Mit ihrer zweiten Regiearbeit „2 Tage Paris" feierte Schauspielerin Julie Delpy 2007 einen echten Überraschungserfolg. In der frechen Culture-Clash-Komödie prallten die ausgeprägten Egos von Amerikanern und Franzosen ungebremst aufeinander. Der Film bot eine famose Mischung aus Charme und Boshaftigkeit und barst nur so vor Wortwitz. Das lag vor allem am Zusammenwirken des kauzig-schrägen Adam Goldberg („Der Soldat James Ryan") und Julie Delpy in den Hauptrollen. Nun greift die Französin das Konzept ihres ersten Films auf und präsentiert mit der Komödie „2 Tage New York" eine Fortsetzung, in der allerdings Chris Rock den grandiosen Adam Goldberg ersetzt. Dessen Fehlen macht sich durchaus bemerkbar und es ist einer der Gründe dafür, dass „2 Tage New York" trotz beachtlicher Qualitäten nicht an die Originalität und den Schwung von „2 Tage Paris" herankommt.
Fünf Jahre nachdem Fotografin Marion (Julie Delpy) mit ihrem damaligen Freund Jack (Adam Goldberg) für zwei denkwürdige Tage auf Familienbesuch in Paris zu Gast war, wiederholt sich Geschichte. Zwar hat Marion mit Jack einen kleinen Sohn (Owen Shipman), doch das ehemalige Paar lebt schon mehrere Jahre getrennt. Über den Schmerz des Scheiterns half Marion ihr New Yorker Arbeitskollege Mingus (Chris Rock) hinweg. Der Journalist und Radio-Moderator brachte seine siebenjährige Tochter Willow (Talen Ruth Riley) mit in die Beziehung. Die neue Patchwork-Familie harmoniert tadellos, bis sich Marions Vater Jeannot (Albert Delpy) zu einem Kurzaufenthalt in New York ansagt. Nach dem Verlust seiner Frau will sich der alte Herr bei seiner Tochter und seinem Enkel ablenken. Aber auch Marions durchgeknallte Schwester Rose (Alexia Landeau) und ihr aktueller Freund Manu (Alex Nahon) stehen plötzlich auf der Matte. Der flegelhafte Manu, der zuvor auch mit Marion zusammen war, sorgt gleich einmal für Wirbel, als er einen Marihuana-Dealer in das Apartment seiner Gastgebern bestellt. Doch das ist nur der Anfang des Chaos, das die drei Gäste aus Frankreich auslösen.
Ihr Filmdebüt gab Julie Delpy 1985 für Regie-Ikone Jean-Luc Godard („Détective") als „weises, junges Mädchen" (so ihr Rollenname). Sie stand fortan fast ausschließlich für Regisseure des ganz großen Kalibers vor der Kamera: Bertrand Tavernier („Die Passion der Beatrice"), Agnieszka Holland („Hitlerjunge Salomon"), Volker Schlöndorff („Homo Faber"), Krzysztof Kieslowski („Drei Farben"-Trilogie), Richard Linklater („Before Sunrise", „Before Sunset", „Waking Life") und Jim Jarmusch („Broken Flowers"). Von all diesen Filmemachern ließ sich Delpy, die in New York auch noch ein Filmstudium absolvierte, inspirieren und konzentrierte sich nach ihrer ersten langen Regiearbeit „Looking for Jimmy" von 2002 zunehmend auf die Aufgaben hinter der Kamera. In ihren Filmen erweist sich Godards frühe Rollenbezeichnung geradezu als prophetisch, denn bei Delpy verbindet sich ironische Abgeklärtheit mit jugendlicher Verspieltheit zu einer ganz eigenen Mischung. Zu dieser persönlichen Prägung trägt auch die Wahl vertrauter Mitarbeiter bei, für „2 Tage New York" verfasste Delpy gemeinsam mit ihrer Jugendfreundin Alexia Landeau (die im Film erneut ihre Schwester spielt) das Drehbuch und auch ihr Vater Albert ist wieder mit von der Partie.
Wie der Titel „2 Tage New York" schon nahelegt, ist der Film zugleich Fortsetzung und Variation von „2 Tage Paris". Den Wechsel des Hauptdarstellers erklärt Delpy selbst dabei interessanterweise damit, dass es nicht zu viele Parallelen ihrer Zwillingsfilme zu den ähnlich angelegten Kultromanzen „Before Sunrise" und „Before Sunset" geben sollte, die sie mit Regisseur Richard Linklater und Schauspielpartner Ethan Hawke gedreht hat. Die weiteren Veränderungen sind dagegen marginal, nach dem „Hinspiel" in Frankreichs pulsierender Metropole Paris, folgt das „Rückspiel" im Kulturen-Wettstreit zwischen Amerikanern und Franzosen im noch aufregenderen New York. Immer wieder ist es die Sprachbarriere, die für amüsantes Wirrwarr sorgt. In einer Sequenz schaukeln sich die verbalen Missverständnisse so virtuos hoch, dass einem das Lachen nur so in den Ohren hallt. Doch Witz-Stafetten dieser Güteklasse, in denen falsch verstandene Banalitäten im Handumdrehen zu vermeintlichen mittleren Katastrophen ausarten, sind nicht die Regel. Delpy bedient sich erneut großzügig im reichen Fundus der Vorurteile, die Amerikaner über Franzosen hegen und umgekehrt und wälzt die vielen Klischees in epischer Länge und Breite aus – allerdings mit weniger satirischer Schärfe und absurder Überspitzung als im Vorgänger. Hier wird entsprechend mehr zum Schmunzeln animiert als zum lauthalsen Lachen.
Adam-Goldberg-Ersatz Chris Rock („Kindsköpfe", „Leg dich nicht mit Zohan an") übernimmt in „2 Tage New York" ungewollt die Funktion des coolen Biedermanns, an dessen Aufrichtigkeit und Political Correctness die drei französischen Urlauber abprallen. Dabei übernimmt Delpys leiblicher Vater Albert, der im Original lediglich in einer (urkomischen) Episode auftrat und danach immer mal wieder als lebender Running Gag durchs Bild huschte, diesmal eine tragende Rolle. Diese Aufwertung macht sich nicht bezahlt, denn trotz einiger gelungener Sketche wirkt die Dauerpräsenz des Vaters überzogen. Am stimmigsten eingebunden ist der Auftritt von Delpys Filmschwester Rose. Alexia Landau versprüht als kiffende Kinderpsychologin und praktizierende Nymphomanin mit ihren gutgemeinten Ratschlägen an Marion genau den anarchischen Charme, der „2 Tage Paris" so auszeichnete - da wird dann bei einem einfach nur etwas ruhigen Kind in hitziger Diskussion kurzerhand Autismus vermutet. Delpy selbst schrieb sich auch einige neurotische Extravaganzen auf den Leib, wie beispielsweise ihr Zusammentreffen mit dem exzentrischen Multikünstler Vincent Gallo („Essential Killing", „The Brown Bunny"), der ihre Seele kaufen will. Auch Daniel Brühl bekommt erneut seinen Cameo-Auftritt, dieses Mal als radikaler „Eichenmann", der als Protestler im Central Park einen Baum besetzt: ein netter Gag.
Das zentrale Zusammenspiel mit Chris Rock mag nicht so gut funktionieren wie einst mit Adam Goldberg, aber dafür hat Delpy inszenatorisch alles souverän im Griff und rundet ihren Film mit hübschen, kleinen Ideen ab. So rahmt sie ihre Komödie mit einer Puppentheater-Collage ein, in der die Familienschicksale zusammengefasst werden. Dazu schneidet die Regisseurin Hunderte von selbst geschossenen Touristenfotos zu einem furiosen Daumenkino-Stakkato zusammen, um die Leidenschaft von Marions Vater für die Fotografie zu illustrieren. In einigen der sorgfältig kadrierten und liebevoll ausgewählten Aufnahmen vom Big Apple erinnert „2 Tage New York" sogar an den großen Altmeister der New-York-Komödie, Woody Allen - stilistisch steht Delpy dem „Stadtneurotiker" unverkennbar nahe, selbst wenn sie mehr Wert auf visuellen und körperlichen Witz legt als der Großmeister der spitzen Zunge.
Fazit: Julie Delpys amüsante Screwball-Komödie „2 Tage New York" ist kein Witzfeuerwerk wie der Vorgänger „2 Tage Paris", auch fehlen ihr die Originalität und die anarchische Bosheit des Originals. Dennoch ist der Zusammenprall zwischen französischer und amerikanischer Kultur auch in dieser Fortsetzung temporeich und unterhaltsam.
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