Das Genrekino der Siebzigerjahre ist im modernen Horrorgeschäft präsenter denn je. Neben viel Müll wie Freitag, der 13., Texas Chainsaw Massacre oder When A Stranger Calls spülte diese Welle auch Perlen wie The Hills Have Eyes, The Amityville Horror, Dawn Of The Dead oder Halloween auf die Leinwände. Breck Eisners postapokalyptischer Epidemie-Horror-Thriller „The Crazies“ überführt George A. Romeros gleichnamige Zombie-Vorlage aus dem Jahr 1973 in die Neuzeit. Und zur allgemeinen Überraschung gelingt Eisner tatsächlich ein Kabinettstückchen. Sein krachend-atmosphärischer „The Crazies“ fügt dem Genre zwar kaum neue Facetten hinzu und setzt stattdessen auf die gängigen Standards, begeistert aber dennoch durch seine famos-dichte Inszenierung.
Im US-Bundesstaat Iowa zieht das Grauen in das Kaff Ogden Marsh ein. Der Redneck Rory (Mick Hickman) taumelt apathisch mitten in ein Baseballspiel. Die geladene Wumme in der Hand, bedroht er Akteure wie Zuschauer. Sheriff David Dutton (Timothy Olyphant) und sein Deputy Russell Clank (Joe Anderson) greifen ein und versuchen, Rory zur Vernunft zu bringen. Vergeblich: Der zieht seine Waffe, aber Dutton ist schneller und tötet sein Gegenüber in Notwehr. Doch das ist nur der Auftakt zu einer Reihe von schockierenden Ereignissen. Immer mehr Bewohner Ogden Marshs verwandeln sich in emotionslose, von Blutergüssen übersäte Bestien, die ihren Mitbürgern nach dem Leben trachten. Rasch breitet sich eine Epidemie aus, die in den Sümpfen vor der Kleinstadt ihren Ursprung hat. Dort, wo die Einwohner ihr Trinkwasser beziehen, havarierte ein Militärflugzeug mit brisanter Ladung. Als die Regierung Soldaten schickt, um Quarantäne-Einheiten zu errichten, eskaliert die Situation. Auf offener Straße werden Menschen erschossen. Sheriff Dutton schleicht sich mit Deputy Clank in die Sperrzone, um seine eingelieferte Frau Judy (Radha Mitchell) zu befreien. Zusammen mit deren Arbeitskollegin Becca (Daniele Penabaker) fliehen sie inmitten des allgemeinen Chaos…
Obwohl damals noch mit wenig Erfahrung ausgestattet, bekam Breck Eisner, Sohn von Ex-Disney-CEO Michael Eisner, anno 2005 sagenhafte 160 Millionen Dollar in den Brustbeutel gesteckt, um seinem Action-Abenteuer Sahara zwar einen gewissen trashigen Charme zu entlocken, aber an der Kinokasse brutal zu versanden. Normalerweise erholt sich ein Regienovize von einer solchen Schmach nicht wieder. Doch Eisner ist zäh. Im US-Kino schreibt er mit dem nur zwölf Millionen Dollar teuren „The Crazies“ satt-schwarze Zahlen, so dass Hollywoods Buchhaltern im Angesicht seines geplanten Flash Gordons-Remakes zumindest ein wenig Blut in die kalten Füße geschossen sein wird. Doch das ist alles Erbsenzählerei. Die viel wichtigere Erkenntnis aus „The Crazies“: Eisner ist in der Lage, aus einem wenig originellen Stoff dank seiner konzentriert-verdichteten Inszenierung etwas richtiges Packendes zu zaubern.
Der politische Kontext von Romeros Original wird nonchalant links liegen gelassen und nahezu komplett ignoriert. Interessant ist diese Auslassung aber dennoch, da die Perspektive des Militärs konsequent ausklammert und die Armee somit zur nicht fassbaren Bedrohung aufgebaut wird. Dazu schafft Eisner das, was einem der Gottväter des Horrors in der Vorlage nicht gelang: Sein „The Crazies“ ist höllisch spannend, atmosphärisch dicht und unglaublich straff erzählt. Dabei greifen die Mechanismen erst nach und nach. Die Exposition im ländlichen Arbeitermilieu Iowas verläuft noch in recht konventionellen Genrebahnen, ist aber in der Form wichtig für die Entwicklung, weil das Publikum effektiv auf die vier Hauptcharaktere eingeschworen wird. Im Gegensatz zum üblichen 08/15-Teeniehorror, wo die Protagonisten zumeist zu Frischfleischopfern degradiert werden, ist das Quartett aus „The Crazies“ so authentisch und sympathisch, dass ihr Schicksal tatsächlich berührt. Im Ton ist der Film gerade zu Beginn Stephen King näher als klassischem Horror, doch der erste Akt ist flott abgehandelt und Eisner setzt bald die Daumenschrauben an, um sie immer fester zuzuziehen. Der Goregehalt fällt stattlich aus, Rücksicht auf ein PG-13-Rating in den USA wird nicht genommen. Die Odyssee der Vier erinnert an das vergleichbare Szenario aus Carriers, allerdings presst Eisner aus seiner Story mehr Tempo, verhandelt im Vorbeigehen noch amerikanische Befindlichkeiten und stellt durch seinen Szenenaufbau die Frage, ob das Wohl eines Einzelnen in der Krise über dem aller steht. Trotz des Actionanteils baut „The Crazies“ eine bedrohliche Atmosphäre mit Anleihen an Die Körperfresser kommen auf.
Der dank Hitman und Stirb langsam 4.0 Action-erfahrene Timothy Olyphant führt die Kampfgruppe als Sheriff Dutton an und schafft es dabei, seine Figur genau im Lot zu halten. Dutton ist nicht zu heroisch, waffenstrotzend und dementsprechend überlebensgroß, sondern ein guter Kerl, der das Schicksal in die Hand nimmt, ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. An seiner Seite zeigt Radha Mitchell (Melinda und Melinda, Surrogates), dass sie im Horrorfach doch nicht so fehl am Platz ist, wie es Silent Hill einst vermuten ließ. Die Australierin ist als schwangere Ärztin Judy Dutton tough, weckt aber dennoch Beschützerinstinkte, während Danielle Penabaker (Mr. Brooks) vorwiegend Sidekickaufgaben übernimmt. Der heimliche Star des Films ist jedoch Joe Anderson (Love Happens, Ruinen), weil er seinen Deputy Clank als richtig coole Sau gibt und das Klischee des Zuarbeiters aus der zweiten Reihe immer wieder konterkariert, indem er die eindrucksvollsten Nadelstiche setzt.
Fazit: „The Crazies“ überzeugt als straighter, zynischer Epidemie-Reißer, der durch Breck Eisners kraftvolle, punktgenaue Regie zu einem kleinen Genrehighlight auswächst und bis zum wahrlich spektakulären Finale wie aus einem Guss wirkt. Wer mit Bangen auf die kommende „Flash Gordon“-Neuverfilmung blickte, darf sich nach „The Crazies“ zunächst beruhigt zurücklehnen. Eisner hat es einfach drauf!