Brasilien liebt Telenovelas, für viele Menschen sind die alltäglichen Besuche ihrer Lieblingscharaktere im heimischen Wohnzimmer sogar ein echter Familienersatz. An sich ist gegen solch einfach gehaltene Unterhaltung, die bei weitem mehr Wert auf große Gefühle als Anspruch legt, ja auch gar nichts einzuwenden. Aber wenn sich ein brasilianisches Historien-Drama wie „Olga“, das sich immerhin den Kampf einer jüdisch-kommunistischen Revolutionärin (inklusive Folter und KZ) zum Thema nimmt, in keiner Szene über das Niveau einer Telenovela erheben kann, und sich stattdessen lieber in verklärendem Pathos verliert, liegt das Ergebnis für ein aufgeklärtes Publikum überhalb jeglicher Schmerzgrenze und lässt es neunundneunzig naiv-lächerliche Minuten durchleiden.
Eigentlich kommt die 17-jährige Olga Benario (Camila Morgado) aus gut behütetem Hause, trotzdem verlässt sie im Jahre 1925 ihre großbürgerliche Münchner Familie, um in Berlin ihren kommunistischen Idealen folgen zu können. Nach einer tollkühnen Befreiungsaktion eines verhafteten Genossen flieht Olga nach Moskau, wo sie eine militärische Ausbildung erhält. Einer ihrer ersten Aufträge führt Olga nach Brasilien, wo sie als Ehefrau des Generals Luis Carlos Prestes (Caco Ciocler) getarnt den Sturz des Diktators Vargas (Osmar Prado) vorbereiten soll. Doch schon auf der Überfahrt wird aus dem Spiel Realität, Luis und Olga verlieben sich unsterblich ineinander. Als die kommunistische Revolte im Jahr 1935 jedoch scheitert, landet das Liebespaar im Folterkeller des Despoten. Weil Olga jedoch ein Kind bekommt, entscheidet sich Vargas dazu, Olga nicht zu töten, sondern lieber ins faschistische Deutschland auszuliefern. Hier landet die Halbjüdin Olga zusammen mit ihrem Baby sofort im KZ…
Es gibt nicht vieles, eigentlich sogar gar nichts, das bei diesem Film zusammenkommt. Schon die eintönige, oft unbeholfene, meist nicht einmal Fernseh-Niveau erreichende Inszenierung raubt für sich schon jede Chance auf ein klein wenig Kinogenuss. Immer wieder wechselt Regisseur Monjardim zwischen den gleichen langweiligen Nahaufnahmen hin und her, immer wieder bemüht er die gleiche uninspirierte Herangehensweise an jeden neuen Dialog. Hinzu kommt noch eine Liebesgeschichte, die man den Darstellern einfach nicht abnimmt und die so natürlich auch nicht funktioniert. Mit ihrem starren Spiel, den hölzernen Dialogen und der emotionslosen Mimik würden Camila Morgado und Caco Ciocler mit ihren Flirtversuchen selbst einen zusehenden Eiswürfel im Backofen davon abgehalten, dahin zu schmelzen – diese miese Metapher entspricht in etwa dem durchschnittlichen Niveau eines „Olga“-Filmdialogs.
Auch die übrige Geschichte um die Agententätigkeiten und die Inhaftierung im KZ kann nie auch nur ansatzweise überzeugen. Zum einen springt der Film (zumindest in der kürzeren deutschen Kinofassung, auf Festivals lief „Olga“ in einer 141-minütigen Version) viel zu schnell von einem Punkt aus Olgas Biographie zum nächsten, so dass man weder in die Zeit noch in die Geschichte wirklich hereinkommt. Zum anderen hält er auch immer nur dann inne, wenn es um Olgas privaten Gefühle geht. So laufen die politischen Hintergründe, die das Leben der wahren Olga zum Großteil dominiert haben, bestenfalls nebenher mit, wenn sie sich nicht sogar komplett dem Sichtfeld des Zuschauers entziehen. Ist die in Brasilien spielende Hälfte des Films aber einfach nur unbeholfen bis dämlich geraten, sind die Szenen im KZ hingegen mehr als fragwürdig.
Das Problem ist dabei nicht, dass „Olga“ ohne jede Differenzierung mit dem emotionalen Vorschlaghammer gegen die Deutschen wettert, das ist bei einem Film über eine jüdische Widerstandskämpferin wahrscheinlich sogar angebracht. Sondern dass die Auswahl der Bilder nur darauf abzielt, Wut im Zuschauer zu wecken, aber durch die misslungene Umsetzung mit Wächterinnen, die aus einem Exploitation-Film von Jess Franco stammen könnten, eher lachhaft, naiv und klischeebeladen rüberkommt. Am schlimmsten ist die an Kitsch erstickende Schlusseinstellung, bei der man durch eine kleine Scheibe beobachtet, wie Olga vergast wird – dabei hört man aus dem Off solch unangemessen-pathetische letzte Worte, dass selbst Jerry Bruckheimer vor Neid erblassen würde.
Liegt der Film schon rein formal unterhalb jeder messbaren Qualität, kommt dann sogar noch erschwerend hinzu, dass er den politischen Standpunkt der echten Olga Benario konsequent ins Absurde verkehrt. Solange sie nur für die kommunistische Sache kämpft, wird sie als verklärte, nahezu frigide Intellektuelle dargestellt. Erst als sich ihr Kampf von der Politik hin zu Liebe und Kind verlagert, beginnt sie aufzublühen und erste Sympathien zu sammeln. Dass dem Film die politische Komponente nicht sonderlich am Herzen liegt, sieht man auch daran, dass die Nazi-Schlägertruppen 1925 schwarze statt braune Uniformen tragen. Im Endeffekt kann man dem Film nur eine Sache zugute halten: Er lässt Olga Benario sich einmal im Grabe umdrehen, weil ihr durchaus erzählenswertes Leben für eine hirnlose „Human Touch“-Verfilmung auf Telenovela-Niveau ausgeschlachtet wurde, und ein weiteres Mal, weil ihre eigenen politischen Ansichten eigentlich total konträr zu denen des Films waren – so liegt sie zumindest am Schluss wieder richtigrum.