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    Die Monster Uni
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Monster Uni
    Von Andreas Staben

    Für die Pionierleistung des ersten vollständig computeranimierten abendfüllenden Spielfilms „Toy Story“ erhielt Regisseur, Produzent und Pixar-Mastermind John Lasseter 1996 stellvertretend für das ganze Team einen Sonderoscar. Das war so etwas wie der Ritterschlag Hollywoods, der symbolische Auftakt eines goldenen Zeitalters der Superlative für die Animationsschmiede. Mit Filmen wie „Findet Nemo“, „Die Unglaublichen“, „Ratatouille“ und „Wall-E“ landete Pixar reihenweise Hits bei Kritik und Publikum und bald hatten die kreativen Kalifornier den Ruf wahrer Pixel-Poeten, die technische Innovation und erzählerische Originalität zu perfekter Unterhaltung mit Herz und Hirn verbinden. Ein Musterbeispiel für diese Mischung und bis heute ein absoluter Höhepunkt im Pixar-Kanon ist auch das spaßig-gefühlvolle Abenteuer „Die Monster AG“ von 2001. Schon lange wurde darüber nachgedacht, das kleine grüne Glubschauge Mike und den flauschigen Schmuse-Schrecker Sulley zurück auf die Leinwand zu bringen – mit der animierten College-Komödie „Die Monster Uni“ ist es nun soweit: Regisseur Dan Scanlon und sein Team bescheren uns ein rasantes, technisch perfektes 3D-Abenteuer, dessen visueller Einfallsreichtum glatt für zwei Kinobesuche reicht - aber den gewohnten Pixar-Gold-Standard erreichen sie trotzdem nicht, dafür fehlt der nachgelieferten Vorgeschichte die Warmherzigkeit und das erzählerische Geschick des Originals.

    Der kleine Mike Glotzkowski (Stimme: Billy Crystal, deutsche Fassung: Ilja Richter) ist ein Außenseiter in der Schule, aber seit einem Ausflug auf die Schrecketage der Monster AG weiß er, was er werden will: ein berühmter Schrecker! Diese Superstars unter den Monstern schleichen sich in menschliche Kinderzimmer, versetzen Mädchen und Jungs in Angst - und deren Schreie versorgen Monstropolis mit Energie. Nach der Schule schreibt sich Mike also an der Monster Uni ein, um Schreckologie zu studieren. Doch sein Traum droht bald zu zerplatzen, denn nach einem unglücklichen Zwischenfall wird der fleißige Mike von der strengen Dekanin Hardscrabble (Helen Mirren) gemeinsam mit dem populären, aber faulen Schrecker-Sprössling James P. „Sulley“ Sullivan (John Goodman) aus dem Angstmacher-Programm ausgeschlossen. Es gibt nur eine letzte Chance: ein Sieg bei den universitären Schreck-Spielen – für diesen Wettstreit müssen Mike und Sulley jedoch nicht nur ihre persönlichen Differenzen beilegen, sondern auch einer Studentenverbindung angehören und nur die nerdigen Brüder von Omega-Kreischma sind bereit, die beiden aufzunehmen. Jetzt gilt es, mit den Langzeitstudenten und Muttersöhnen ein möglichst furchteinflößendes Team zu bilden…

    Mit den beiden „Toy Story“-Fortsetzungen haben John Lasseter und Co. bewiesen, dass auch Sequels sich so frisch und neu anfühlen können wie Original-Stoffe. Solche Bravourstücke gelingen aber auch den Animationsmagiern von Pixar nicht immer, wie der eher mittelmäßige „Cars 2“ gezeigt hat. „Die Monster Uni“, ihr erstes Prequel, landet nun zwischen diesen beiden Polen: Während sich der Film erzählerisch als etwas formelhafte Vorgeschichte erweist, mit der dem etablierten Universum nichts Unverzichtbares hinzugefügt wird, profitiert dieser zweite Besuch in der bunten Welt von Monstropolis ungemein von den seit 2001 gemachten technischen Fortschritten. Das gilt für die Darstellung von Bewegungen genauso wie für den ungeahnten Detailreichtum - alleine schon mit der gestalterisch überaus gelungenen Erweiterung des Monster-Arsenals lässt sich das Projekt rechtfertigen: So ist etwa die Dekanin Hardscrabble (eine Kreuzung aus Drache, Fledermaus und Tausendfüßler) mit ihrem verschlagenen Auftauchen aus dem Schatten genauso eine Augenweide wie die Loser-Monster von Omega-Kreisch mit dem unvergleichlich verbogenen Fellungetüm Art (Charlie Day/Elyas M’Barek) und dem doppelköpfigen Brüderpaar Terri und Terry Perry. Aber auch die wunderlichen Wesen im Hintergrund sind eine Pracht, der an (neu-)englische Elite-Unis erinnernde Campus mit seinen weitläufigen Wiesen und den an Monster-Bedürfnisse angepassten ehrwürdigen Gemäuern wimmelt von mehräugigen, vielarmigen, schuppigen, stacheligen und pastellbunten Fantasie-Kreaturen.

    Die Gruselgeschöpfe sind trotz ihres oft bizarren Äußeren wie gewohnt Wesen wie du und ich – sie bevölkern eine allzu menschliche Parallelwelt. An der Uni gibt es also selbstverständlich Stars (den üblichen Sportlertypen entsprechen hier die Super-Schrecker) und Außenseiter, Mitläufer und Mauerblümchen: Der College-Kosmos von Monstropolis unterscheidet sich unter der einfallsreich mutierten Oberfläche nicht großartig von dem, was wir in unzähligen anderen Uni- und Schulgeschichten schon gesehen haben. Der Anarcho-Klamauk von „Ich glaub‘, mich tritt ein Pferd“ klingt auf keim- und garantiert jugendfreie Weise an, dazu erinnern die Ewig-Eingeschriebenen von Omega-Kreischma an die vom Erwachsenenleben geplagten Protagonisten aus „Old School“ - und garniert wird das Ganze mit mehr oder weniger expliziten Zitaten und Anspielungen etwa auf Brian De Palmas „Carrie“, auf „Die Tribute von Panem“ und natürlich auf  „Die Monster AG“ (Fans können neben Mike und Sulley einige weitere alte Bekannte in Kurzauftritten entdecken).  Bei alldem scheint der einzelne Gag zuweilen wichtiger zu sein als das große Handlungsganze. So widerspricht die boshafte Schlusspointe mit einem Schneckenmonster (wie immer bei Pixar gilt es beim ideengespickten Abspann sitzenzubleiben) durchaus der eigentlichen Geschichte über Freundschaft und Zusammenhalt: Die ist in anderen Animationsfilmen wie „ParaNorman“ und „Frankenweenie“ deutlich besser gelungen.  

    Die genretypisch extrem schematische Handlung wirkt bei Regisseur und Co-Autor Dan Scanlon („Tracy“) gelegentlich wie ein reiner Vorwand für ein visuelles Spektakel. Pete Docters Vorgänger-Film bekam durch die Konfrontation von Monster- und Menschenwelt über das kleine Mädchen Buh eine thematische Tiefe, die sogar dem Action-Kehraus eine besondere Dimension verlieh – dieses gewisse Etwas fehlt dem menschenlosen „Monster Uni“. Aber obwohl die zentrale Geschichte davon, wie Mike und Sulley (der hier weitgehend eine nicht ganz plausible Nebenfigur bleibt) Freunde werden, nicht so recht überzeugt, hat die fantasievolle formale Gestaltung auch im Prequel einigen erzählerischen Mehrwert. Sehr schön werden etwa die vorher belächelten individuellen Eigenschaften der Monster aus der Nerd-Verbindung bei den Schreck-Spielen in Stärken verwandelt. Der zweite Wettbewerb, bei dem es darum geht, in der Bücherei als komplettes Team an der riesenhaften Bibliothekarin (ein unbeschreibliches Monster!) vorbeizukommen, wird so zu einem wahren Triumph: spannend, lustig, liebevoll und perfekt in Szene gesetzt. Scanlon hält dieses Niveau nicht durch, aber er lässt der Kreativität der Zeichner und Designer freien Lauf. So gibt es nicht nur bei der mitreißenden Schweine-Verfolgung und in den Wimmelbildern des Treibens auf dem Uni-Gelände immer etwas zu entdecken, sondern auch während erzählerischer Durststrecken.

    Fazit: „Die Monster Uni“ bietet fantasievolle Familien-Unterhaltung in technischer Perfektion, aber mit erzählerischen Schwächen. Insgesamt bleibt das immer noch gute Prequel damit deutlich hinter dem Original „Die Monster AG“ zurück.

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