Wenn man sich die Literatur-Verkaufscharts so ansieht, bleibt der Eindruck hängen, dass junge Leute heutzutage mit Ausnahme von Fantasy-Romanen wie Harry Potter oder Twilight kaum noch zum Lesen kommen. Und wenn dann doch mal Bücher mit jugendlichen Themen die Bestsellerlisten stürmen, in denen weder Zauberlehrlinge noch Vampire die Tücken der Pubertät überwinden, dann muss die Kinoindustrie natürlich reagieren – und zwar selbst dann, wenn es sich um die Sachbuch-Verkaufscharts handelt. An der Verfilmung von Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ wird bereits fieberhaft gewerkelt. Doch bevor es soweit ist, dass Hygienemängel auch auf der Leinwand salonfähig gemacht werden, kommt nun erst einmal eine Adaption von Lars Amends Bushido-Biographie (Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste) in die Kinos. Die Regie des Biopics „Zeiten ändern dich“ hat niemand Geringeres als Uli Edel (Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Der Baader Meinhof Komplex) übernommen. Doch statt dem Phänomen „Bushido“ auf die Schliche zu kommen, verfängt sich Edel schnell zwischen Gangsta-Klischees und Bushidos romantisierender Selbstdarstellung.
Mit 16 Jahren schmeißt Anis (Elyas M’Barek) die Schule, haut seine Mutter (Hannelore Elsner) um Startkapital an und beginnt zu dealen. Das Geschäft läuft gut, doch dann überfallen vermummte Konkurrenten Anis‘ Familie. Die Zeit zum Aufhören ist gekommen. Doch bevor er das Dealen endgültig an den Nagel hängen kann, muss Anis noch eine letzte Fuhre unter die Leute bringen. Dummerweise wird er dabei von zwei Zivilbullen aufgegriffen und zu einer dreijährigen Ausbildung als Maler und Lackierer verdonnert. Zwar besteht Anis (Bushido) alle Prüfungen, doch anstatt weiter in dem Beruf zu arbeiten, gibt er sich den Namen Bushido und verbringt seine Zeit lieber mit dem Besprühen von S-Bahn-Zügen. Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge ins World Trade Center krachen, nehmen die Bilder der in sich zusammenstürzenden Türme Bushido dermaßen mit, dass er als Reaktion seinen ersten Song schreibt. In den folgenden Jahren avanciert er zu einem der erfolgreichsten deutschen Musiker überhaupt – Echos und Auftritte bei Kerner inklusive. Doch Bushidos Herz ist noch immer voller Hass auf seinen trunksüchtigen Vater (Adolfo Assor), der einst mit einem Telefon auf den Schädel seiner Mutter einprügelte. Um wirklich frei zu sein, muss Bushido diesen Hass überwinden und seinem Vater verzeihen…
In einer Szene sagt Bushido zu seiner Freundin Selina (Karoline Schuch, Zweiohrküken), einem Mädchen aus reichem Hause, dass er nie von ihren Kreisen akzeptiert würde, egal wie viel Geld er hätte. Und damit hat er wahrscheinlich sogar recht. Ihre Eltern (Katja Flint, Uwe Ochsenknecht) werden dann auch als ziemliche Snobs dargestellt. Nun bleibt aber festzustellen, dass Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger (Der Untergang) selbst in diesen Kreisen verkehrt. Warum will also gerade er, der auf Bushidos „Ich ficke euch alle“-Liste eigentlich ganz weit oben rangieren müsste, nun einen Film über den Rapper machen? Wahrscheinlich lautet die simple Antwort: um Geld damit zu verdienen. Trotzdem ist interessant zu sehen, wie sich diese „ungleiche Paarung“ auf den Film auswirkt.
Ähnlich wie 50 Cent in Get Rich Or Die Tryin‘ ist auch Bushido offensichtlich daran gelegen, sein Image als harter Kerl von der Straße zu romantisieren. Machosprüche und Gewalt gehören einfach dazu, denn wo sollte der Respekt sonst auch herkommen?! Und Bushidos erste Liebe Katrin (Aenne Schwarz), die ihn einst für einen Typen in einem roten Sportwagen verlassen hat, kommt irgendwann abgefuckt und drogenabhängig wieder bei ihm angekrochen, um ein paar Euros abzustauben. Auch wenn Bushido Frauen wie Scheiße behandelt und Gangbangs in seinem Tourbus keine Seltenheit sind, ist es eben immer noch besser, bei ihm zu bleiben.
Auf der anderen Seite hat Bernd Eichinger immer wieder Szenen ins Drehbuch eingestreut, die das Image des Rappers demontieren. Eichinger lässt den jungen Anis in der Schule eine Rap-Version von Goethes „Der Erlkönig“ vortragen oder den erfolgsverwöhnten Bushido ein Duett mit „Biene Maja“-Interpret Karel Gott anstimmen. Dass sich diese beide Seiten – die Romantisierung und die Demontage – dermaßen stark reiben, ist zwar interessant zu beobachten, aber das hilft dem Film natürlich keinen Deut weiter. Ganz im Gegenteil: Dieses Hin und Her öffnet der unfreiwilligen Komik Tür und Tor. Selbst bei Vollblutkomödien wurde in Pressevorführungen selten so laut und viel gelacht wie bei „Zeiten ändern dich“.
Zudem wäre Eichinger nicht Eichinger, wenn er nicht mit einem Auge immer auch auf die Zuschauerzahlen schielen würde. Deshalb fallen die Gewaltausbrüche mit Ausnahme der Telefonszene auch eher harmlos aus. Und nach der geradezu pädagogisch wertvollen Auswahl an Bushido-Songs, die nun im Film vorkommen, fragt man sich ernsthaft, wie es jemals zu solchen Kontroversen (inklusive Indizierungen und Auftrittsverboten) um den Künstler kommen konnte. Natürlich macht auch diese wirtschaftlichen Überlegungen geschuldete Selbstkasteiung den Film nicht unbedingt sehenswerter.
Respekt war Bushido schon immer wichtig. Denn: „Wer keinen Respekt hat, der ist ein Opfer.“ Leider hat der Rapper mit „Zeiten ändern dich“ jetzt erst einmal jeglichen Respekt verspielt. Wenn er auf der Bühne steht und performt, hat er eine gewisse Ausstrahlung, keine Frage. Aber als Schauspieler kommt er über das Niveau einer Laientheateraufführung nicht hinaus. Wenn er seiner Freundin eine klebt, dann ist das nicht erschreckend oder schockierend, sondern bestenfalls unfreiwillig komisch. Und der gestelzte Off-Kommentar hört sich gar an, als würde ihn ein Grundschüler vorlesen. Für die prominenten Nebendarsteller um Moritz Bleibtreu (Soul Kitchen), Hannelore Elsner (Alles auf Zucker), Katja Flint (Die weiße Massai) und Uwe Ochsenknecht (Das Boot) sollte sich das Engagement zumindest auf ihrem Bankkonto positiv niedergeschlagen haben.
Fazit: „Zeiten ändern dich“ ist als Bushido-Biographie nichts Halbes und nichts Ganzes, sondern einfach lächerlich. Bushidos Schauspielversuche und die nur selten natürlich anmutenden Dialoge ermöglichen keinen Blick in die Seele eines Künstlers, sondern sind allein Nährboden für unfreiwillige Komik. Auf Gutdeutsch: „Zeiten ändern dich“ ist reine Geldschneiderei.