„Viele werden sagen, was macht der Akin jetzt für 'n Scheiß, so trivialen Schwachsinn, reine Kunstfiguren und so weiter. Dazu kann ich nur sagen: Die Sonne gehört mir genauso wie die Nacht, die Komödie gehört mir genauso wie das Drama, das Lachen genauso wie das Weinen und das Deutsche genauso wie das Türkische." Die Worte, die Fatih Akin vor Drehbeginn seines zweiten Spielfilms „Im Juli" für seine Filmcrew fand, klingen heute wie eine Art Rechtfertigung für den krassen Genrewechsel, den er nach seinem Debütfilm „Kurz und Schmerzlos", einem knallharten Milieu-Thriller, vollzogen hat. Mittlerweile hat das deutsch-türkische Regie-Mastermind längst bewiesen, wie breitgefächert sein filmisches Repertoire zwischen anspruchsvoller Dramenkunst („Gegen die Wand", „Auf der anderen Seite"), Dokumentarfilmen mit persönlicher Note („Crossing the Bridge", „Der Müll im Garten Eden") und lockerem Wohlfühl-Kino („Soul Kitchen") tatsächlich sein kann. Als „Im Juli" im Jahr 2000 erschien, gab die so stilsicher wie leicht inszenierte Komödie bereits einen ersten Hinweis auf die Vielseitigkeit des Regisseurs.
Daniel Bannier (Moritz Bleibtreu), ein etwas verschrobener Lehramtsreferendar, bekommt von der lebensfrohen Schmuckverkäuferin Juli (Christiane Paul) einen alten Maya-Ring, der ihm den Weg zu der Frau seines Lebens weisen soll. Juli, die in Daniel verliebt ist, meint sich selbst damit und hofft, ihn damit erobern zu können. Unverhofft und zufällig findet Daniel durch den Maya-Ring jedoch zu der Türkin Melek (İdil Üner), die in Hamburg auf der Durchreise ist. Als Melek zurück nach Istanbul muss, entschließt sich Daniel ebenfalls dazu in die Türkei zu fahren und ihr zu folgen. Er setzt sich in sein Auto und macht sich auf den langen Weg gen Osten. Zufällig trifft er Juli wieder, die per Anhalter mit ihm reist. Es beginnt ein Roadtrip durch ganz Europa und die Suche nach der großen Liebe.
Was Fatih Akins zweiten Spielfilm so sympathisch macht, ist weniger die dramaturgische Qualität, als vielmehr eine bemerkenswerte, außergewöhnliche Lässigkeit, die im deutschen Film selten anzutreffen ist. Wenn die unkonventionelle Juli dem spießigen Nachwuchslehrer Daniel das Kiffen auf einem Donau-Frachtschiff beibringt oder die beiden in Rumänien versuchen ein Auto zu klauen, kann man sich als Zuschauer der Anziehungskraft dieses ungleichen und gerade darum liebenswürdigen Paares kaum noch entziehen. Obwohl die Figuren im Grunde ziemlich einfallslos angelegt und wenig ausdifferenziert sind, gibt vor allem Bleibtreu alles was er an Schauspielkunst zu bieten hat und vollzieht im Laufe des Films eine glaubwürdige Entwicklung vom Loser zum selbstbewussten Romantiker. Besonders großartig sind die Kurzauftritte von Regisseur Fatih Akin und seinem Bruder Cem als Grenzpolizisten. In beiden Szenen kommt es zu skurrilen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Daniel und den Beamten die für einige unterhaltsame Momente sorgen.
„Im Juli" profitiert maßgeblich von einer Postkartenästhetik, die das französische Kamera-Ass Pierre Aïm („Hass – La Haine", „Willkommen bei den Sch'tis") durch helltönige Farbfilter und Fotostrecken zaubert. Es entsteht ein Charme, der an alte analoge Kameraaufnahmen erinnert. Akins konserviert Urlaubsatmosphäre auf Zelluloid. Durch die positive Atmosphäre, die der Film schafft, fällt dem Zuschauer kaum auf, dass Geschichte und Figurenkonstellationen im Grunde reichlich konstruiert sind und sich etwas zu deutlich aus Versatzstücken der gewöhnlichen Verwechslungskomödien und Fernsehromanzen zusammensetzen.
Fazit: Fatih Akins zweiter Streich ist solides Gute-Laune-Kino. Mit Herz und einer erfrischend- unkonventionellen Leichtigkeit gehört der Film ganz klar zu den außergewöhnlicheren Arbeiten der einheimischen Komödienlandschaft. Dabei gelingt es Akin, sein Händchen für Situationskomik und die überaus sichtbare Leidenschaft für ausgedehnte Landschaftsaufnahmen zusammen zu bringen und den Figuren seines Films trotzdem nicht die Show zu stehlen. „Im Juli" ist Kino, das den Sommer einfängt und festhält.