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    Winter's Bone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Winter's Bone
    Von Christian Horn

    „Winter's Bone“, der zweite abendfüllende Spielfilm der amerikanischen Independent-Regisseurin Debra Granik, wurde beim Sundance Festival mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet. Zudem ist das Drama, das auf dem gleichnamigen Roman von Daniel Woodrell basiert, der vielleicht beste Film des diesjährigen, insgesamt eher durchwachsenen Berlinale-Forums. Angesiedelt in den Gebirgswäldern des südlichen Missouri ist der Film Milieu- und Charakterstudie zugleich. Mit einer Kamera, die immer ganz nah dran ist am Geschehen, und beinahe dokumentarisch anmutenden Bildern findet Debra Granik die passende Form, um ihr ungeschöntes Sozialdrama zu erzählen. Neben der konsequent durchgehaltenen Atmosphäre bleibt vor allem die jugendliche und bisher weithin unbekannte Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence im Gedächtnis. Mit einer unglaublichen Präsenz meistert sie ihre Rolle und trägt so den gesamten Film beinahe im Alleingang.

    Die 17-jährige Ree Dolly (Jennifer Lawrence) muss sich alleine um ihre beiden jüngeren Geschwister Sonny (Isaiah Stone) und Ashlee (Ashlee Thompson) kümmern. Ihre Mutter ist psychisch krank und kaum in der Lage, einen Beitrag zu leisten. Der Vater, ein Drogendealer, ist untergetaucht und erscheint nicht bei einer anstehenden Gerichtsverhandlung. Da er das Blockhaus der Familie verpfändet hat, soll dieses nun enteignet werden. Ree bleibt nur die Suche nach ihrem Vater, doch in der Nachbarschaft – die zu einem großen Teil aus Verwandten Rees besteht – stößt sie auf Ablehnung und bisweilen sogar offene Anfeindungen. Niemand will etwas wissen, doch Ree gibt nicht auf: Getrieben von ihrer Verantwortung den beiden Geschwistern gegenüber bleibt sie hartnäckig...

    Dass Ree und ihre Geschwister am unteren Ende der Armutsgrenze leben, macht Debra Granik gleich zu Beginn klar. Und auch die Nachbarn, deren schlichten Blockhäuser überall im Wald verteilt liegen, leben in überaus ärmlichen Verhältnissen. Debra Granik und ihr Kameramann Michael McDonough – der ohne Abstriche eine hervorragende Arbeit abliefert – fangen diese Verhältnisse ohne Wertung ein und werfen einen dokumentarisch-neutralen Blick auf die Lebensverhältnisse ihrer Protagonisten. Dazu passt es auch, dass einige der Darsteller Laien sind, die tatsächlich vor Ort leben. Auf diese Weise wird „Winter's Bone“ zu einem ehrlichen Sozialdrama, das die Handlungsräume seiner Figuren weder schönt, noch übermäßig dramatisiert. Dazu zählen auch die oft eigenartigen Formulierungen der Bewohner, das viele Geröll vor den Blockhäusern und der Wald selbst, der immer wieder in langen Einstellungen eingefangen wird, wenn Ree ihn passiert oder mit ihren Geschwistern auf die Jagd geht.

    So wird auch die Gegend zu einem Protagonisten des Films. Die Wälder der Ozark-Berge im Süden Missouris scheinen von der übrigen Welt abgeschnitten. Hier hat sich eine Gemeinschaft ausgebildet, die nach ihren eigenen Regeln lebt. Wenn der Sheriff aus der nahe gelegenen Kleinstadt auftaucht, spürt man die große Skepsis gegenüber Fremden, die diesen Mikrokosmos aus dem Lot bringen könnten. Eine ebensolche Gefahr stellt auch Rees Suche nach ihrem Vater dar, der bei weitem nicht der einzige ist, der hier mit Drogen Geschäfte macht. Der amerikanische Traum ist in dieser Randgesellschaft lange ausgeträumt: Was zählt, ist das Recht des Stärkeren und das Ringen um die eigene Existenz.

    Im Zentrum von „Winter's Bone“ steht die jugendliche Heldin. Jennifer Lawrence, die hier nach Auftritten in kleinen Independent-Produktionen ihre erste Hauptrolle spielt, meistert ihre Aufgabe mit Bravour. Die hartnäckige Ree, die trotz vieler Rückschläge nicht aufgibt und immer weiter nach ihrem Vater sucht, ist eine der stärksten Frauenfiguren der vergangenen Kinojahre. Nichts kann sie von ihrem Ziel abbringen, weder die Drohungen der Berggemeinschaft, noch die Gewalt gegen sie. Letztlich imponiert Ree damit sogar ihrem Onkel Teardrop (John Hawkes, American Gangster), der – abhängig von Crystal Meth – in einer gefühllosen Lethargie versunken ist und seiner Nichte zunächst nicht helfen will. Spätestens als der Onkel sich in die Suche einschaltet, avanciert „Winter's Bone“ auch zu einem Krimi, der seine Auflösung in einer ungemein intensiven Szene erfährt.

    Mit „Winter's Bone“ ist Debra Granik ganz großes Independent-Kino gelungen. Dank feiner Dialoge, einem ausgezeichneten Cast und seiner völlig unprätentiösen Kameraarbeit bleibt der Film lange im Gedächtnis. Jennifer Lawrence hat ihren nächsten Auftritt übrigens an der Seite von Mel Gibson und Jodie Foster in The Beaver. Bleibt zu hoffen, dass auch Debra Granik noch etwas von sich sehen lässt.

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