Der gemeine Fan von Direct-To-DVD-Actionern stellt keine hohen Ansprüche. Anders lässt es sich kaum erklären, dass heutzutage beinahe jeder Schund, der ein paar halbwegs bekannte Darsteller und mindestens eine Knarre auf dem Cover vorweisen kann, ordentliche Ausleihzahlen einfährt. Verdient haben Machwerke wie Conspiracy oder Urban Justice - Blinde Rache diese sicherlich nicht. Doch nun kommt ein neuer Tiefpunkt daher: Pascal Caubets hat als Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller in Personalunion den Actionschrott „Last Hour” realisiert. Wie schwer es dem Streifen gefallen ist, überhaupt den Weg in die Videotheken zu finden, unterstreicht folgende Tatsache: Im April 2008 feiert „Last Minute“ seine Weltpremiere. In seiner letzten Rolle zu sehen ist Schauspieler Tony D'Amario (Ghetto Gangz), der aber bereits im Sommer 2005 verstarb. Sprich: Der Film hat mindestens stolze drei Jahre in der Postproduktion und Giftschränken verbracht. Und hier hätte er am besten auch bleiben sollen, denn der an internationalen Schauplätzen in Kanada, Frankreich und China entstandene „Last Hour” krankt an akuter Langeweile, schwachsinnigen Dialogen und technischen Unzulänglichkeiten.
Ein kurzes Pre-Credit-Intro klärt die Ausgangslage: Angeführt von Detective Mike Stone (David Carradine) und dessen junger Kollegin Rosa Mulero (Monica Cruz) hat die Polizei ein Gebäude umstellt. In diesem befinden sich mehrere brutale Gangster mit so klangvollen Namen wie Monk (Michael Madsen), Casino (Tony D´Amario), Black Jack (DMX), Poker (Pascal Caubet), Poison (Bettina Antoli) und Shang (Kwong Leung Wong). Stone stellt ihnen ein Ultimatum: Sie haben eine Stunde Zeit, sich freiwillig zu ergeben, ansonsten würden sie den Schauplatz allesamt in einem Sarg verlassen. Im Folgenden wird gezeigt, warum sich die Verbrecher überhaupt in dem bunkergleichen Luxuspalast verschanzen mussten. Alle bekamen einen Brief von dem Anwalt Maitre Steinfeld (Paul Sorvino), der sie veranlasste, das Gebäude aufzusuchen. Der unfreiwillige Gangstertreff beginnt mit misstrauischem Beäuge und ständigem Waffengezücke, doch dann wird beschlossen, den Platz gemeinsam zu erkunden – wobei einige überraschende Entdeckungen gemacht werden. Doch plötzlich sind alle Ausgänge verschlossen, die Polizei steht vor der Tür und ein maskierter Killer macht auch noch Hatz auf die Gesetzlosen…
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn wenn Multi-Tasker Caubet, der in Hollywood bis dato nicht groß in Erscheinung getreten ist, es geschafft hat, für die Verfilmung seines kruden Skripts ein Neun-Millionen-Dollar-Budget zusammenzubekommen und einige bekanntere B-Movie-Recken zu verpflichten, ist schließlich alles möglich. Ein gutes Drehbuch scheint gar nicht mehr von Nöten zu sein, um diverse B-Movie-Produzenten und Produktionsfirmen mit ins Boot zu holen. Solange „Action“ draufsteht, bekommt heutzutage offensichtlich jeder Quatsch sein grünes Licht.
„Last Hour” krankt an so vielen Schwächen, dass eine komplette Aufzählung unmöglich scheint. Daher hier nur Auszugsweise ein paar Essentials: Das Drehbuch ist unterste Schublade. Coubet versucht zunächst, mit wilden Zeit- und Ortswechseln (was wohl auch die Globalität seines Projekts unterstreichen soll) den sechs Bösewichten ein Profil zu verpassen, sie zu interessanten Charakteren mit Ecken und Kanten zu machen, um das Ganze dann aber sofort wieder zu vergessen. So dient die Einführung eigentlich nur einem Zweck: den sechs Schauspielern Raum für (lächerliche) coole Posen einzuräumen. In der Folge gelingt Coubet und seinem Co-Autoren Maxime Lemaitre nur eines, nämlich den Zuschauer mit aller Gewalt einzuschläfern. Im Finale wird dann wie wild auf die beliebten Zutaten Storytwists und falsches Spiel zurückgegriffen. Allerdings werden diese Motive so bis zum Erbrechen ausgereizt, dass sie nur noch peinlich und lächerlich wirken. Zudem stellt sich die Frage, warum sich die beiden Franzosen keinen englischsprachigen Autoren mit ins Boot geholt haben. Der hätte einige der Dialoge zumindest soweit aufpolieren können, dass sie den Wortschatz eines Siebtklässlers übertreffen und nicht immer mit dem gleichen starren Satzbau daherkommen.
Im Übrigen wird sich altbekannter B-Movie-Klischees bedient, um die Laufzeit noch ein wenig zu strecken. Da gibt es beispielsweise das obligatorische Kompetenzgerangel auf Seiten der Polizei, das Gangster Monk aber in der einzigen halbwegs amüsanten Szene mit einer Kugel in den Kopf des neuen Möchtegern-Verhandlungsführers (Karl Eiselan) schnell wieder beendet.
Wofür Caubet die ihm zur Verfügung gestellten neun Millionen Dollar verbraten hat, bleibt sein Geheimnis. Möglicherweise hielt er damit seine Schauspieler bei Laune. Im Übrigen dürfte das Geld weder in die minderwertige Ausstattung noch in die technische Umsetzung geflossen sein. Die Optik von „Last Hour” ist nämlich auf allerunterstem Niveau. Jeden Tag entstehen Hobbyproduktionen, die zumindest gut neunzig Prozent des Films rein visuell in die Tasche stecken. Die ewig gleichen Kamerafahrten und der Billig-Look sowie die miserablen Actionszenen und ein paar lachhafte Effekte werfen Zweifel auf, ob hier wirklich eine professionelle Studioproduktion vorliegt. Wenn dann in vielleicht knapp zehn Prozent der Szenen doch noch das visuelle Niveau eines gewöhnlichen Videothekenactioners erreicht wird, wirken diese fast wie Oscar-reifes Material.
Die Darsteller geben sich erst gar keine Mühe, in diesem Umfeld zu glänzen. Gerade die beiden alten Haudegen, der mit blonder Löwenmähne aufwartende Michael Madsen (Reservoir Dogs, Boarding Gate) und David „Kung Fu“ Carradine (Kill Bill, American Monster) spulen ihre Parts sichtlich gelangweilt ab. Madsen scheint zumindest seine Dialoge ein wenig aufpoliert zu haben, erweisen sich seine Glückskeksweisheiten doch als sprachlich deutlich vielfältiger als die Sprüche aller seiner Kollegen. Regisseur Caubet beweist, dass es mit seiner Fähigkeit als Schauspieler auch nicht allzu weit her ist. Penelopes kleine Schwester Monica Cruz (Asterix bei den Olympischen Spielen) sieht wenigstens noch gut aus. Den Cast vervollständigen Ex-Rapper DMX (Never Die Alone, Exit Wounds), der alte Asia-Draufgänger Kwong Leung Wong (The Killer, City On Fire) und der respektable Charakterschauspieler Paul Sorvino (GoodFellas, The Cooler) - und es stellt sich erneut die Frage, was Caubet den Darstellern nur zu bieten hatte, um diesen illustren Haufen um sich zu versammeln.
Fazit: Selbst Actionvielseher mit eher niedrigen Erwartungen dürften von „Last Hour“ enttäuscht werden. Denn nicht nur für die angesprochenen Punkte, auch für weitere Elemente wie Musik und Schnitt gilt: „Last Hour“ ist durch und durch unterirdisch schlecht.