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    Otto; or, Up with Dead People
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Otto; or, Up with Dead People
    Von Christian Horn

    Bruce La Bruce ist ein Filmemacher, der mit jedem seiner Werke das Publikum polarisiert; zwischen Hass und Verehrung mäandern die Meinungen. Nicht zufällig zog er mit Jörg Buttgereit („Nekromantik“, „Schramm“) für den Fernsehsender arte „Durch die Nacht…“ – beide Filmemacher eint die Produktion weitab des Mainstreams und ohne Rücksicht auf den Geschmack der Masse oder gesellschaftliche Tabuthemen. Beide schaffen kontroverse, verstörende Filme, die auf den Magen schlagen und oft nur schwer erträglich sind. Im Gegensatz zu Buttgereit zählt La Bruce allerdings zu den Vertretern des „New Queer Cinema“. Daher gehören pornographische Szenen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ebenso selbstverständlich zu seinen Filmen wie eine schonungslose Kritik an gesellschaftlichen Gegebenheiten. Sein neuer Film, „Otto; Or Up With Dead People“, lief 2008 im Panorama der Berlinale und spaltete erwartungsgemäß auch dort das Publikum. Während die einen Parallelen zu Andy Warhol zogen, verließen die anderen frühzeitig den Kinosaal. Ein wenig unverständlich ist das ganze Aufsehen schon, denn letztlich ist Bruce La Bruces Film doch nur ein ambitionierter, hoffnungslos überladener Trashfilm, dem man sein geringes Budget deutlich ansieht. Und ein wenig langweilig ist er auch noch, trotz blutiger Gore-Effekte.

    Seinen Ausgang nimmt der Film auf einer verlassenen Landstraße. Dort begegnen wir einem jungen Mann namens Otto (Jey Crisfar), der als Untoter orientierungslos durch die Gegend stolpert. Seine Kleidung ist schmutzig und er ernährt sich von herumliegenden Kaninchenkadavern. Per Anhalter gelangt er nach Berlin, wo er auf der Straße lebt und recht bald die Neugier der lesbischen Underground-Filmerin Medea Yarn (Katharina Klewinghaus, Regie: Science Of Horror) weckt. Diese arbeitet gerade an der Fertigstellung eines politischen Pornos mit schwulen Zombies mit dem Titel „Up With Dead People“; und da passt unser Otto natürlich ganz hervorragend rein. Da er selbst ein Untoter ist, was dem Filmteam erst nach und nach dämmert, kann er die ihm angedachte Rolle mit Bravour meistern. Während der Dreharbeiten blitzen in Otto allmählich Erinnerungen an sein vergangenes Leben auf, er erinnert sich an seine Anstellung bei einem Fleischer und an seinen Ex-Freund, mit dem er schließlich ein Treffen arrangiert.

    Bruce La Bruce inszeniert diese Geschichte mit einer HD-Kamera (den Film-im-Film dreht er auf 16mm) und ohne Beleuchtung oder dergleichen. Die Bilder wirken daher sehr unfertig und holprig, was nicht jedem gefallen wird. Die Wechsel zwischen Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen und die postmoderne Vermischung verschiedener Stile sind auf ihre Art und Weise zwar interessant, wirken aber oft viel zu aufgesetzt. Man kann richtig spüren, wie La Bruce am Schneidetisch möglichst viele stilistische Grenzgänge in sein Rohmaterial reinpacken wollte. Auf der Tonspur bombardiert La Bruce den Zuschauer mit teilweise nervenzerrenden Loops, mit Geschrei, Lärm und Pamphleten, die seine Figur Medea Yarn vorträgt, insgesamt bietet der Sound des Films „eine Verschmelzung von Moderne, Avantgarde, Elektro, Noise, Neogothic und romantischem Pop“ (Bruce La Bruce). Die Erzählung wechselt zwischen der Film- und der Film-im-Film-Ebene. Wobei erstere mal den Weg Ottos verfolgt, mal den der Regisseurin Medea Yarn und zwei ihrer Wegbegleiter. Dabei werden so viele Themen angerissen, dass am Ende nicht viel übrig bleibt: Bruce La Bruce verurteilt die Wegwerf-Gesellschaft, greift den allgemeinen Konsumwahn an, die Intoleranz gegenüber Homosexuellen, die Entmenschlichung der Sexualität, das gedankenlose Vor-sich-hin-Leben der Menschen, gibt Querverweise auf Aids und einiges mehr. Letztlich bemüht er seine Zombie-Metapher als große Kritik an der Gesellschaft, deren Mitglieder ebenso gedankenlos und untot wie Otto leben. Und ob der nun wirklich einen Untoten vorstellt oder sein Verhalten nur dieser Metapher geschuldet ist, lässt der Film im Unklaren.

    Diese generelle Kritik an der Gesellschaft ist nicht neu und auch nicht weiter aufsehenerregend, sondern eher recht plakativ. Was „Otto; Or Up With Dead People“ seinen eigenen Anstrich gibt, ist seine unkonventionelle Machart. Sein konsequentes Bekenntnis zum Unperfekten, zum Uneingängigen und Verstörenden. Interessant an Bruce La Bruce Film ist die Vermischung verschiedener Genres: Der Underground-Filmer bedient sich bei Motiven des Zombiefilms, der kommerziellen Pornographie und des Trashfilms, wobei er das alles mit einer Prise Humor verquirlt. Daher ist sein Film auch einer über diese verschiedenen Genre-Versatzstücke. Darüber hinaus gefällt das Porträt Berlins, das einen ganz anderen Blick auf die Stadt entwirft, als den gewöhnlichen.

    „Otto; Or Up With Dead People“ überrascht zwar immer mal wieder mit sehr poetischen, schönen Szenen und die ganz eigene Machart, die sich gängigen Bewertungsschemen oder einer generellen Kategorisierung entzieht, kann aber über seine gesamte Laufzeit nur schwer das Interesse des Zuschauers behalten. Inhaltlich zu vollgestopft und inszenatorisch zu sperrig, verpufft La Bruces ambitionierte Gesellschaftskritik im Endeffekt im Leeren. Ein bisschen weniger wäre in diesem Fall wohl mehr gewesen.

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