1978 gaben Regisseur Joe Dante und Kult-Produzent Roger Corman mit „Piranhas" die passende Exploitation-Antwort auf Steven Spielbergs drei Jahre zuvor gestartetes Meisterwerk „Der weiße Hai". Statt eines großen gingen hier Tausende kleine Fischlein auf Menschenjagd. Nach der Fortsetzung „Piranha 2 - Fliegende Killer" vom jungen James Cameron (!) und einer überflüssigen TV-Neuauflage aus den 1990ern bringt nun der Franzose Alexandre Aja ein Remake in die Kinos, das sich von den vorherigen Werken des Extrem-Regisseurs („High Tension") nicht nur aufgrund der hinzugekommenen dritten Dimension stark unterscheidet. Denn auch wenn der Kunstblut-Verbrauch von „Piranha 3D" alles vorher Dagewesene in den Schatten stellt, geht es Aja nie darum, Angst und Schrecken zu verbreiten. Stattdessen zielt die Horror-Komödie mit einem böse endenden Wet-T-Shirt-Contest und einem erst abgebissenen und dann ausgerülpsten Penis vor allem auf die Lachmuskeln des Publikums ab.
Sheriff Julie Forester (Elisabeth Shue, „Leaving Las Vegas") hat alle Hände voll damit zu tun, das feierwütige Spring-Break-Partyvolk, das wie ein Heuschreckenschwarm über ihren Strand hergefallen ist, unter Kontrolle zu halten. Unterdessen heuert Julies Sohn Jake (Steven R. Mcqueen, „The Vampire Diaries") als ortskundiger Führer bei Porno-Produzent Derrick Jones (Jerry O'Connell) an, der auf einer gemieteten Yacht mit zwei vollbusigen Kalender-Hotties (Kelly Brook, Riley Steele) ein Erotikvideo drehen will. Alles könnte so schön sein: Die Sonne scheint, der Champagner fließt, die BHs fallen. Doch dann reißt ein Erdbeben eine Verbindung zu einem verborgenen unterirdischen See, in dem ein Schwarm prähistorischer Piranhas die vergangenen zwei Millionen Jahre zugebracht hat. Mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen fallen die urzeitlichen Tiere über die partygeilen Teenager-Horden her, die von den gefräßigen kleinen Biestern in Sekundenschnelle zerfleischt werden. Das reich gedeckte Buffet ist eröffnet...
Alexandre Aja („The Hills Have Eyes", „Mirrors") ist Teil des sogenannten „Splat Packs", zu dem auch Regisseure wie Rob Zombie („Haus der 1000 Leichen"), Eli Roth („Hostel") oder Zack Snyder („Dawn of the Dead") zählen, die ebenfalls mit übermäßig heftigen Filmen auf sich aufmerksam gemacht haben. Mit „Piranha 3D" schlägt Aja nun einen anderen Weg ein. Sicherlich ist auch dieser Film wieder sehr brutal, aber im Vordergrund steht eindeutig der Humor. Jerry O'Connell („Scream 2") als superschmieriger Busenfetischist und Eli Roth („Inglourious Basterds") als notgeiler Wet-T-Shirt-Instrukteur steuern zwei herrliche überdrehte Karikaturen bei, deren kreatives Ableben (Verbluten am abgeknabberten Penis, mit einem Motorboot zertrümmerter Schädel) beim Publikum für wahre Begeisterungsstürme sorgt. Sowieso kauert sich hier in Anbetracht nahender Piranha-Schwärme niemand angsterfüllt in seinen Kinosessel. Stattdessen gilt es, dem anstehenden Splatter-Spaß erwartungsfroh entgegenzufiebern. Die gefräßigen Fischlein werden so zu Erfüllungsgehilfen des Zuschauers, der auf seine nächste Dosis Kunstblut hofft. Dass dieser Ansatz voll aufgeht, liegt in erster Linie an Aja selbst, der zu keinem Zeitpunkt Gefangene macht. Der Blut- und Brüste-Pegel (etwa wenn zwei Schönheiten unter Wasser nackt zu Opernklängen herumtollen) wird ohne Rücksicht auf Zensur oder den guten Geschmack durchgängig hoch gehalten, halbe Sachen hat dieser Regisseur nicht im Repertoire. Bier und Popcorn sind hier keine Option, sondern ein unbedingtes Muss.
Nachdem 3D-Mastermind James Cameron „Piranha 3D" vorgeworfen hatte, billige Filme wie dieser würden dem Ansehen der neuen Technik schaden, veröffentlichte „Piranha 3D"-Produzent Mark Canton eine Erwiderung, die sich gewaschen hat. Verstehen kann man irgendwie beide Seiten. Natürlich sehen Filme, die wie „Piranha 3D" erst nachträglich in 3D konvertiert wurden, nicht so makellos aus wie „Avatar - Aufbruch nach Pandora", der direkt in 3D gedreht wurde (und zudem ein etwa 20 Mal höheres Budget zur Verfügung hatte). Allerdings sieht Ajas Film, auch weil die Handlung an einem freundlichen Sommertag abläuft und es somit kaum dunkle Szenen gibt, bei Weitem nicht so matschig aus wie weit teurere 3D-Ausrutscher wie „Kampf der Titanen" oder „Die Legende von Aang". Zudem geht es gerade bei dieser Produktion eben auch gar nicht darum, dass alles perfekt aussieht. Die 3D-Effekte sind hier kein behutsam eingesetztes Dramaturgie-Mittel, sondern ein lupenreiner Spaß-Lieferant. Und als solcher erfüllen sie ihren Zweck. James Cameron hat sich für seine Attacke also das falsche Ziel ausgesucht. Statt auf den verhältnismäßig günstigen „Piranha 3D", in dem die 3D-Effekte durchaus Sinn machen, hätte er sich lieber einen der allzu hektisch in 3D umgerechneten Hollywood-Blockbuster zur Brust nehmen sollen.
Fazit: Mit reichlich Bier, Blut und blanken Brüsten sorgt „Piranha 3D" für Exploitation-Fun pur. Kein Film, den man sich zuhause alleine vor der Flimmerkiste anschauen sollte, sondern möglichst in einem ausverkauften Kinosaal, wo jedes Zerfleischen eines Spring-Break-Partyhengstes mit dem verdienten Szenenapplaus bedacht wird.