Es gibt wohl kaum jemanden, der von sich behaupten kann, immer ein harmonisches Verhältnis mit seinen Nachbarn gehabt zu haben. Kein Wunder also, dass auch die Filmindustrie das Grauen gerne nebenan verortet und Gut und Böse Tür an Tür platziert. Das Musterbeispiel dafür ist Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof", dessen Grundidee im Laufe der Jahre immer wieder neu variiert wurde. So auch 1985 in Tom Hollands mittlerweile zum Kult-Klassiker avancierter Horror-Komödie „Die rabenschwarze Nacht" (im Original: „Fright Night"), in der ein schüchterner Teenager feststellen muss, dass sein Nachbar nicht nur ein blutrünstiger Mörder, sondern obendrein auch noch ein jahrhundertealter Vampir ist. Dass der Stoff auch ohne den Retro-Charme des Originals heute noch funktioniert, beweist nun die Neuinterpretation von Craig Gillespie („Lars und die Frauen"): Sein „Fright Night" ist multiplexkompatibles Horrorkino mit leichtem Augenzwinkern – und einem wundervoll diabolischen Colin Farrell.
Für den nerdigen Teenager Ed (Christopher Mintz-Plasse) ist die Sache klar: Der neu in die Nachbarschaft gezogene Jerry (Colin Farrell) ist ein Vampir und für das Verschwinden von immer mehr Mitschülern verantwortlich. Eds ehemals bester Kumpel Charley (Anton Yelchin) glaubt ihm jedoch kein Wort – schließlich hatte der sich aufgrund genau solcher vermeintlicher Spinnereien einen neuen Freundeskreis gesucht. Erst als auch Ed selbst wie vom Erdboden verschluckt ist, wird Charley misstrauisch und stellt Nachforschungen an, die Eds Theorie bestätigen. Doch schon bald kommt auch Jerry dahinter, dass sein Geheimnis aufgeflogen ist – und Charley muss nicht nur um sein eigenes Wohl, sondern auch um das seiner Freundin (Imogen Poots) und seiner Mutter (Toni Collette) fürchten.
Als bekannt wurde, dass sich ausgerechnet die Walt Disney Studios die Rechte an einer Neuauflage von „Die rabenschwarze Nacht" gesichert hatten, fürchteten einige Fans eine Anpassung an „Twilight" und Konsorten. Aber „Fright Night" ist von solchen Teenie-Vampir-Schmonzetten weit entfernt, diese werden von der Filmfigur Ed sogar aufs Korn genommen. Stattdessen schafft es Regisseur Gillespie, die Stärken des Originals beizubehalten und gleichzeitig genügend neue Akzente zu setzen, um das Remake auch zu rechtfertigen. Drehbuchautorin Marti Noxon, die als langjährige Produzentin und Autorin von „Buffy – Im Bann der Dämonen" bereits Blutsaugererfahrung sammeln konnte, spielt gekonnt mit den klassischen Genreregeln und hält so immer wieder kleine Überraschungen bereit.
Besonders gut gelingt das Spiel mit den Konventionen beim effektiven Einsatz der Regel, dass Vampire nur Häuser betreten können, zu denen ihnen vom Besitzer Einlass gewährt wurde. Wenn sich Charley und seine Freunde in gleich mehreren Sequenzen in die vermeintlich sicheren vier Wände flüchten, nur um dann schließlich doch von Jerry ausgetrickst zu werden, treibt das nicht selten den Herzschlag in beträchtliche Höhen – zumal sich Gillespie als fähiger Genreregisseur erweist und diese Szenen mit genüsslicher Ruhe ausspielt. Trotz zahlreicher humoriger Einschübe bleibt „Fright Night" daher im Kern ein geradliniger Horrorfilm, der gerade in den ersten zwei Dritteln mit viel Nervenkitzel und wohldosierten Schockmomenten aufwarten kann.
Natürlich ist „Fright Night" auch ein technisches Update gegenüber dem Original. Die grandiosen Masken aus dem alten Film weichen nun größtenteils computergenerierten Transformationen. Die können sich zwar durchaus sehen lassen, aber der handgemachte Charme des Originals bleibt auf der Strecke. Klare Pluspunkte sammelt Gillespie dagegen mit dem Einsatz der 3D-Technik: Er lässt mit kindlicher Freude im Minutentakt Pfähle, Speerspitzen und jede Menge (CGI-)Blutfontänen ins Publikum schießen, was das launige Gruselvergnügen tatsächlich noch steigert.
Dass „Fright Night" nicht nur mit Grusel- und 3D-Effekten wohlige Schauer auslöst, ist nicht zuletzt Colin Farrells („Brügge sehen... und sterben?") Verdienst, dessen Jerry im Film treffend als menschliches Äquivalent zum „Weißen Hai" umschrieben wird. Wie Farrell cool und gelassen seine Opfer bezirzt, nur um dann schlagartig über sie herzufallen und sich abschließend genüsslich das Blut von Lippen und Fingern zu lecken, ist schlichtweg ein Ereignis. Anton Yelchin („Star Trek"), der nominelle Hauptdarsteller des Films, schafft es neben dem dominanten Farrell dagegen kaum Akzente zu setzen. Auch Imogen Poots („28 Weeks Later") bleibt blass, während Toni Collettes („Little Miss Sunshine") Potenzial weitgehend verschenkt wird. Nur zwei Darsteller können Farrell Paroli bieten: Christopher Mintz-Plasse („Superbad") ist wohl auf ewig auf die gleiche Nerd-Rolle abonniert und verkörpert diese auch hier gewohnt gut, während David Tennant („Doctor Who") als schriller Zauberkünstler und selbsternannter Vampirexperte eine überdreht-vulgäre Criss-Angel-Parodie abliefert.
Angesichts der sonstigen Qualitäten des Films ist es bedauerlich, dass ausgerechnet der groß angelegte, unterirdisch stattfindende Showdown, in dem der Blutzoll noch einmal nach oben getrieben wird, künstlich angepappt wirkt und deshalb nicht mehr so mitreißend gelingt wie die vorherigen anderthalb Stunden. Auch das allzu glattgebügelt wirkende Happy-End ohne jeden Schlussgag dürfte manch einem sauer aufstoßen. Aber das sind letztlich eher geringfügige Einwände.
Fazit: „Fright Night" ist eine moderne und unterhaltsame Vampirgeschichte, die sich vor allem ein durch ein erfrischendes Spiel mit Genreregeln, eine gute Prise Humor und einen herrlich fiesen Gegenspieler auszeichnet. Fans des Vampirhorrors werden voll auf ihre Kosten kommen.