Mit Ridley Scott („Blade Runner", „Alien") als Vater und Tony Scott („Top Gun", „Der Staatsfeind Nr. 1") als Onkel schien der berufliche Weg von Jake Scott von Geburt an vorbestimmt. Über Musikvideos verdiente er sich erste Sporen, im Lauf seiner Karriere arbeitete er bereits mit Größen wie Radiohead, den Cranberries oder Tori Amos zusammen. Mit „Willkommen bei den Rileys" liefert Regisseur Jake Scott, mehr als zehn Jahre nach seinem Spielfilmdebüt, nun seinen zweiten Kinofilm ab. Der Clip-Regisseur hat ein solides Drama inszeniert, das zwar keine Innovationspreise abräumen wird, aber dank „Sopranos"-Star James Gandolfini und Melissa Leo angenehm kantig ausfällt. Mediale Aufmerksamkeit für die unaufgeregte Indie-Produktion dürfte mit der Beteiligung von „Twilight"-Bella Kristen Stewart von ganz alleine folgen. Einmal mehr will die Akrtice mit der gewagten Rolle einer minderjährigen Prostituierten unter Beweis stellen, dass sie mehr als bleiche Vampirbräute drauf hat.
Doug (James Gandolfini) und Louis Riley (Melissa Leo) befinden sich im 30. Ehejahr, haben sich nicht mehr viel zu sagen und leben eigentlich nur noch nebeneinander her. Während Louis seit Jahren nicht mehr aus dem Haus geht, hat Doug eine Affäre mit einer Kellnerin und gibt sich des Nachts in der Garage traurigen Gedanken hin. Die Eheleute haben den tödlichen Unfall ihrer 15-jährigen Tochter auch nach Jahren immer nicht verarbeitet. Dann lernt Doug auf einer Geschäftsreise in New Orleans die junge Stripperin und Prostituierte Mallory (Kristen Stewart) kennen. Das widerspenstige Mädchen sieht der Verstorbenen ähnlich und so nimmt sich der trauernde Vater ihrer an. Doch die unabhängige Frau hat ihre Schwierigkeiten mit den Vaterambitionen des Fremden, der überhaupt kein sexuelles Interesse an ihr zeigt. Als Doug seiner Frau mitteilt, dass er für unbestimmte Zeit in New Orleans bleiben werde, sieht Louis ihre Ehe in Gefahr und nimmt all ihren Mut zusammen, um das Haus zu verlassen...
Das Schild am hübsch hergerichteten Einfamilienhaus heißt Besucher bei den Rileys willkommen. Doch das ist bloß Fassade. Louis Riley hat den Grabstein für sich und ihren Mann bereits beschriften lassen und ihr Leben im sargähnlichen Haus damit für abgelaufen erklärt, während sich der sanfte Doug an die Normalität klammert, ohne selber jemals gesundet zu sein. So zurückgenommen der Einsatz der Musik und so gefühlvoll die Darstellung der kaputten Beziehung vorerst wirkt, so märchenhaft entwickelt sich der Plot in New Orleans weiter. Mit seiner ruhigen Inszenierung und dem spielfreudigen Cast reißt Regisseur Jake Scott dennoch einiges raus.
Kristen Stewart ist erst über das „Twilight"-Franchise richtig berühmt geworden. Dabei konnte sie bereits mit zwölf Jahren an der Seite von Jodie Foster in David Finchers „Panic room" überzeugen. Auch in „Adventureland" und „Into the Wild" stellte sie ihr Talent unter Beweis. Nach der Darstellung der Rockrebellin Joan Jett in „The Runaways" schlüpft sie nun in die Rolle einer minderjährigen Prostituierten mit einem Faible für vulgäre Ausdrücke, die in dem traumatisierten Riley-Ehepaar erstmals in ihrem Leben umsorgende Mitmenschen findet. Stewart verkörpert die schwierige Frau tauglich, ohne den Zwiespalt zwischen rebellischer Göre und nach Geborgenheit sehnendem Mädchen wirklich herauszuarbeiten.
James Gandolfini und Melissa Leo spielen Stewart mit Leichtigkeit an die Wand und demonstrieren, warum die junge Schauspielerin noch einiges zu lernen hat. Gandolfini gibt als herzensguter aber gebrochener Mittfünfziger eine hervorragende Performance, die sich enorm von seiner Paraderolle des Soprano-Patriarchen abhebt. Leo zeigt ein weiteres Mal neue Facetten und verkörpert die depressive, von Agoraphobie geplagte Louis souverän. Sie holt das Maximum aus einer Figur heraus, die leider eine viel zu abrupte und damit unglaubwürdige Wandlung innerhalb des Films durchmacht.
Vor allem in den gemeinsamen Szenen glänzen die beiden, geben sie doch ein stimmiges und glaubhaftes Filmpaar ab. Am besten funktioniert „Willkommen bei den Rileys" in der ersten halben Stunde, in der Begleitung der Trauerarbeit. Doch obgleich der Film einen überzeugenden Abschluss findet, ergeben sich im Mittelteil drehbuchbedingte Ungereimtheiten. Das Verhältnis der Rileys zur minderjährigen Stripperin etwa fällt zu verklärt aus, die humorvollen Sequenzen um den Aufbruch aus der stagnierten der Ehe fügen sich kaum schlüssig ins Gesamtbild. Unterm Strich ist „Willkommen bei den Rileys" ein funktionierendes Indie-Drama, das nach starkem Auftakt an Qualität einbüßt, sich dank James Gandolfini und Melissa Leo aber wieder fängt.