Ob nun tatsächlich der auf dem Poster als Regisseur genannte Tobe Hoober („The Texas Chainsaw Massacre“) die kreativen Zügel in der Hand hielt oder doch eher der damals am Set omnipräsente Produzent Steven Spielberg, ist zwar bis heute nicht restlos geklärt, aber eines ist dennoch sicher: „Poltergeist“ gilt zu Recht als einer der großen Horrorklassiker der 1980er Jahre – und das liegt vor allem an seinen einfallsreichen handgemachten Spezialeffekten. Im von Sam Raimi produzierten Remake kommt nun hingegen jede Menge Computermagie zum Einsatz – und auch wenn Regisseur Gil Kenan wie schon in seinem Debüt „Monster House“ erneut ein feines Händchen für visuell aufregende Inszenierungskniffe beweist, ist das in diesem Fall einfach weit weniger gruselig. Zwar gibt es einige geschickt platzierte Schockeffekte, aber eine durchweg packende Schaueratmosphäre kommt in der Neuauflage nicht auf.
Weil Eric Bowen (Sam Rockwell) seinen Job verloren hat, muss er mit seiner Familie in eine Wohnsiedlung umziehen, in der die Hauspreise wegen vieler Zwangsvollstreckungen gerade erschwinglich geworden sind. Während Eric und seine Will-ein-Buch-schreiben-aber-kommt-nie-dazu-Frau Amy (Rosemarie DeWitt) vornehmlich ihre finanziellen Sorgen im Kopf haben und nichts Besonderes bemerken, stellt ihr Sohn Griffin (Kyle Catlett) schnell fest, dass in dem neuen Heim irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht: Wenn man den Knauf vom Kleiderschrank anfasst, stehen einem augenblicklich die Haare zu Berge, und die auf dem Dachboden versteckten Clownspuppen sind auch ziemlich gruselig. Doch richtig los geht der Spuk erst, als die kleine Madison (Kennedi Clements) eines Nachts vor dem Fernseher steht und aus dem flimmernden Flachbildschirm scheinbar fremde schwarze Hände nach ihr greifen. Ihre knappe Erklärung: „Sie sind hier…“
„Paranormal Activity“ und „The Conjuring“ haben gezeigt: Wer sein Publikum wahrhaft schocken will, der sollte auch im 21. Jahrhundert noch auf möglichst handgemachten Schrecken setzen. Klar ist die Attacke des Weidenbaumes nun im Remake viel größer und spektakulärer, aber auf Jahre in Erinnerung bleiben wie die von einem furchterregenden Baum aus Steven Spielbergs Kindheit inspirierte Szene im Original wird sie kaum – sie ist hier eben letztendlich nur ein CGI-Moment unter vielen. Ein weiterer Grund, warum der 2015er „Poltergeist“ nicht durchgehend gruselt, sondern nur in einzelnen Szenen schockt, ist das extrem gestraffte Tempo: Trotz nahezu identischer Handlung ist das Remake 20 Minuten kürzer als das Original – und das liegt vor allem daran, dass sich die Macher dieses Mal weniger Zeit lassen, um die Spannungsschraube langsam anzuziehen und lieber direkt in die Vollen gehen. Das wiederum hat auch eine gute Seite: Gil Kenans Spukhaus-Update ist vielleicht nicht ganz so atmosphärisch, aber dafür definitiv extrem kurzweilig.
Nachdem uns schon die innovative Animation des Spukhauses in „Monster House“ ziemlich begeistert hat, lässt sich Regisseur Gil Kenan auch nach seinem Wechsel ins Realfilmfach wieder eine ganze Reihe visueller Leckerbissen einfallen, die zwar nicht unbedingt Angst einjagen, aber uns zumindest zum Staunen bringen. Dazu gehören einige clevere ausgedehnte Kamerafahrten und vor allem die aktualisierte Hände-im-Fernseher-Szene, die auch mit einem röhrenlosem Flachbildschirm kaum an Faszination verloren hat. Und dann ist da ja auch noch der größte Trumpf des Films: „Iron Man 2“-Bösewicht Sam Rockwell („Moon“). Mit dem für ihn typischen trockenen Humor mimt er den perfekten Familienvater: Während er in der ersten Hälfte einfach megacool ist, berührt sein späterer verzweifelter Kampf um seine Tochter einen tatsächlich, was im modernen Horrorkino eher selten vorkommt. Dass wir seiner dämonengeplagten Familie so sehr die Daumen drücken, ist zu einem großen Teil das Verdienst von Rockwell. Da hätte auch Tom Cruise, der zwischenzeitlich mal für die Rolle im Gespräch war, nicht mithalten können.
Fazit: Das Original war 1982 eine kleine Revolution. Gil Kenans Remake ist nun zumindest ein kurzweiliger Spukhaus-Horror mit einer ganzen Reihe cooler visueller Spielereien und einem herausragenden Sam Rockwell.