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    Free Rainer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Free Rainer
    Von Christoph Petersen

    „Frauentausch“, „Der Requardt“, „Schwiegerschreck – Willkommen in meiner Familie“, „Schicksalsreportage – Zwei Mädchen in einem Körper“ oder „Das große Promi-Pilgern“ – unangenehmes Trash-TV besetzt immer mehr Sendeplätze und prägt so das Bild der deutschen Fernsehlandschaft maßgeblich. Doch welche Auswirkungen haben diese Müllprogramme eigentlich auf ihre Zuschauer und auf die Gesellschaft insgesamt? Eine interessante Frage, der Regisseur Hans Weingartner in seiner Mediensatire „Free Rainer“ nun nachzugehen versucht: Ein erfolgreicher Trash-Produzent erwacht aus seinem Quotenwahn und kämpft fortan gegen das von den Zuschauerzahlen unterjochte System. Dabei erweisen sich die augenzwinkernden Spitzen nur zum Teil als unterhaltsam. So bleibt „Free Rainer“ klar hinter Weingartners überragendem Vorgänger Die fetten Jahre sind vorbei zurück, da die Pointen diesmal altbacken und die Charaktere unerwartet blass und uninspiriert daherkommen.

    „Hol’ dir das Superbaby“, eine Art „Herzblatt“-Show, bei der die Spermienqualität über den Gewinner entscheidet, ist sein größter Erfolg – mit Unterschichtenfernsehen der stumpfsinnigsten Sorte scheffelt TV-Produzent Rainer (Moritz Bleibtreu) Kohle, Quote und Ansehen ohne Ende. Vollgekokst liegt ihm die Welt zu Füßen. Als ihm jedoch eine junge Frau (Elsa Sophie Gambard) mit voller Absicht in die Seite fährt, weil eines seiner Programme ihren Großvater in den Selbstmord getrieben hat, beginnt Rainer umzudenken. Mit dem anspruchsvollen Format „Dinge, die Menschen wissen sollten“ will er sich als besserer Mensch profilieren, doch die intellektuelle Sendung erweist sich als der quotentechnische Supergau. Für Rainer ist diese Pleite nicht zu akzeptieren und so erforscht er die Herkunft der Quoten – lediglich 5.000 ausgewählte Haushalte liegen den Werten zugrunde, die von der Firma IMA ermittelt werden. Zunächst glaubt Rainer an eine große Verschwörung, doch bei seinen Recherchen muss er feststellen, dass die Menschen wirklich nur Müll sehen, die Quoten also stimmen. Doch so leicht gibt Rainer nicht auf: Er mietet sich in einem leerstehenden Dorfhotel ein, besorgt sich einen Haufen Arbeitsloser und beginnt seinerseits, die TV-Quoten zu manipulieren. Fortan werden Rainer-Werner-Fassbinder-Retrospektiven und ambitionierte Dokumentationen - zumindest was die offiziellen Quoten angeht – zu absoluten Erfolgsformaten. Mit ungeahnten Folgen für Deutschland...

    „Free Rainer“ wartet mit zwei absolut grandiosen Szenen auf: Zum einen der Eröffnungssequenz, in der Rainer einen seinen Porsche zuparkenden Polizeiwagen wegrammt, mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit durch die Berliner Innenstadt rast, sich dabei mit Wodka vollaufen lässt und mit seiner Pistole auf andere Autofahrer zielt. Als er dabei schließlich auf einen anderen Wagen auffährt, aus dem daraufhin drei Schlägertypen aussteigen, greift Rainer sofort zu seinem Baseballschläger und geht auf die Glatzen los. Ein radikaler Kickstart! Programmchef Maiwald (Gregor Bloéb) wird von Senderboss Gründgens (Peer Jäger) gefeuert, woraufhin Maiwald sich Gründgens City-Scooter krallt und hocherhobenen Hauptes aus dessen turnhallengroßem Büro rollt. Subtil und urkomisch! Doch diese Qualitäten – Radikalität, Subtilität und Komik – sucht man ansonsten häufig vergeblich. Viele der Pointen sind entweder platt oder werden dem Zuschauer mit einer solchen Zudringlichkeiten entgegengebracht, dass dieser eigentlich keine Lust mehr hat, über sie zu lachen. Nebenbei machen die Quotenmanipulationen - auch innerhalb der Filmrealität – keinen rechten Sinn: Nachdem knapp ein Zehntel der mit Quotenboxen bestückten Haushalte „befreit“ wurden, reduzieren die TV-Rebellen die Zuschaueranteile eines Senders von ungefähr zwanzig auf unter fünf Prozent – was natürlich unmöglich ist! Sicherlich kein wirklich kapitaler Fehler, muss aber nicht sein und reißt einen doch kurzzeitig aus dem Leinwandgeschehen heraus.

    Die fetten Jahre sind vorbei funktionierte deshalb so hervorragend, weil in ihm zwei Qualitäten aufeinander prallten: Hier ergänzten sich bissige politische Satire und eine hochspannende Figurenkonstellation kongenial. In „Free Rainer“ zünden die satirischen Pointen hingegen weitaus seltener. Noch düsterer sieht es jedoch in Sachen Charakterentwicklung aus, weshalb es vor allem im Mittelteil, in dem sich das Geschehen in erster Linie um die Beziehungen innerhalb der Rebellen-Truppe dreht, zu erheblichen und deutlich spürbaren Längen kommt. Rainers Sinneswandel ist insgesamt wenig glaubhaft, nur dank dem gewohnt großartigen und charismatischen Spiel von Moritz Bleibtreu (Lola rennt, Solino, Agnes und seine Brüder, Elementarteilchen) scheitert der Film nicht bereits an seinem schwachbrüstigen Protagonisten. Anders ergeht es der Newcomerin Elsa Sophie Gambard – sie hat nicht die geringste Chance, gegen die Oberflächlichkeit ihrer Figur anzukämpfen. Zum Schluss hat man das Gefühl, die einzige Eigenschaft ihrer Rolle Pegah ist, dass sie verdammt gut schwimmen kann. Wirklich überzeugen können aus der Darstellerriege so nur noch Gregor Bloéb (Keinohrhasen) als herrlich schmieriger Trash-TV-Macher und Milan Peschel (Hände weg von Mississippi, Schwarze Schafe, Das wilde Leben) als wunderbar schräger, soziophober Verschwörungstheoretiker.

    Fazit: „Free Rainer“ ist eine streckenweise unterhaltsame, streckenweise aber auch arg zähe Trash-TV-Satire, bei der die Kritik nur selten bissig daherkommt und die Charaktere unerwartet farblos bleiben.

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