Der letzte große Coup. Noch einmal fett absahnen und sich dann in der Südsee fern der Heimat die Sonne auf den Bauch scheinen lassen! Wie oft diese Sehnsucht nach dem erfolgreichen Ausstieg aus der Gangsterkarriere in Hollywood-Genrefilmen bisher geweckt wurde, lässt sich schon nicht mehr genau ermitteln. Auch 2010 gibt es wieder zahlreiche Neuzugänge in der Gemeinschaft der Filme über das letzte große Ding, nach Ben Afflecks Bankraub-Drama „The Town" kreist auch John Luessenhops kerniger Action-Thriller „Takers" um dieses ewig junge Motiv. Der fabelhaften Inszenierung dieses stylishen B-Movie-Reißers stehen sattsam bekannte inhaltliche Klischees entgegen, so dass der Handlung von „Takers" die Überraschungsmomente fehlen. Was bleibt, ist solide Kost.
Sie sind die besten ihres Fachs. Die Bande um Gordon Jennings (Idris Elba), John Rahway (Paul Walker), A.J. (Hayden Christensen), Jesse Attica (Chris Brown) und Jake Attica (Michael Ealy) düpiert die Polizei von Los Angeles mit präzise und hochprofessionell durchgeführten Banküberfällen. Die jüngste Beute von zwei Millionen Dollar versetzt das Quintett in Hochstimmung, die aber schnell getrübt wird, als ihr frisch aus dem Knast entlassenes altes Bandenmitglied Ghost (Tip „T.I." Harris Harris) unter Hochdruck den ultimativen Coup einfädeln will. Denn sein Plan hat einen Haken: Der Überfall auf zwei Geldtransporter, der 25 Millionen Dollar einbringen soll, muss in fünf Tagen steigen, weil Ghost sich nur für diesen bestimmten Tag Informationen über die Route ergaunert hat. Obwohl die Vorbereitungszeit eigentlich zu knapp ist und die Cops Jack Welles (Matt Dillon) und Eddie Hatcher (Jay Hernandez) ihnen bereits auf den Fersen sind, gehen die Gangmitglieder auf den Deal ein...
1995 setzte Michael Mann mit seinem Action-Drama „Heat" einen Genre-Meilenstein. 15 Jahre später ist sein bahnbrechendes Crime-Epos immer noch unerreicht. So stilbildend der Film auch für seine Nachahmer ist, so schwierig und nahezu unlösbar ist doch die Aufgabe, sich aus dem riesigen Schlagschatten dieser wegweisenden Produktion zu lösen. Selbst Ben Afflecks starker „The Town" hatte damit echte Probleme, weil das Vorbild einfach so gut ist, dass alle Epigonen und Nachfolger fast zwangsläufig verblassen. Und John Luessenhop klammert sich in „Takers" noch enger als Ben Affleck an die Motive aus „Heat" – ohne allerdings auch nur ansatzweise dessen Tiefenschärfe in der Charakterzeichnung zu erreichen. Nur bei der Inszenierung muss sich Luessenhop nicht verstecken, sein eindeutiges Bekenntnis zum Credo des Style-Over-Substance hat dabei durchaus etwas Erfrischendes. Wenn die Bande ultralässig eine TV-Crew narrt und deren Hubschrauber nach Gebrauch in die Luft jagt, zelebriert Luessenhop diesen Akt genüsslich und ultracool in Zeitlupe: Solche Bilder sind ihm wichtiger als der Inhalt. Der Filmemacher fährt gleich eine ganze Reihe von erstklassig in Szene gesetzten Actionszenen auf, wobei die beiden Überfälle neben dem furiosen Finale die Höhepunkte bilden.
Für die coole Hochglanz-Ästhetik ist Kameramann Michael Barrett („Kiss, Kiss, Bang, Bang", „Bobby") hauptverantwortlich, dem nur der Einsatz der Handkamera gelegentlich aus dem Ruder läuft. Seine schicken Bilder werden nahezu permanent vom treibenden Score Paul Haslingers („Crank", „Into the Blue") begleitet: Nicht nur optisch, sondern auch akustisch ist „Takers" ein Film der glänzend aufpolierten Oberflächen. Ein ähnlicher Befund ergibt sich konsequenterweise auch für den Inhalt, denn die Variation der alten Räuberpistole von der Gang, die sich nach dem letzten Coup auflösen und in alle Winde zerstreuen will, bietet kaum Tiefgang. In den zur Verdichtung von Themen und Motiven eigentlich besonders geeigneten Nebenplots tischen die Filmemacher nur Klischees auf, aber dank eines launig aufspielenden Ensembles kommt trotzdem nie Langeweile auf.
Der vielerorts chronisch unterschätzte Paul Walker („The Fast and the Furious", „Running Scared") mimt den aalglatten Modegangster mit schicker Arroganz und zeigt echte Starqualitäten, auch Hayden „Anakin Skywalker" Christensen, bisher nicht durch überragende Schauspielkünste in die Geschichte eingegangen, meistert seinen Part als stiller A.J. souverän. Ähnliches gilt für den Rest der Truppe, nur Star-Rapper T.I. fällt dagegen ein wenig ab, weil er seinen Bad-Ass-Gangster selbst für diese eher simpel gestrickte Geschichte einfach zu eindimensional anlegt. Der Fokus der Handlung liegt dennoch eindeutig auf Seiten der Ganoven, die Jagd der Cops Dillon und Hernandez ist zunächst nur Beiwerk, bevor die Erzählpfade im bleihaltigen Finale zusammenlaufen. Obwohl fast alle Charaktere einen Hauch von Hintergrundstory bekommen, lässt sich am Ende jede Figur im Wesentlichen auf eine Eigenschaft reduzieren. Spaß bereitet dabei einmal mehr Matt Dillon („L.A. Crash", „Verrückt nach Mary"), der die Rolle des hartgesottenen Cops Jack Welles behutsam auf die Spitze treibt, ohne die Grenze zum Chargieren zu übertreten. In seinem Handlungsstrang verbirgt sich übrigens auch eine kleine Überraschung, eine absolute Ausnahme in diesem sonst doch sehr vorhersehbaren Film.
Fazit: Den ganz großen Coup landet John Luessenhop mit seiner „Heat"-Variation nicht, aber der Regisseur legt ein routiniertes, wunderbar glänzendes und rasantes Heist-B-Movie vor, das nur durch seine schablonenhafte Dramaturgie und die inhaltliche Ideenarmut abfällt. Für Genrefans ist „Takers", der stilistisch auch ein wenig an „24" erinnert, allemal einen Blick wert – selbst wenn der unterhaltsame Action-Thriller, anders als Michael Manns längst kanonisiertes Vorbild, nicht das Zeug zum Klassiker hat.