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    Fair Game
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Fair Game
    Von Christoph Petersen

    Die nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen im Irak sind ein amerikanisches Trauma, das zumindest die Demokraten unter den Filmemacher nicht so schnell vergessen und immer wieder kritisch aufgreifen und hinterfragen werden. Auch Doug Limans prominent besetzter Politthriller „Fair Game" mit Naomi Watts und Sean Penn schlägt nun in diese Kerbe. Dafür bedient sich der Regisseur eines wahren Falles, der in den USA wochenlang die Medien dominierte, in Deutschland aber weit weniger bekannt geworden ist: Valerie Plame wurde 2003 durch ein gezieltes Leck in der Bush-Administration als CIA-Agentin enttarnt, um damit ihrem öffentlich gegen die Regierung wetternden Ehemann zu schaden. Plames Karriere war damit beendet und ihr Familienleben wurde auf eine harte Probe gestellt. In die Geschichtsbücher ist der Vorfall, für den später der Stabschef des Vizepräsidenten den Kopf hinhalten musste, als „Plamegate" eingegangen. Doug Liman setzt der tapferen Amerikanerin mit „Fair Game" ein würdiges Denkmal, zeigt dabei aber vor allem ein Interesse daran, George W. noch einmal einen mitzugeben. Viel spannender wäre es indes gewesen, die Motivation zu ergründen, die Valerie und ihren Ehemann dazu getrieben hat, in dieser schwierigen Situation nicht kleinbeizugeben, sondern sich dem Weißen Haus entschieden entgegenzustellen.

    Valerie Plame (Naomi Watts) ist Ehefrau, Mutter und arbeitet als Agentin mit dem Schwerpunkt Naher Osten für die CIA. Ihre aktuelle Aufgabe besteht darin, herauszufinden, wieweit das irakische Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen bereits fortgeschritten ist. Das Ergebnis ist recht eindeutig, seit der Zerstörung des Arsenals im ersten Golfkrieg liegen alle Pläne auf Eis. Neue Versuche, Nuklearwaffen zu entwickeln, hat Saddam Hussein nicht unternommen. Aber für die Bush-Administration ist der Krieg längst ausgemachte Sache. Also verdreht der Stab von Vizepräsident Dick Cheney die Informationen so lange, bis das Ergebnis herauskommt, das die Kriegsbefürworter für ihr Vorhaben benötigen. Als es Valeries Ehemann Joseph Wilson (Sean Penn), ein ehemaliger Botschafter der Vereinigten Staaten und streitwütiger Demokrat, endgültig zu viel wird und er die Regierung in einem Artikel für die New York Times der Lüge bezichtigt, dreht diese den Spieß einfach um. Dick Cheneys Stabschef Scooter Libby (David Andrews) lässt an die Presse durchsickern, dass Josephs Ehefrau für die CIA arbeitet. Damit bringt er zwar etliche Menschen in Gefahr, die auf Valeries Cover angewiesen sind, diskreditiert aber auch Joseph, dessen Anschuldigungen nun plötzlich niemanden mehr interessieren...

    Es fällt leicht, „Fair Game" in zwei Hälften zu teilen. In der ersten gibt Naomi Watts („You Will Meet a Tall Dark Stranger") die toughe Agentin, die aus dem Stegreif ihre Meinung zur Einkaufspolitik der Vancouver Canucks runterrattert, um ihr nahöstliches Gegenüber davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich aus Kanada stammt. Ja, die Frau kennt ihre Nationalsportart (und zwar besser als jede echte Kanadierin, aber das steht auf einem anderen Blatt). Sowieso fällt die Zeichnung von Valeries CIA-Tätigkeit insgesamt eine Spur zu romantisch aus, hier schlagen offensichtlich die Vorlieben von Doug Liman durch, der mit dem Agententhriller „Die Bourne Identität" den nach „Mr. & Mrs. Smith" zweitgrößten Erfolg seiner Regiekarriere gelandet hat.

    Allerdings wiegt diese 007-artige Jobbeschreibung nicht allzu schwer, denn das Beleuchten von Valeries Einsätzen ist für Liman ohnehin nur ein Mittel zum Zweck. Vielmehr geht es ihm darum, noch einmal herauszuarbeiten, dass die Bush-Administration bewusst Geheimdienstinformationen umgedeutet hat, um einen Krieg zu rechtfertigen, der anders nicht zu rechtfertigen wäre. Das ist nicht sonderlich subtil (und auch nicht gerade neu), bringt aber zumindest eine wirklich grandiose Szene mit sich: Am Esstisch plappern ihre Gäste den ganzen Massenvernichtungsstuss aus den Nachrichten nach, während sich Valerie und Joseph immer wieder vielsagend anschauen, ihr Extrawissen aber nicht preisgeben dürfen, um Valeries Cover nicht zu gefährden. Bei dieser Stammtischdiskussion wird auf den Punkt gebracht, dass selbst das gehobene Bildungsbürgertum keine Chance mehr auf eine fundierte Einschätzung der Lage hat, wenn sich die Regierung dazu entschließt, das Volk gezielt zu desinformieren.

    Nach Valeries Entlarvung schlägt dann Naomi Watts‘ große Stunde. Endlich kann sie die Maske des Toughen ablegen und mit einer gewohnt nuancierten Performance brillieren. Leider erweist sich das Drehbuch als nicht ganz so differenziert wie die Hauptdarstellerin und es wird ein krass offensichtliches Klischee bedient: Nachdem sich Valerie dazu entschieden hat, ihren Mann zu verlassen, bedarf es nur einer kurzen Ansprache ihres weisen, holzhackenden Vaters (Sam Shepard), um die Sache wieder geradezubiegen. Da machen es sich die Filmemacher doch arg einfach, gerade wenn man bedenkt, dass „Fair Game" auf einem wahren Fall beruht.

    Die Nuancen der persönlichen Beziehungen werden also vernachlässigt, stattdessen wird eine Brandrede Josephs nach der anderen gezeigt. Sean Penn („Milk"), auch im wahren Leben einer von Hollywoods Vorzeigelinken, dreht als von aller Ungerechtigkeit in dieser Welt angestachelter Redenschwinger zwar zur Höchstform auf, aber seine Argumente sind für ein einigermaßen politisch interessiertes Publikum (und ein anderes schaut sich „Fair Game" schließlich gar nicht erst an) alles andere als neu. Eine Verschiebung des Schwerpunkts mehr in jenen Bereich, in dem das Private und das Politische mit voller Kraft kollidieren, hätte dem Film deshalb auf jeden Fall gutgetan.

    Fazit: „Fair Game" ist ein routiniert inszenierter Politthriller, der sich zu sehr auf das Vorbringen eines Standpunktes versteift, gegen den sowieso niemand mehr ernsthaft etwas einwenden kann. Für mehr als einen ordentlichen Film reicht das schlichte Einrennen offener Türen nicht.

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