Hatten Regisseur Ron Howard und seine Produzenten im Vorfeld von The Da Vinci Code nur mit Anfeindungen und Boykottaufrufen der katholischen Kirche zu kämpfen, sitzen ihnen diesmal auch noch die Buddhisten im Nacken. Weil die katholische Kirche im vergangenen Jahr die Buddhisten bei deren Kampf gegen Der Love Guru unterstützt hat, geben diese den Gefallen nun zurück. Die Frage, ob „Illuminati“ tatsächlich auf den Gefühlen Gläubiger herumtritt, einmal beiseite gelassen, ergibt sich aus dem Widerstand der Kirche dennoch ein großes Problem für die Qualität des Films. Immerhin funktionierte der zugrundeliegende Roman von Dan Brown über weite Strecken auch als spannend geschriebener Reiseführer. Man bekam richtig Lust, den Buchdeckel zuzuschlagen und nach Rom zu fahren, um die haarklein geschilderten Sehenswürdigkeiten einmal in Natura zu erleben. Der Film hätte einem diese Reise nun abnehmen können. Doch der Vatikan hat im Vorfeld alle Drehgenehmigungen abgelehnt. Das ging angeblich sogar so weit, dass der Kirchenstaat auf römische Behörden einwirkte, damit diese der Filmcrew keine Aufnahmen gestatteten, bei denen – auch nur im Hintergrund – ein Gotteshaus zu sehen ist. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass Ron Howard die Kirchen entweder nachbauen oder am Computer erschaffen lassen musste. Die oft arg artifiziell anmutenden Kirchenaufnahmen, die es nun in den Film geschafft haben, sind aber nicht einmal im Ansatz ein ebenbürtiger Ersatz, sodass einem die Reise ins mit Touristen überfüllte Rom wohl doch nicht erspart bleibt.
Der Vatikan hat ein Problem. Hochexplosive Antimaterie, die in dem Schweizer Partikelbeschleuniger-Laboratorium CERN entwendet wurde, ist irgendwo in dem Kirchenstaat versteckt. Das batteriebetriebe Behältnis, das die Antimaterie davon abhält, in die Luft zu gehen, wird um kurz vor zwölf Uhr Mitternacht seinen Geist aufgeben. Ein legendenumwobenes, lange verschollen geglaubtes Symbol deutet darauf hin, dass die Geheimorganisation der Illuminaten in die Angelegenheit verstrickt ist. Der römische Inspektor Ernesto Olivetti (Pierfrancesco Favino, Nachts im Museum) ruft den renommierten Harvard-Symbolforscher Professor Robert Langdon (Tom Hanks) zur Hilfe. Die Illuminaten drohen jedoch nicht nur damit, den gesamten Vatikan dem Erdboden gleich zu machen, sie haben auch vier Kardinäle entführt und angekündigt, zu jeder vollen Stunden einen von ihnen publikumswirksam öffentlich hinzurichten. Die Orte der Exekutionen liegen entlang eines geheimen Illuminaten-Pfades. Um diesen vorherzusagen, muss Langdon mithilfe der CERN-Wissenschaftlerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer) die Rätsel in einer Schrift des Ur-Illuminaten Galileo Galilei entschlüsseln. Bei dem Versuch, die Kardinäle vor einem grausamen Tod zu bewahren, entbrennt eine waghalsige Schnitzelhatz von einer historischen Sehenswürdigkeit zur nächsten. Dass der vorherige Papst erst vor 14 Tagen gestorben ist und die Kardinäle gerade in der Sixtinischen Kapelle das Konklave abhalten, um ein neues Kirchenoberhaupt zu wählen, macht die Sache nicht unbedingt leichter…
In dem Roman „Illuminati“ gibt es zwar einige Abschnitte, die auch einem Actionfilm gut zu Gesicht stehen würden, in den meisten Passagen rasen aber einfach ein paar Leute durch Rom, die sich Statuen anschauen, um historische Rätsel zu lösen. Um dies für die Leinwand umzusetzen, bedarf es nicht zwingend eines Budgets weit jenseits der 100-Millionen-Dollar-Grenze. Doch Ron Howard (Backdraft, Apollo 13, Kopfgeld, A Beautiful Mind, Frost/Nixon) biegt die Story mit allen Mitteln auf das Niveau eines großen Sommerblockbusters zurecht. Gleich zu Beginn, wenn das Schweizer CERN-Laboratorium samt Partikelbeschleuniger eingeführt wird, hantiert er mit zum Teil vogelwilden Kamerafahrten, um die Brisanz der Forschungen zu unterstreichen. Für jeden, der in seinem Leben auch nur eine Stunde Physikunterricht genossen hat, muten diese übertriebenen Späßchen allerdings eher lächerlich an. Später blendet Howard dann immer wieder Aufnahmen des mit Menschenmassen gefüllten Petersplatzes ein, um so ein künstliches Gefühl von Größe zu schaffen. Leider wirkt sich dieses Imponiergehabe sehr negativ auf die Atmosphäre aus. Ein Gefühl von Enge, weder örtlich noch zeitlich, kommt so nie auf.
Auch dramaturgisch hat Dan Brown die Macher mit seinem Vatikan-Thriller vor Aufgaben gestellt, die diese nicht zu lösen vermocht haben. Als größtes Problem erweist sich dabei der Spannungsbogen des Romans, der fünf Höhepunkte aufweist. Zu jeder vollen Stunde ab 20 Uhr soll einer der Kardinäle ermordet werden und um Mitternacht dann die Antimaterie explodieren. Jeweils ist es an Robert Langdon, im Stile einer Schnitzeljagd die richtigen Orte vor Ablauf des Countdowns ausfindig zu machen. Im Roman liegen zwischen zwei solchen Spannungsspitzen meist weit über 100 Seiten, im Film dagegen zum Teil nur wenige Minuten. Das ist auf Dauer nicht nur redundant, der Zuschauer kommt oft auch gar nicht mehr dazu, emotional voll in das Geschehen einzusteigen. Es ist fast so, als ob sich die viel zu kurzen Spannungskurven irgendwann einfach selbst überholen. Dazu passt dann auch der sakral-hämmernde Score von Hans Zimmer, der dem Zuschauer in jeder Sekunde Spannung suggerieren will, ohne auch nur einmal bedachtere Töne anzuschlagen. Das geht eine gewisse Zeit gut, aber wenn man durchgängig nur mit krachenden Showdown-Klängen beschallt wird, reagiert man auf diese irgendwann einfach gar nicht mehr.
Das allgemeine Gehetze schlägt auch auf die Ausarbeitung der Figuren durch. Der zweifache Oscar-Preisträger Tom Hanks (Forrest Gump, Der Soldat James Ryan, Catch Me If You Can, Der Krieg des Charlie Wilson) zählt ganz sicher nicht ohne Grund zu den besten Schauspielern Hollywoods und trägt die Handlung allein mit seiner schieren Präsenz, aber der Figur Robert Langdon gewinnt er in den gesamten 140 Minuten dennoch keine einzige neue Facette ab. Das gleiche gilt noch viel extremer für Ayelet Zurer (München, 8 Blickwinkel) als Vittoria Vetra. Bis zum Abspann weiß man nicht, warum die Wissenschaftlerin eigentlich ständig mit herumrennt. Im Roman gab es zumindest noch eine Liebesgeschichte zwischen ihr und Langdon, aber auch die ist in der Leinwandversion dem Zeitmangel zum Opfer gefallen.
Wo Paul Bettany in „The Da Vinci Code“ noch eine furchteinflößende Bösewicht-Performance als sich selbst geißelnder Albino-Mönch Silas ablieferte, bleibt der Däne Nikolaj Lie Kaas (Brothers, Adams Äpfel) diesmal durchweg blass. Obwohl er als Profikiller jeden, der sich seiner Mission in den Weg stellt, ohne mit der Wimper zu zucken eiskalt niederstreckt, wirkt er zu keinem Zeitpunkt wirklich beängstigend. Der deutsche Charakterkopf Armin Mueller-Stahl (Buddenbrooks, The International, Tödliche Versprechen) fungiert in seiner Rolle des Kardinals Strauss als Stimme aus dem Konklave. Eine stimmige Linie lässt sich dabei jedoch nicht ausmachen. Die Figur mäandert zwischen Auf-seinen-Vorteil-Lauerer und gutherziger Onkel, ohne dass dieser Schlingerkurs in der Handlung seine Entsprechung finden würde. So gelingt es von den Nebendarstellern allein Ewan McGregor (Trainspotting, Moulin Rouge, Die Insel) als nicht ganz leicht zu durchschauender Kämmerer des verstorbenen Papstes, etwas Profil zu entwickeln.
Fazit: „Illuminati“ ist ein moderner Sommer-Blockbuster mit einem entsprechenden Megabudget – und genau da liegt das Problem: Bei dem Versuch, die Geschichte um eine Schnitzeljagd durch Roms enge Gassen größer zu erzählen, als sie eigentlich ist, bleiben Spannung und Atmosphäre weitgehend auf der Strecke.