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    Late Night With The Devil
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Late Night With The Devil

    Horror-Hype mit einem ganz besonders vielversprechenden Setting

    Von Christoph Petersen

    Zu Beginn des gehypten Exorzismus-Horrors „Late Night With The Devil“, der in den USA bereits den Streaming-Startrekord der Genre-Plattform Shudder brechen konnte, wird so getan, als handele es sich bei dem folgenden Film um Found Footage. Genauer gesagt um eine reale TV-Talkshow aus den Siebzigern sowie zufällige Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen, die während der Werbepausen angefertigt wurden. Aber dass das Material tatsächlich echt sein könnte, glaubt man nicht nur wegen des bekannten Hauptdarstellers David Dastmalchian („The Suicide Squad“) für keine Sekunde. Es gibt auch überhaupt keine Erklärung für die Existenz des schwarz-weißen Making-ofs, das zwar offensichtlich mit Handkameras gedreht wurde, aber trotzdem schärfer aussieht als das mit professionellem TV-Equipment aufgenommene Farbmaterial der eigentlichen Sendung.

    Aber egal. Statt als Found-Footage-Horror sollte man den neuen Film der australischen Cairnes-Brüder („100 Bloody Acres“) einfach als Echtzeit-Experiment mit einer gehörigen Portion augenzwinkernd-abgründiger Medienbusiness-Satire und einigen angenehm-handgemachten Gore-Spitzen betrachten. Nach einer kurzen Rückschau auf die bisherige TV-Karriere von Late-Night-Host Jack Delroy erleben wir den Dreh der Halloween-Ausgabe seiner Show „Night Owls“ im Jahr 1977 in voller Länge mit. Um bei der Quote endlich einmal an seinem (real existierenden!) Hauptkonkurrenten Johnny Carson vorbeizuziehen, hat sich der ehemalige Radiomoderator diesmal etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Die Teenagerin Lilly (Ingrid Torelli) ist das einzig überlebende Mitglied einer Selbstmord-Sekte – und in der Show soll sie live mit dem Teufel Kontakt aufnehmen…

    Capelight Pictures
    Das Setting einer historischen Late-Night-Show ist sicherlich das größte Pfund des doppelbödigen Exorzismus-Horrors.

    Die auch selbst für das Drehbuch verantwortlich zeichnenden Cairnes-Brüder haben vor allem in Sachen Recherche ganze Arbeit geleistet: Zwar sieht das im alten 4:3-Fernsehformat präsentierte Material der Show auf der Kinoleinwand eigentlich zu gut aus (worüber man sich natürlich auch einfach freuen kann), aber grundsätzlich treffen die Regie-führenden Geschwister den 16mm-artigen Look damaliger Late-Night-Formate (inklusive Kostümen und Studioausstattung) ziemlich perfekt. Auch der Moderationsstil von Jack Delroy samt jahrelang erprobter Dynamiken mit seinem Sidekick Gus (Rhys Auteri) wirken auf den Punkt genau stimmig. Darüber hinaus sorgen immer wieder beiläufige Verweise auf reale Personen wie etwa das „Conjuring“-Dämonologie-Ehepaar Ed und Lorraine Warren für einen zusätzlichen Schuss Authentizität.

    Auch was die Gäste angeht, gibt es eindeutige Vorbilder: Der schnell entlarvte Mentalist Christou (Fayssal Bazzi) erinnert sicher nicht von ungefähr an den Bühnen-Scharlatan James Hydrick. Und der Berufsskeptiker Carmichael Haig (Ian Bliss) ist natürlich eine fiktive Version des legendären James Randi, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, die Öffentlichkeit über paranormalen Hokuspokus aufzuklären. Wer die YouTube-Videos von Randis berühmtesten TV-Auftritten (inklusive seiner Eine-Million-Dollar-Auslobung für den Beweis eines tatsächlich paranormalen Phänomens) gesehen hat, erkennt sofort, wie nah die Cairnes-Brüder in ihrer Version an den originalen Vorbildern drangeblieben sind.

    Capelight Pictures
    Die Kontaktaufnahme mit dem Teufel führt zu schockierenden Szenen, die wohl niemand vor den heimischen Fernsehgeräten je wieder vergessen wird.

    Wie einst in der legendären HBO-Sitcom „Die Larry Sanders Show“ macht dieser Blick hinter die Kulissen einer Late-Night-Aufzeichnung eine Menge Spaß – vor allem, wenn die Teilnehmenden während der kurzen Werbepausen versuchen, den weiteren Ablauf zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Am meisten zu verlieren hat allerdings Jack Delroy selbst, der nach dem Lungenkrebstod seiner nichtrauchenden Frau nun zumindest den Quotenthron besteigen will – und als Mitglied eines elitären Männerbundes namens „The Grove“ womöglich selbst einen Pakt mit dem metaphorischen Teufel eingegangen ist (da schwingen im Hintergrund allerhand reale L.A.-Verschwörungsmythen mit, wie sie vor einigen Jahren zum Beispiel auch schon in „Under The Silver Lake“ ausgegraben wurden).

    Aber dann gibt es da natürlich auch noch den buchstäblichen Teufel, zu dem die sich regelrecht im Scheinwerferlicht suhlende Lilly Kontakt aufnehmen soll. Wirklich schockierend wirkt der dämonische Live-Auftritt dann zwar trotz ansehnlicher Gore-Effekte nicht unbedingt, aber dafür ist gerade dieser Teil noch mal besonders clever arrangiert: Das Oberhaupt von Lillys ehemaliger Selbstmord-Sekte ist eindeutig dem berühmten L.A.-Satanisten Anton LaVey nachempfunden. Dieser war einer der Mitauslöser der auf den Namen „Satanic Panic“ getauften Massenhysterie, die große Teile der USA in der zweiten Hälfte der 1980 in eine irrationale Angst vor ritueller Gewalt stürzte. Auch in „Late Night With The Devil“ wird auf besonders clevere Weise mit der Idee einer solchen Massenhysterie gespielt, die in diesem Fall sogar bis in den Kinosaal hinübergreift.

    Fazit: Ziemlich clever und unterhaltsam, wenn auch nicht sonderlich gruselig.

    Wir haben „Late Night With The Devil“ im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2024 gesehen.

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