hat sich seine Tochter Lara Croft (Alicia Vikander) seitdem standhaft geweigert, ihn für tot erklären zu lassen, weshalb sie auch nicht an sein unermessliches Vermögen rankommt, sondern sich als Fahrradkurierin in London finanziell gerade so über Wasser hält. Erst als das väterliche Anwesen Croft Manor unter den Hammer zu kommen droht, willigt Lara schließlich doch noch ein, das entsprechende juristische Dokument zu unterschreiben. Allerdings erhält sie in diesem Moment vom Familienanwalt Mr. Yaffe (Derek Jacobi) auch ein altes japanisches Puzzle, das Lara noch im Besprechungsraum innerhalb weniger Sekunden löst und das sie schließlich auf die sagenumwobene Insel Yamatai im Pazifik führt, wo ihr Vater damals anscheinend bei seinen Forschungen verschollen ist…

    Gleich in der allerersten Szene sehen wir Lara beim Kickboxtraining – und zwar wie sie von ihrer Sparringspartnerin Rose (Annabel Elizabeth Wood) ziemlich übel vermöbelt wird. Auch im Pfandhaus lässt sie sich kurz darauf von dem schmierigen Max (Nick Frost) beim Verkauf eines antiken Amuletts leicht über den Tisch ziehen, während sie jedes Pfund zwei Mal umdrehen muss, weil sie mit dem Essenausfahren kaum mehr als den Mindestlohn verdienen dürfte. Die neue Lara Croft ist eben nicht länger eine omnipotente weibliche Version von 007, wie es noch bei der Interpretation von Angelina Jolie der Fall war, sondern eine zwar extrem talentierte, aber längst noch nicht ausgelernte Nachwuchsabenteurerin, die auch öfter mal auf die Schnauze fällt.

    Das macht die Figur erst einmal spannend, zumal Alicia Vikander diese Unfertigkeit auch perfekt verkörpert: Zwar hätte man der zartgebauten Schwedin ein solche Kickass-Rolle vorab gar nicht unbedingt zugetraut, aber sie hat sich in der Vorbereitung sogar derart viele Muskeln drauftrainiert, dass man es ihr nun sogar abkauft, wenn sie an einer Stelle das Gesicht eines bestimmt doppelt so schweren Handlangers vom Typ Bodybuilder solange in eine Schlammpfütze drückt, bis er nicht einmal mehr zuckt. Trotzdem muss Lara auch nach der Kickbox-Demütigung zu Beginn im Verlauf der Handlung weiterhin eine ganze Menge einstecken, was sich auch in ihrem zunehmend von Bandagen, Schrammen und Wunden geprägten Äußeren widerspiegelt.

    Allerdings bleibt es größtenteils bei diesen äußeren Manifestationen. Man sieht die Schrammen, aber man fühlt sie nicht. Anders als etwa bei Bruce Willis in „Stirb langsam“, wo man jede einzelne Glasscherbe an seinen eigenen Füßen zu spüren glaubt, gelingt es Roar Uthaug viel zu selten, seinen Actionszenen die nötige Körperlichkeit zu verleihen. Und damit meinen wir gar nicht mal in erster Linie, dass das zugrundeliegende Spiel noch ab 18 Jahren freigegeben war, während die Verfilmung nun sogar eine FSK ab 12 bekommen hat. Vielmehr leiden die Actionszenen abgesehen von einem sehenswerten (weil handgemachten) Fahrradrennen durch die stark befahrene Londoner City ganz allgemein an schwachen CGI-Effekten, die den zerschellenden Schiffen, auseinanderbrechenden Rostflugzeugen und einstürzenden Grabkammern leider jegliches Gewicht rauben.

    Wenn Lara mit einem zerlöcherten Fallschirm durch die Gipfel eines dichtbewachsenen Waldes hindurch abstürzt und schließlich auf dem Boden aufschlägt, dann wirkt das fast so, als würde Vikander auf den letzten paar Metern vor dem Aufprall von einem Computer ausgespuckt. Nun wurde der Norweger Roar Uthaug ja sicherlich auch deshalb angeheuert, weil es ihm in dem Tsunami-Drama „The Wave“ mit einem verhältnismäßig geringen Budget gelungen ist, wahrhaft beeindruckende Computeranimationen zu erschaffen. Im Fall von „Tomb Raider“ hätten aber unbedingt noch zehn bis zwanzig Millionen Dollar mehr in Richtung der Effektabteilung fließen müssen.

    Aber es ist nicht nur das Fehlen des Eindrucks von Gewicht und Schwere, das uns an den Zerstörungssequenzen stört. Abgesehen vom Fahrradrennen fallen die Actionszenen auch allesamt arg generisch aus, womit sie sich einer Story anpassen, die ebenfalls so gar nichts Erinnernswertes an sich hat. Egal ob der Weg nach Yamatai, die bleihaltigen Auseinandersetzungen auf der Insel oder eine ausgedehnte Grabkammermission im finalen Drittel – all das entpuppt sich als „Indiana Jones“-Plot nach Schema F ohne Witz, Charme und Spannung. Oder anders gesagt: „Tomb Raider“ ist leider ein ziemlich ödes Abenteuer. Wobei neben Vikander zumindest noch Walton Goggins („Ant Man And The Wasp“) als Bösewicht überzeugt, während der Rest des Cast völlig blass bleibt. Vor allem Dominic West („The Wire“) ist als Lord Croft eine harsche Enttäuschung.

    Gamer haben hier zumindest den Vorteil, dass sie den vielen Leerlauf nutzen können, um nach den zahlreichen Anspielungen auf die Videospielreihe Ausschau zu halten. Davon gibt es nämlich reichlich, auch wenn wir euch an dieser Stelle lieber kein einziges Beispiel nennen wollen, schließlich ist diese Easter-Egg-Suche häufig das einzige Vergnügen, das einem bei dieser müden Blockbuster-Expedition noch bleibt.

    Fazit: Alicia Vikander macht aus Lara Croft eine zeitgemäße Actionheldin, die allerdings in ein Abenteuer geschmissen wird, das sicherlich auch schon zum Release des ersten Teils der Videospielreihe vor 22 Jahren altbacken gewirkt hätte. Deshalb ist „Tomb Raider“ nun auch einer der seltenen Filme, von dem wir uns unbedingt eine Fortsetzung wünschen, obwohl uns der erste Teil nicht sonderlich gut gefallen hat – das Potential für einen richtig guten „Tomb Raider“-Film mit Alicia Vikander ist nämlich definitiv vorhanden.

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