Der riesige Erfolg von Todd Phillips‘ „Hangover" im Jahre 2009 überraschte selbst die Beteiligten und machte Hauptdarsteller Bradley Cooper und den schrägen Zach Galifianakis zu Stars. Die wahnwitzige Gagsause avancierte zur erfolgreichsten R-Rated-Comedy aller Zeiten in den USA und spielte weltweit 467 Millionen Dollar ein. Die Frage nach einer Fortsetzung war selbstverständlich nur eine rhetorische: Zwei Jahre später folgt nun also das Sequel und soll noch einmal so richtig an den Kinokassen abräumen. Allerdings kommt „Hangover 2" trotz neuer optischer Reize und einer Prise Extra-Action nie an die Qualität des überragenden Originals heran, das Schema des Vorgängers wird in pikanter Art und Weise mit nur geringen Abweichungen in Remake-Dimensionen kopiert. Das ist immer noch oft lustig, aber die Gagdichte fällt doch spürbar geringer aus.
Zwei Jahre nach den desaströsen Vorfällen bei der völlig aus dem Ruder gelaufenen Junggesellenabschiedsparty in Las Vegas ist zunächst einmal Ruhe eingekehrt in das Leben der vier Freunde Phil (Bradley Cooper), Stu (Ed Helms), Doug (Justin Bartha) und Alan (Zach Galifianakis). Stu hat sich verlobt und plant eine großspurige Hochzeit mit seiner neuen Freundin Lauren (Jamie Chung) in der Heimat ihrer Vorfahren in Thailand. Obwohl Laurens Vater (Nirut Sirichanya) Zahnarzt Stu für ein amerikanisches Weichei hält, stimmt er der Heirat zähneknirschend zu. Aus Angst vor einem zweiten Waterloo in Fernost verzichtet Stu auf den Junggesellenabschied, was seinen Kumpel Phil richtig nervt. Aber wenigstens ein letztes Bierchen bei einem Lagerfeuer am Strand des Ferienparadieses soll den vier Freunden gegönnt sein. Jamies kleiner Bruder, das 16-jährige Wunderkind Teddy (Mason Lee), verstärkt das Quartett. Doch es kommt wie es kommen muss. Am nächsten Morgen wachen Phil, Stu und Alan in einem heruntergekommenen und völlig demolierten Hotelzimmer im fernen Bangkok auf. Doug hingegen sitzt bestens ausgeruht am Hotelpool und hat ebenfalls keine Ahnung, was vergangene Nacht passiert ist. Doch das größte Problem: Teddy ist spurlos verschwunden. Nur sein abgetrennter Finger bleibt im Hotel zurück...
Das Wolfsrudel ist wieder da. An einer Rückkehr bestand ohnehin nie ein ernsthafter Zweifel, denn wenn etwas derart erfolgreich ist, wird schnell ein Franchise daraus. Erste Unkenrufe wurden aber schon nach den Trailern und Ausschnitten zu „Hangover 2" laut. Die Bilder ließen ein verdutztes Publikum zurück, weil der Eindruck entstand, als hätte Regisseur Todd Phillips („Old School", „Stichtag") einfach alle Zutaten des ersten Teils aufwandsscheu recycelt und nur minimal variiert. Statt Las Vegas lässt das Wolfsrudel nun halt in Thailand die Sau fliegen, statt Doug geht diesmal Teddy verloren, das Baby wird durch einen schweigenden Mönch ersetzt, der Tiger mutiert zum Affen und so weiter. Leider täuscht dieser Eindruck überhaupt nicht, weil Phillips den ganzen Film hindurch genau das macht: Er wärmt das Original noch einmal auf. Das hat den erheblichen Nachteil, dass die Komödie so der Überraschungsmomente des ersten Teils beraubt wird.
Einen Originalitätspreis wird „Hangover 2" also nicht gewinnen. Aber selbst wer sich auf diesem Gebiet nichts erwartet und einfach nur ähnlich viel lachen möchte wie in Teil 1, der wird nicht ganz auf seine Kosten kommen. Und zwar ganz einfach weil nicht jede witzig gedachte Situation zündet und immer wieder längere Lachpausen entstehen. Nur in der Sparte Absurdität legt Todd Phillips erwartungsgemäß noch einen drauf, exemplarisch dafür stehen Stus Erlebnisse in der Welt der Prostitution. Wandte er sich in „Hangover" noch einem sympathischen Freudenmädchen zu und ehelichte es, so hat er es dieses Mal mit einem herben Transvestiten zu tun, der ihn uncharmant penetriert. Die Wendung zum Derberen ist durchgängig spürbar, der Erzählton ist in Teil 2 deutlich düsterer und die vertrauten Figuren büßen einige Sympathien ein. Lustig ist der Film aber immer noch, nur die Frequenz und die Trefferquote der Witze fallen geringer aus. Im Gegensatz zum Vorgänger, der durch sein perfektes Timing bestach, ist „Hangover 2" mehr Stückwerk und zerfällt in Einzelszenen. Die Homogenität bleibt auf der Strecke, aber es gibt trotzdem eine ganze Menge sehr lustiger Momente, wenn das Chaos von allen Seiten auf die Männercombo hereinbricht, Ed Helms ausrastet oder Galifianakis skurrile Oneliner rausrotzt.
„Hangover 2" sieht glänzend aus, Kameramann Lawrence Sher („Paul - Ein Alien auf der Flucht", „Stichtag", „Hangover") nutzt die optischen Möglichkeiten des neuen Handlungsorts Thailand und kontrastiert das Desaster, das die Protagonisten durchleben müssen, mit paradiesischen Bildern. Das von 35 auf 80 Millionen Dollar gesteigerte Budget ist offensichtlich nicht nur in die Gagen der (Neu-)Stars geflossen, sondern auch in die Produktionswerte, denn die Verfolgungsjagden sind aufwändiger und rasanter inszeniert – eine aberwitzige Hatz durch die engen Gassen Bangkoks wird so zu einem temporeichen Highlight.
So wie die Filmemacher ihrem bewährten Erzählschema folgen, bleiben sich auch die Charaktere treu. Der grandiose Zach Galifianakis („Stichtag", „Up in the Air") ist weiterhin der größte Szenendieb, weil seine Figur des nerdigen Alan so wunderbar durchgeknallt ist, aber Spießer Ed Helms („Willkommen in Cedar Rapids", „The Office") alias Stu holt diesmal einiges auf und verhält sich noch skurriler und neurotischer, während der coole Beau Bradley Cooper („Das A-Team - Der Film", „Ohne Limit") wieder der kühlste Kopf in der Chaostruppe ist. Justin Bartha („Das Vermächtnis der Tempelritter") bekommt wie im Original die undankbarste Rolle zugewiesen. Er wird in der Haupthandlung erneut von der restlichen Gruppe getrennt und darf nur als Kommunikator zwischen dem Suchtrupp und der rasenden Verwandtschaft dienen.
Neu dabei sind Paul Giamatti („Sideways") als rabiater Dealer Kingsley, Mason Lee („Das Hochzeitsbankett") als Stus verlustig gegangener künftiger Schwager Teddy und Jamie Chung („Samurai Girl") als Lauren. Charismatiker Giamatti darf zumindest für eine der wenigen Überraschungen im Film sorgen, aber auch Lee und Chung agieren solide. Der komödiantische Grenzgänger Ken Jeong („Transformers: Dark of the Moon") bekommt als krimineller Mr. Chow noch mehr Leinwandzeit spendiert und reizt seinen Wahnwitz voll aus. Der US-Amerikaner koreanischer Abstimmung fühlt sich keinerlei Political Correctness verpflichtet und treibt jenen übersteigerten anarchischen Witz auf die Spitze, der den ganzen Film kennzeichnet. Und auch „Iron" Mike Tyson darf nicht fehlen, doch sein Cameo fällt gegenüber seinem „In The Air Tonight"-Auftritt deutlich ab. Der im Vorfeld viel diskutierte Gastauftritt des Tattooshop-Besitzers, der von „Persona non grata" Mel Gibson zu Liam Neeson und schließlich zu Regisseur („Alpha Dog") und Schauspieler („Im Körper des Feindes") Nick Cassavetes wechselte, ist übrigens die Aufregung kaum wert, denn er ist weder besonders lustig noch wirklich bedeutsam für die Handlung.
Fazit: „Hangover 2" ist auf den ersten Blick eine originalgetreue Kopie von Teil 1 – sie erweist sich dann aber als in fast allen Belangen um einiges schlechter gelungen (siehe auch unser Special: "Hangover 2": Sequel oder Remake?). Das heißt nicht, dass es dem Film an Unterhaltungswert mangelt, aber die hoch geschraubten Ansprüche kann das Sequel nicht erfüllen. Wer es freundlicher betrachten möchte, kann davon sprechen, dass „Hangover 2" das liefert, was die Fanschar erwartet, nur dreckiger und düsterer. Für den bereits angekündigten dritten Teil hat Phillips, der auch als Drehbuchautor und Produzent fungiert, aber dankenswerterweise durchblicken lassen, dass er sich auf eine neue Storyline einlassen will. Und einen Trumpf spielt der Filmemacher ganz zuletzt doch noch aus: Der Abspann mit dem Fotowahnsinn der vergangenen Nacht ist mindestens so gut wie beim ersten Teil und glatt einen halben Extra-Stern wert!