„Ich bin zu alt für diesen Scheiß", stöhnte 1987 der damals 40-jährige Danny Glover alias Roger Murthaugh in „Lethal Weapon" und lieferte damit eines der bekanntesten Zitate der Filmgeschichte. Im Jahre 2010 haben Glovers Schauspielkollegen für eine solche Aussage nur noch ein müdes Grinsen übrig. Da reaktiviert der 64-jährige Sylvester Stallone für „The Expendables" in die Jahre gekommene Zeitgenossen wie Dolph Lundgren oder Mickey Rourke und lässt die alten Tage wieder aufleben, jüngst startete Michael Caine mit stolzen 77 Jahren in „Harry Brown" einen blutigen Rachefeldzug – und nun holt in „R.E.D." (die Abkürzung für „retired and extremly dangerous") der 55-jährige Bruce Willis als pensionierter CIA-Agent seine ehemaligen Kollegen John Malkovich (56), Brian Cox (64), Helen Mirren (65) und Morgan Freeman (73) aus dem Ruhestand. Dabei ist es ein wahres Vergnügen, den gestandenen Schauspielveteranen dabei zuzusehen, wie sie sich in überdrehten Actionszenen noch einmal ordentlich austoben. Das schwache Drehbuch und die biedere Regie werden davon aber nur bedingt überdeckt.
Früher war Frank Moses (Bruce Willis) der beste Geheimagent der Welt und erledigte für die CIA Aufträge rund um den Globus. Inzwischen jedoch befindet sich der ehemalige Top-Agent im Ruhestand und lebt in einem beschaulichen Vorort von Cleveland – das nachbarschaftliche Weihnachtsdeko-Wettrüsten und Telefonflirts mit der Rentensachbearbeiterin Sarah Ross (Mary-Louise Parker) zählen da schon zu den aufregendsten Höhepunkten. Doch das alles ändert sich, als ein Killerkommando der Regierung unter Führung von Jungspund William Cooper (Karl Urban) ohne erkenntlichen Grund beginnt, auf Frank Jagd zu machen. Um sie vor den Agenten zu schützen, entführt Frank kurzerhand Sarah und tritt mit ihr die Flucht an. Eine Hetzjagd quer durch die Vereinigen Staaten beginnt, in deren Verlauf Frank sein altes Team aus nun ebenfalls pensionierten Superspionen wieder zusammenstellt und nicht nur Sarah näher, sondern auch einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur kommt...
Top-Agent entführt braves Mädchen, flieht mit ihr vor Regierungsagenten und verliebt sich in sie – wer bei der Prämisse an „Knight And Day" denken muss, liegt gar nicht so falsch, denn tatsächlich häufen sich zwischen „R.E.D." und dem ebenfalls 2010 gestarteten Tom-Cruise-Cameron-Diaz-Vehikel sowohl inhaltlich wie auch inszenatorisch viele Gemeinsamkeiten – inklusive Over-the-Top-Action, zahllosen Ortswechseln und launigem Wortgeplänkel zwischen den Hauptfiguren. Das überrascht vor allem angesichts der gleichnamigen Comic-Vorlage zu „R.E.D.", die sich deutlich düsterer und ernsthafter gibt. Das Drehbuchautoren-Brüderduo Jon und Erich Hoeber, die gerade gemeinsam American McGees „Alice"-Version für die Leinwand adaptieren, standen also nicht nur vor der Aufgabe, die Story der nur 66-seitigen Graphic Novel auf Spielfilmlänge zu strecken, sondern auch den Ton der Vorlage radikal zu ändern – und haben sich dabei offenbar etwas zu viel vorgenommen.
Der Wechsel der Tonart funktioniert da noch am besten, was allerdings zu großen Teilen den beiden Hauptdarstellern zuzuschreiben ist. Bruce Willis könnte die Rolle des alternden Action-Helden im Deadpan-Modus inzwischen wohl auch spielen, wenn man ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen würde (siehe „Stirb langsam 4.0", „16 Blocks"). Ebenso überzeugt Mary-Louise Parker („Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn") als nur kurzzeitig widerspenstige Partnerin, die sich ihrem Schicksal danach relativ gelassen, später gar mit kindlicher Freude fügt. Probleme bereitet viel eher die Streckung der Handlung. Um diese zu erreichen, stellen die Hoeber-Brüder der Hauptfigur im Gegensatz zum Comic, wo dieser noch auf sich allein gestellt ist, gleich vier weitere Altagenten zur Seite, die zudem noch allesamt separat eingeführt werden, während gleichzeitig der Plot vorangetrieben wird – was letztlich dazu führt, dass der Film gnadenlos überfrachtet wirkt. „R.E.D." alterniert bis weit in die zweite Hälfte hinein zwischen Actionsequenzen und den Vorstellungen der weiteren Mitglieder von Moses' Team, springt dabei im Fünf-Minuten-Takt von einem Schauplatz zum nächsten und wechselt nebenbei noch drei Mal den Bösewicht. Bei diesem narrativen Chaos verwundert es dann auch nicht mehr, dass die beiden eigentlichen Hauptfiguren – eben Willis' Frank Moses und Parkers Sarah Ross – nahezu den gesamten Showdown über durch Abwesenheit glänzen.
Deutschlands Hollywood-Export Robert Schwentke („Flightplan", „Die Frau des Zeitreisenden") scheint zudem nicht wirklich interessiert daran, den Film abgesehen von zwei nett überzogenen Actionmomenten, die beide bereits aus dem Trailer bekannt sind, inszenatorisch von der Masse abheben zu wollen. Stattdessen liefert er über weite Strecken gleichförmige Schießereien, bei denen es völlig egal ist, wer eigentlich gerade auf wen schießt, da die Bösen auch aus nächster Nähe nicht treffen. Zum Glück kann sich Schwentke jedoch auf seine gut aufgelegte Darstellerriege verlassen, die mit vereinten Kräften „R.E.D." wenn schon nicht zu einem guten, dann zumindest zu einem unterhaltsamen Film macht. John Malkovich („Con Air", „In the Line of Fire") holt als nach jahrelangen Drogenexperimenten vollkommen wahnsinniger Waffenfetischist aus jeder seiner Szenen einen Lacher heraus und auch Helen Mirren („Die Queen", „State of Play") bereitet es sichtlich Freude, sich einmal völlig gegen den Strich besetzt hinter stationäre Maschinengewehre zu klemmen und schwer bewaffnet im Camouflage-Anzug durch den Wald zu rennen.
Zusammen mit Brian Cox („Troja", „Ein gutes Herz") sorgt Mirren als russisch-britisches Agentenpaar mit besonderer Hintergrundgeschichte auch für die charmantesten und besten Szenen des Films – umso bedauerlicher ist es, dass beide über eine Stunde auf ihren ersten Auftritt warten müssen. Noch schlimmer erwischt es Morgan Freeman („Invictus"), der nach seinem kurzen ersten Auftritt erst einmal lange verschwindet, nur um dann kurz nach seiner Rückkehr erneut sehr unmotiviert aus dem Film herausgeschrieben zu werden. So gerät der einmalige All-Star-Cast – zu den Genannten gesellen sich unter anderem noch Richard Dreyfuss („Der weiße Hai") als Dick-Cheney-Gedächtnis-Tycoon und die lebende Schauspiellegende Ernest Borgnine, der mit seinen 93 Jahren die Altersrangliste mühelos anführt – einerseits zur Rettung des Films, offenbart andererseits aber auch das eigentliche Potenzial von „R.E.D.", das Schwentke und seine Autoren fahrlässig verschenken.